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Gründergeist-Interview mit SAP „Wichtig ist uns eine Erziehung zum Unternehmertum“

Keine Angst vor neuen Dingen, mit Unvollkommenheiten umgehen, mit Stolpersteinen rechnen und an einer Vision festhalten. Das hat SAP-Talentscout Deepa Gautam-Nigge in ihrer wilden Startup-Zeit gelernt.

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Bei SAP ist Deepa Gautam-Nigge als Senior Director global für das „SAP Next Gen Ecosystem“ zuständig. Das sind unter anderem Partnerschaften mit Universitäten, Gründerzentren, Schulen sowie Startup-Netzwerken und Investoren. Ihr Motto lautet: Mit der nächsten Generation für die nächste Generation. Quelle: SAP

Deepa Gautam-Nigge ist überzeugt: Am Ende erwächst der Innovationsgeist immer aus den handelnden Personen. Bei SAP bringt sie etablierte Unternehmen mit den passenden Startups zusammen und arbeitet gemeinsam mit den Talenten der nächsten Generation an den Innovationen von morgen.


Frau Gautam-Nigge, wann hat sich Ihr persönlicher Gründergeist entwickelt?

Das war um die Jahrtausendwende. Ich war Arbeitnehmer Nummer 1 in einem Startup, einem SpinOff aus einem Forschungsinstitut der RWTH Aachen, wo ich selbst studiert hatte. Zwei Monate nach Gründung hatten wir unseren ersten Messeauftritt: ein 18 Quadratmeter-Einheitsstand auf der Fachmesse SYSTEMS in München, mit zwei 20 D-Mark teuren – ja damals gab´s den Euro noch nicht 😉 - Kaffeemaschinen aus dem Computershop und kopierten Word-Dokumenten als Flyer.

Das war abenteuerlich, wie wir auf uns aufmerksam gemacht haben, um einen digitalisierten Auswahlprozess von standardisierten ERP-Lösungen mittels einer Cloud-Plattform zu verkaufen. Man darf nicht vergessen, damals steckte das Internet als solches noch in seinen Kinderschuhen. Und auch die ersten Geschäftsmodelle, bei denen „dieses Internet“ als Basis-Technologie das Rückgrat bildete, lernten alle noch laufen.

Was haben Sie in ihrer wilden Startup-Zeit gelernt?

Keine Angst zu haben vor neuen Dingen, mit Unvollkommenheiten umzugehen und mit Stolpersteinen zu rechnen. Wichtig ist Beharrlichkeit, an einer Vision festzuhalten. Man braucht eine gute Portion Widerstandsfähigkeit, um mit den Rückschlägen umzugehen. Vor allen Dingen habe ich schnell gelernt, Dinge bis ans Ende zu denken und nach Synergien zu suchen. Denn die Ressourcen – Geld, Menschen, Zeit – sind ja immer beschränkt. Aber im kleinen Startup, bei dem Sie alles von Null aufbauen, merken Sie das umso deutlicher. Da liegen folgende Fragen auf der Hand: Was ist ergebnisorientiert? Wo liegt der kritische Pfad? Wie kann ich über Synergien vielleicht zwei oder drei Ziele gleichzeitig erfüllen?


Wie ist es eigentlich um den berühmten deutschen Gründergeist bestellt? Die Antworten gibt es in der Gründergeist-Studie des Handelsblatt Research Institute: 76 Seiten zum Ansehen und zum Download.

Wie nutzen Sie Ihre Startup-Erfahrung in einem Großkonzern wie SAP?

Die Denkweise aus dem Startup habe ich mitgenommen. Auch hier realisiere ich relativ schnell, was ich brauche, welchen Weg ich gehen muss und welche Grenzen es gibt. Wo zum Beispiel kann ich Prozesse beugen oder wo kann ich sie pragmatisch umgehen? Und was muss ich auf jeden Fall mitberücksichtigen, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen? Mit einer Gründer-DNA im Blut ist man deutlich pragmatischer, als wenn man nur das doch recht starre Konzern-Konstrukt kennt.

Sie haben viele Kontakte zu Universitäten und zu Unternehmen. Was ist ihr Ziel bei diesen Projekten?

Wir wollen Räume für eine Kultur des Ausprobierens schaffen. Wir überlegen: Wie bringen wir schon junge Schüler mit der Gründerszene zusammen? Wie inspirieren wir junge Menschen sehr früh schon in der universitären Ausbildung? Oft erwachsen Gründungsideen ja aus der akademischen Ausbildung. Wie machen wir die nächste Generation fit für Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Robotics? Wie fördern wir eine neue Generation Tech Entrepreneurs?

