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Digitalisierung Zeit für eine neue Experimentierkultur

Quelle: Shutterstock

Der Mensch entscheidet über den Erfolg der Digitalisierung – die Technik ist und bleibt sein Instrument. Für Manager wird entscheidend sein, das kreative Zusammenspiel der gesamten Belegschaft zu fördern.

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Fehlerfrei, langlebig und innovativ – so schrieben deutsche Unternehmen über Jahrzehnte eine robuste Erfolgsgeschichte. Die im Ausland bewunderten deutschen Unternehmen waren und sind ein Paradies für Tüftler, hiesige Ingenieure gelten als stolze Stammgäste beim Europäischen Patentamt. Und der Kunde? Er kauft, kauft und kauft „Made in Germany“, weil er Verlässlichkeit schätzt.

Schön war die Zeit. Doch sie neigt sich womöglich dem Ende zu. Begründete Verunsicherung macht sich unter den deutschen Marktführern breit – und das quer durch alle Branchen: Können wir uns auf die Wurzeln unserer Wettbewerbsfähigkeit im Zeitalter der Digitalisierung noch verlassen? Die unbestritten hohe Produktgüte, eine effiziente Fertigung und die über Jahrhunderte gewachsene Wissens- und Technologiebasis – nützen all diese Stärken wirklich im Kampf gegen Datenriesen wie Google und Apple?

Die Antwort ist ein „Ja, aber“. Deutsche Marktführer sind hohen Wettbewerbsdruck seit jeher gewohnt. Nun aber treten über alle Branchen hinweg neue Kontrahenten auf den Plan, die mit den Möglichkeiten der Digitalisierung in kürzester Zeit zwischen die Etablierten und den Kunden dringen. Indem sie etwa smarte Apps anbieten, erhalten sie Zugriff auf die Kundeninteraktion, prägen das Kundenerlebnis und den Preispunkt, und das ohne die Kosten des Fulfillments zu tragen.

Reagieren die etablierten Marktführer darauf nicht, laufen sie Gefahr, im Kerngeschäft verdrängt zu werden. Ob Banken, Versicherer, Versorger oder Autohersteller – überall sehen sich langjährige Platzhirsche vor einer Grundsatzentscheidung: Werde ich zu einem Lösungsanbieter mit zeitgemäßer Kundeninteraktion und biete neue Lösungen über das eigene Produkt hinweg an? Oder bleibe ich im „Brot und Butter“-Geschäft und nehme über kurz oder lang die Rolle eines Produkt-und Servicezulieferers ein, ohne direkten Draht zum Kunden. Und damit auch ohne direktes Kundenfeed-back zu Bedürfnissen, Chancen und Preispunkt.

Selbstkritisch sein und sich trotzdem treu bleiben – diesen Rat gibt Dr. Kai Bender, neuer Deutschland-Chef bei Oliver Wyman, Traditionsunternehmen für ihre Digitalisierung. Im Interview erklärt er, wie das funktioniert....

Es gibt aber eine gute Nachricht: Auch die Etablierten können ihrerseits die Digitalisierung nutzen, um schnell Produkte einzuführen, ihr Portfolio zu erweitern oder in ganz neue Geschäftsfelder einzutreten. Dafür braucht es mehr Tempo in der unternehmerischen Entscheidung, eine neue Risikobereitschaft und einen sensiblen Führungsstil. Mit anderen Worten: Die Vorteile der Digitalisierung gibt es nicht gratis. Sie erfordern ein grundlegendes Umdenken, das Schleifen alter Hierarchien und das Loslassen von Macht. Für manch autoritäre Führungskraft ein hoher Preis.

Agilität ist eine Frage der Führung

Mit der Digitalisierung verschiebt sich einerseits die Rolle der Produzenten: Die deutsche Liebe zum Produkt, die rührige Detailversessenheit und der starke Fokus auf Entwicklung und Produktion – all diese alten Erfolgsfaktoren können im Digitalzeitalter wie Bremsklötze wirken. In Zukunft wird es darauf ankommen, die relevantesten Anforderungen des Kunden schnell zu begreifen und zu adressieren. Für den Hersteller als aufmerksamen Problemlöser gilt es, seine Produkte stärker zu vernetzen und um Dienstleistungen zu ergänzen – bevor es andere tun. Branchengrenzen erodieren. Längst geht es um Datenhoheit und die erfolgskritische Frage: Wer besetzt den digitalen Einstiegspunkt in das jeweilige System?

