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Interview mit Concardis Group CIO Jana Brendel „Die beste Zeit für Innovation ist genau jetzt“

Jana Brendel treibt bei der Concardis Payment Group als CIO unter anderem das Thema Bezahllösungen voran. Quelle: PR

Jana Brendel will als CIO beim Payment-Dienstleister Concardis Payment Group die Disruption der Finanzbranche vorantreiben. Wie sie die Rolle der IT in Unternehmen heute sieht und wieso sie zuletzt von Goliath zu David wechselte, erklärt sie im Interview.

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Frau Brendel, Sie sind seit fast dreißig Jahren im Softwaregeschäft, haben als Entwicklerin und im Projektmanagement in der Finanzindustrie gearbeitet, große Teams geleitet und jetzt als CIO die Verantwortung für die Digitalisierungsstrategie bei der Concardis Payment Group übernommen. Wann ist Ihnen das erste Mal klargeworden, dass in der Finanzbranche ein echter Umbruch, eine Disruption ansteht – und dass Ihr Fachbereich, die IT dabei eine Schlüsselrolle spielen wird?
Zum ersten Mal habe ich das Ausmaß der anstehenden Veränderung realisiert, als 2007 das iPhone und kurz darauf der App Store auf den Markt kamen. Das hat mich total fasziniert: Die Idee, dass Software-Anwendungen für Endnutzer so einfach bedienbar und nutzbar werden. Und der App-Store als Plattform, die es Unternehmen ermöglicht, ihre Anwendungen über diese externe Plattform zu skalieren. Mir wurde klar: Das ist eine Innovation, die wirklich, um es mit Steve Jobs Worten zu sagen, eine Delle ins Universum hauen würde.

Auch ins Universum der Finanzindustrie?
Absolut. Denn diese Innovation hat ein grundlegendes Problem gelöst, vor dem zuvor die Fintech-Unternehmen und die Entwickler in den Banken standen, die neue, digitale Finanzdienstleistungen entwickeln und vermarkten wollten. Schon in den 1990er Jahren hatte Bill Gates, ganz zu Beginn des Dotcom-Booms, die These aufgestellt, dass wir in Zukunft weiterhin Banking-Dienstleistungen brauchen – aber bald keine Banken mehr. Damals war die Technik allerdings noch lange nicht so weit. Die Software-Anwendungen waren für Endkunden einfach noch nicht verständlich und handhabbar. Das änderte sich durch die Smartphones, die zum Lifestyle-Produkt wurden, uns über die App-Stores den Weg zum Endkunden öffneten – und damit auch zum Game Changer in der Finanzindustrie wurden. Das war der Beginn und der eigentliche Auslöser der disruptiven Entwicklungen in der Finanzindustrie, die wir heute sehen. Das Wort Disruption wird heute ja ständig und in allen möglichen Zusammenhängen verwendet. Aber der App Store in Verbindung mit dem iPhone: Das war für mich wirklich eine Disruption. Eine Innovation, die vorhandene und neue Technologien und Ideen in noch nicht dagewesener Art und Weise verknüpft. Die damit ein echtes Problem löst – und eine Branche tiefgreifend verändert.

Der Mensch entscheidet über den Erfolg der Digitalisierung – die Technik ist und bleibt sein Instrument. Für Manager wird entscheidend sein, das kreative Zusammenspiel der gesamten Belegschaft zu fördern.

Welche Veränderungen hat diese Disruption für Sie persönlich mit sich gebracht?
Die wichtigste Veränderung ist, dass die IT in Unternehmen nicht länger als reiner Kostenfaktor und Outsourcing-Kandidat betrachtet wird, sondern in den Mittelpunkt des Geschäftsmodells und der Wertschöpfung gerückt ist. IT-Teams sind heute Treiber und Partner auf Augenhöhe in agilen Projekten, entwickeln in fachübergreifenden Teams neue Produkte und Lösungen gemeinsam mit Kollegen aus Produktmanagement, Risikomanagement, Marketing und Vertrieb. Wir haben dadurch auch die geradezu vorindustrielle Arbeitsweise überwunden, mit der IT-Projekte lange durchgeführt wurden.