Wir müssen dafür sorgen, dass diese die Strukturen und Räume sowohl physisch als auch kulturell vorfinden. Ein Austausch zwischen den etablierten jungen Gründern als den Vorbildern und den engagierten Interessierten, ist unabdingbar. Es ist wichtig Gründergeist in der Gesellschaft stärker zu verankern. Denn auch wenn Fernsehformate, wie etwa Höhle der Löwen, zur Inspiration beitragen, man braucht auch an den Ausbildungsstätten die entsprechenden Anlaufstellen.


Wie ist es um den berühmten deutschen Gründergeist bestellt? Das Handelsblatt Research Institute hat dies zusammen mit seinen Partnern Bridgemaker, Kienbaum, Lanxess und SKW Schwarz untersucht. Die Ergebnisse.

Gibt es Projekte, die Sie bevorzugt verfolgen?

Wichtig ist uns eine „Erziehung zum Unternehmertum“, wir nennen es Entrepreneurship Education. Über meine Vorlesungstätigkeit versuche ich, das Denken „Out of the Box“ zu kultivieren. Wie schaffe ich es, über das Offensichtliche hinaus auf neue Ideen zu kommen? Wir bieten zum Beispiel gemeinsam mit den Lehrstühlen kleine Entwicklungsprojekte an, in denen ein Problem in einem Unternehmen zu lösen ist. Oder wir bringen in interdisziplinären Projekten erfahrene Produktmanager von verschiedenen Unternehmen zusammen – in einem Konglomerat, aber gemeinsam mit Talenten, also mit Studenten und Startups.

Alle Beteiligten arbeiten dabei unter Laborbedingungen an bestimmten Fragestellungen. Nicht aus allem wird dann was. Aber spannend sind die Projekte alle – sei es nun gemeinsam mit Nokia und Infineon oder Daimler und BMW. In solchen Projekten schauen die Beteiligten völlig ideologiefrei und über Wettbewerbsgrenzen auf die jeweiligen Themen.

Große Konzerne, die eigentlich Konkurrenten sind, arbeiten in einem übergeordneten Raum zusammen. Ist das schon hohe Kunst?

Es ist schwierig, aber es gelingt öfter als gedacht. Wir haben zum Beispiel zu Beginn einer groß angelegten Initiative mit 16 Unternehmen einen Rahmenvertrag verhandelt, wie hinterher das intellektuelle Eigentum verteilt wird, was möglicherweise aus den Projekten entstehen könnte. Das hat sich über ein dreiviertel Jahr hingezogen. Wenn man diesen Rahmen aber mal hat, dann ist auch so etwas möglich.

Überdies hat man im Kontext von Innovationen, auch gerade mit Talenten und Studenten, viel mehr Möglichkeiten, das kreative Potenzial bestmöglich auszuschöpfen. Wir nehmen den Teams den Druck und schaffen den Rahmen, um Ideen einfach weiter zu entwickeln. Wenn diese Teams über drei Monate wirklich „zusammengesperrt“ sind und sich in verschiedensten Kleingruppen organisieren können, kommen in diesen kreativen Räumen spannende Sachen heraus.


Was bringen die Dax-Konzerne, der Mittelstand und die Universitäten für Startups und Gründer? Die Antworten gibt es in den Grafiken der Gründergeist-Studie des Handelsblatt Research Institute: Ein Überblick.

Was ist schwieriger: Gründergeist in die Universitätsarbeit zu bringen oder verschiedene, große Unternehmen auf Gründergeist einzuschwören?

Das ist sehr unterschiedlich, und jede Richtung birgt auf ihre eigene Art Herausforderungen. Wichtig ist, die Personen über eine gemeinsame Vision zu einen. Natürlich gibt es Strukturen, die fördern Innovationsgeist mehr als andere. Aber am Ende erwächst der Innovationsgeist immer aus den handelnden Personen. Ohne Gründer-DNA oder Growth-Mindset hilft die beste Umgebung nicht. Entscheidend ist die Haltung der handelnden Personen, was übrigens auch kein Altersthema ist. Wo die richtige Einstellung fehlt, kann man sie auch nicht mal eben herbeizaubern.

Was ist sonst noch wichtig, um Gründergeist zu entfachen?

Innovationen entstehen an den Schnittstellen zwischen diversen Netzwerken. Das heißt: Diversität in all ihren Dimensionen – also vor allem auch hinsichtlich Mindset, Ausbildung und Herkunft, dann brauchen sie auch zusätzlich einen breiten Erfahrungsschatz zu Branchen und Marktstrukturen. Und man braucht eine Infrastruktur für Finanzierungen und entsprechenden Support, etwa Coworking Spaces.


Start-ups made in Germany stehen oft im Schatten der Einhörner aus den USA. Eine neue Studie zeigt aber: Die deutsche Start-up-Kultur glänzt gerade in der Kooperation mit etablierten Weltmarktführern.
von Tristan Heming

Könnte die Politik noch bessere Voraussetzungen für eine Gründerkultur schaffen?