Gleichzeitig verschiebt sich aber auch der Blick auf die wahren Erfolgsfaktoren innerhalb der Unternehmen. Die, die Silodenken über Bord werfen, und funktionsübergreifende Teams einsetzen, haben die Chance wirklich kundenzentrierte Organisationen aufzubauen. Wer sich traut, innen starre Prozesse zu kippen – auch wenn sie sich lange bewährt haben – kann auch gegenüber dem Kunden als agiler Problemlöser auftreten. Agilität ist eine Frage der Führung.

Fehlerkultur als Schlüssel zum Erfolg

Wer annimmt, mit Inseln der Innovation und digitalen Projektteams die Umwälzungen zu überstehen, könnte scheitern. Wichtig wird sein, jeden Mitarbeiter mitzunehmen und selbst zu kundenorientiertem Denken zu motivieren. Strikte Arbeitsteilung und überkommenes Abteilungsdenken hemmen die Kreativität und Freude am Lösen größerer Aufgaben. Wer auf der Suche nach mutigen Ideen ist und die Intuition der Einzelnen stärken will, der muss auch ein Scheitern zulassen. Damit die Mitarbeiter kurz darauf wieder mit etwas Neuem um die Ecke biegen. Es ist erwiesen, dass eine solche Agilität als Wachstumsturbo wirkt.

Es geht nicht mehr um Innovation, wir sind im Zeitalter der Disruption. Bestehende Modelle werden nicht mehr nur durch neue Technologien weiterentwickelt, sie werden zerschlagen – eine große Chance für jede Branche.

Der Mensch entscheidet, ob die Digitalisierung erfolgreich ist oder nicht. Bereits in der Unternehmenskultur sollten Fehler als wichtiger Teil des Lernerfolgs begriffen werden. Eine solche, für deutsche Verhältnisse ungewohnte Experimentierkultur kann extrem motivierend sein. Das größte Engagement der Mannschaft ist zu erwarten, wenn sie gemeinsam an Problemstellungen arbeitet – ergebnisoffen und funktionsübergreifend.

Mitunter verwechseln manche Manager die Digitalisierung noch mit einer technischen Aufgabe, der sich vor allem die IT-Abteilung zu stellen habe. Aber die Transformation, um die es jetzt geht, betrifft das Unternehmen vom ersten bis zum letzten Mitarbeiter. Damit steht auch fest, dass man mit jenen Stammkräften auf die Reise geht, die man hat. Es wird nicht gelingen und es ist auch gar nicht nötig, ausschließlich sogenannte Digital Natives einzustellen.

Starke Hierarchien und starre Führungsstile gelten in der vernetzten Welt als veraltet. Sie schrecken nicht nur die begehrten Mitarbeiter der im Zeitraum von etwa 1980 bis 1999 geborenen Generation Y ab, sondern bremsen auch die potenziell zu begeisternden Stammkräfte. Es gilt insofern, die Autonomie von kundenzentrierten Teams vor Ort zu stärken und schwerfällige Gremien durch schnelle und sehr direkte Entscheidungswege zu ersetzen.

Pioniergeist gehört zur unternehmerischen DNA

Es bedarf mutiger und selbstbewusster Chefs, um den fälligen Kulturwandel einzuleiten. Sie stehen menschlich ähnlich wie ihre Unternehmen an einer Schwelle: Werden diese von aggressiven Start-ups herausgefordert, so sind die etablierten Firmenlenker nicht zwingend die kenntnisreichsten Digitalspezialisten im Hause. Ihre Kompetenz wird auf zahlreichen neuen Gebieten auf die Probe gestellt von Youngstern, die in einer Experimentierkultur schnell Erfolge vorweisen. Sie haben eine Vorbildfunktion für alle Mitarbeiter von den Babyboomern bis zu Berufseinsteigern. Es ist das Ziel, verschiedene Generationen zu einem Team zusammenzuschweißen, Kompetenzen anzuerkennen und wertschöpfend zu integrieren. Das gilt für den Umgang mit Start-ups ebenso wie für das Führen kreativer Kräfte im eigenen Betrieb, die den Wandel maßgeblich mitgestalten.

Zahlreiche Marktführer unterschätzen die Notwendigkeit dieser neuen Führungsqualität noch massiv. Das könnte sich rächen. Die digitale Transformation des eigenen Unternehmens hängt in erster Linie von den Menschen im Unternehmen ab – und ist nicht an isolierte Innovationseinheiten delegierbar. Agilität und Pioniergeist müssen Teil der DNA der gesamten Belegschaft werden. Jene Unternehmen, die diese Mechanik begreifen und in ihre Menschen investieren, haben beste Chancen, zu den Gewinnern der Digitalisierung zu zählen.

Autor: Dr. Kai Bender, Deutschland- und Österreichchef von Oliver Wyman

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