Marketing-Pannen Von Excel-Tabellen verführt

Es ist gefährlich wenn sich sich Manager ausschließlich auf ihre Planung am grünen Tisch verlassen. Oft haben die Annahmen und Prognosen aus dem Elfenbeinturm der Konzernzentrale wenig mit der Realität zu tun.

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Xelibri-Handy der Frühjahr/Sommer-Kollektion 2003. Ein Jahr später war die Marke tot. Foto: Siemens

DÜSSELDORF. Auf dem Papier war die Idee bestechend: Mit coolen Designer-Mobiltelefonen, die ausschließlich über Boutiquen verkauft werden sollten, wollte Siemens vor drei Jahren die Karten im Handygeschäft neu mischen. Die Xelibri-Kollektion sollte aus Modeaccessoires bestehen – nicht aus schnöden Handys. Die Werbekampagne zur Markteinführung ließ sich Siemens schätzungsweise 40 Millionen Euro kosten. Der Euphorie folgte die Bauchlandung. Pro Jahr wollte Siemens rund zwei Millionen Xelibri-Handys verkaufen, verfehlte diese Zahlen aber bei weitem. „Wir haben das Modegeschäft nicht verstanden“, räumte der verantwortliche Siemens-Manager George Appling ein gutes halbes Jahr später zerknirscht ein. Siemens’ Handysparte ICM musste hohe Abschreibungen verbuchen. Im Mai 2004 stellte man die Marke Xelibri ein. Das Beispiel zeigt, wie gefährlich es ist, wenn sich Manager ausschließlich auf ihre Planung verlassen. Oft haben die Annahmen und Prognosen aus dem Elfenbeinturm der Konzernzentrale wenig mit der Realität zu tun. Marktdaten und Verbraucherbefragungen – alles hatte auf einen Erfolg von Xelibri hingedeutet. Sogar Autodesigner wurden vorher interviewt, wie sie sich das Handy von morgen vorstellen. Trotzdem lag der Konzern daneben. Die Siemens-Manager sind nicht die Einzigen, die mit ihren aufwendigen Planspielen auf die Nase fallen. Nur ein Drittel der deutschen Unternehmen arbeitet bei der Planung in Marketing und Vertrieb wirklich solide. Ein weiteres Drittel beherrscht diese Disziplin mittelmäßig. Und jedes dritte Unternehmen scheitert bei dem Versuch, eine effiziente und professionelle Marketing- und Vertriebsplanung aufzusetzen, erklären die Marketing- und Vertriebsexperten Professor Christian Homburg und Bernhard Schenke vom Institut für marktorientierte Unternehmensführung an der Universität Mannheim. „Zu aufwendig, zu ungenau“ – so beschreiben die Mannheimer den Zustand der Marketing- und Vertriebsplanung in den Unternehmen. Für ihre Untersuchung haben sie rund 400 Planungsverantwortliche befragt. „Unternehmen schauen zwar ihre Prozesse oft an und verbessern sie“, erklärt Homburg. „Dies gilt aber vielerorts ausgerechnet bei den Planungsprozessen nicht.“ Seit Jahren wiederholen Unternehmen alte Planungsfehler. Sie sind viel zu fixiert auf nackte Zahlen. „Die Planungsprozesse werden in den meisten Unternehmen von den Controllern gesteuert. Diese sind aber häufig sehr marktfern und mit sich selbst beschäftigt“, erklärt Homburg. „Wir bräuchten bessere Controller, die sich nicht nur über Excel-Sheets freuen, sondern auch die Qualität der Zahlen hinterfragen.“ Doch die sind Mangelware. Statt sicherzugehen, dass ihr Ausgangsmaterial aus soliden Daten besteht, rechnen die Planungsverantwortlichen in vielen Unternehmen wahllos ausgewählte Ausgangswerte einfach hoch. „Es gibt zum einen Unternehmen, die die Ziele und Budgets des Vorjahres lediglich fortschreiben“, bemängelte der Co-Autor der Studie, Bernhard Schenkel. „Das andere Extrem bilden Unternehmen, die jedes Jahr eine komplette Neuplanung für alle ihre Leistungen machen, zum Teil bis zu Artikelnummern.“

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