Die Finanzierungsbedingungen sind natürlich erst mal eine Herausforderung. Als Startup ist man gerade zu Beginn angewiesen auf die drei „F“, also Family, Friends and Fools. Oder auf Angel Investments. Hier würde ich mir weniger Hürden für Innovationsfinanzierung wünschen. Für viele Ideen, die aus der Wissenschaft entspringen, gibt es diverse bürokratische Hürden.

Außerdem haben Innovationen aus der Wissenschaft eine längere Vorlaufzeit bis zur Marktreife. Auf dem Weg dahin vertrocknen viele. MP3 ist ja unser schmerzhaftes Beispiel in Deutschland. Es gibt Basistechnologie, die aus Deutschland kommt und erstmal im Ausland im großen Stil finanziert und kommerzialisiert wird, aber die wir mit unseren üblichen Instrumenten oft nicht finanzieren können.

In Deutschland steht zum Glück seit einiger Zeit mehr Geld in der Frühphase der Finanzierung zur Verfügung – das sehen wir vor allem auch durch unsere erfolgreichen Gründer, die nach Ihren Exits vor allem ins lokale Ökosystem investieren und Ihrerseits junge Startups fördern. Uns geht aber die Puste aus, wenn es um die notwendige Wachstumsfinanzierung in den späteren Phasen geht, also genau dann, wenn es darum geht, die Unternehmen hier im Land zu halten.


Wenn du selbst Gründer*in bist, dich Start-ups faszinieren oder du als Unternehmer*in an deinem eigenen Unternehmen arbeitest, ist dieser Podcast der richtige für dich. Die Ideencouch ist ein Podcast von EVEREST GmbH.

Welche Rolle kann der Mittelstand bei der Wachstumsfinanzierung spielen?

Wir haben einen sehr starken Mittelstand. Dort ist ein großes Potenzial vorhanden und auch viel Gründergeist. Traditionsunternehmen, die Weltmarktführer sind in ihren Bereichen, starten ihre eigenen Innovations-Aktivitäten. Das ist sehr erfreulich. Wir haben zwar viele Defizite im Bereich der Digitalisierung, aber grundsätzlich gibt es das Potenzial, Innovationen wirklich auf die Straße zu bringen. Viele im „Mighty Mittelstand“ gehen da schon mutig voran, teilweise sogar mutiger und schlagkräftiger als mancher Großkonzern.

Lara von Petersdorff-Campen unterstützt Führungskräfte und MitarbeiterInnnen in psychischen Belastungssituationen sowie bei Konflikten. Per Video-Wissendatenbank erhalten Abonnenten rund um die Uhr Expertenrat.

Zur Person und zum Unternehmen

Deepa Gautam-Nigge ist als Senior Director bei SAP global für das „SAP Next Gen Ecosystem“ zuständig. Das sind unter anderem Partnerschaften mit Universitäten, Gründerzentren, Schulen sowie Startup-Netzwerken und Investoren. Ihr Motto lautet: Mit der nächsten Generation für die nächste Generation.

SAP hat in den letzten Jahren ein globales Team von circa 60 Leuten aufgebaut, das sehr eng mit Fokus-Universitäten zusammenarbeitet. Idealerweise ist das eine starke Technische Universität – mit einem internationalen Einzugsgebiet.
Oft geht es in den Projekten zunächst um die Vermittlung von Methodenkompetenz, um dann eine Zusammenarbeit zu definieren, SAP-Technologie anzuwenden oder ein Konzept in ein kommerzielles Modell zu überführen. SAP will auf diese Weise Gründer- und Unternehmertum bewusst fördern und in die Gesellschaft tragen. Schließlich ist das Unternehmen selbst aus einem Startup entstanden, und es profitiert nach wie vor von der Innovationskraft innerhalb der Organisation.

Deepa Gautam-Nigge hat zu Beginn ihrer Karriere selbst 4,5 Jahre in einem Startup gearbeitet, einer Ausgründung aus der RWTH Aachen, dem FIR - Forschungsinstitut für Rationalisierung e. V., dem heute Professor Günther Schuh vorsteht.
Neben Ihrer Rolle bei SAP verstärkt Deepa Gautam-Nigge die Advisory Boards der Investoren Earlybird VC und AUXXO Beteiligungen sowie beim Venture Builder von Schmitz Cargobull.

Die Wirtschaftsingenieurin Hanna Asmussen weiß genau, wie komplex und bürokratisch ein Jobwechsel oder ein Umzug in ein anderes Land sein kann. Daher gründete sie 2018 mit Lisa Dahlke und Franziska Löw die App Localyze.


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