Was meinen Sie damit?
Lassen Sie es mich an einem Beispiel erklären. Ich erinnere mich an ein IT-Großprojekt, das ich einmal übernehmen sollte. Anderthalb Jahre nach dem Start hatte das Projektteam zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 800 Seiten Spezifikationen entwickelt, aber noch keine einzige Zeile Code geschrieben. Mit den Kunden, die diese IT-Lösung nutzen sollten, hatte in dieser ganzen Zeit noch niemand gesprochen. Niemand war auf die Idee gekommen, erst einmal zu fragen, ob es überhaupt ein Interesse der Zielgruppe gibt. Diese langwierigen Prozesse, diese Kopfgeburten, das hat mich schon immer gestört. Ich bin ein großer Fan davon, die Software-Entwicklung radikal zu automatisieren, auf iterative Prozesse und auf Cloud-Lösungen zu setzen. Heute sprechen wir ohnehin kaum noch von reinen IT-Projekten – die IT-Experten sind einfach Bestandteil aller relevanten strategischen und operativen Projekte im Unternehmen. Alle Beteiligten, alle Prozesse sind dadurch viel agiler, viel kreativer und schneller geworden. Unsere Arbeitsweisen haben sich an das disruptive Tempo angepasst. Was gut ist.

Nachdem Sie bei der Deutschen Bank ein Team geleitet hatten, das digitale Anwendungen für Endkunden entwickelt, sind Sie dieses Jahr als CIO zum Zahlungsdienstleister Concardis Payment Group gewechselt – gewissermaßen vom Goliath zum David. Warum?
Enorme Dynamik und Wachstumspotential machen den Payment-Sektor aktuell zu einer der spannendsten Branchen. Ich bin überzeugt, dass wir beispielsweise beim Thema mobiles bargeldloses Bezahlen in der DACH-Region bald einen massiven Schritt nach vorne machen werden. Viele Länder in Europa und Asien, auch die USA sind bei diesem Thema schon viel weiter. Die Concardis Group treibt diese Entwicklung in der DACH-Region voran und macht mit innovativen Bezahllösungen die Vorteile der Digitalisierung für Händler und Dienstleister nutzbar – sowohl am stationären Point of Sale als auch im E- und M-Commerce. Als CIO der Concardis Group kann und will ich diese Entwicklung weiter forcieren.

Sehen Sie: Früher waren CIOs, wenn es sie überhaupt gab, in der Regel Führungskräfte der zweiten oder dritten Reihe. Sie waren meist als Stabsstelle dem CTO untergeordnet, oder sogar dem Finanzchef. Da ging es eher darum, auf Zuruf Projekte zu vorgegebenen Rahmenbedingungen umzusetzen, Kosten zu sparen. Inzwischen gibt es immer mehr CIOs direkt auf der Vorstandsebene. Bei der Concardis Group habe ich diese Rolle und diese Verantwortung übernommen. Und ich habe als CIO den Anspruch, die Strategie in der Unternehmensleitung aktiv mit zu prägen.

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Können Spezialisten wie Concardis und innovative Startups die Disruption der Finanzbranche effektiver vorantreiben als große Konzerne?
Ja. Unternehmen, die sich auf spezifische Teile der Wertschöpfungskette fokussieren, haben weniger komplexe Strukturen, sie können schneller agieren. Und Schnelligkeit ist einfach sehr, sehr wichtig geworden. Innerhalb von Konzernstrukturen stoßen Innovationen immer erstmal auf Skepsis, auf Widerstand, auf Strukturen, die sich nicht so leicht verändern lassen. Es ist meine feste Überzeugung, dass Großkonzerne echte Innovationen nur erreichen können, wenn sie ihnen einen geschützten Raum bieten, zum Beispiel in Form von Inkubatoren, die neben den etablierten Strukturen stehen. Bei einem kleineren, weniger komplexen Unternehmen wie der Concardis Payment Group lässt sich Wandel im Unternehmen hingegen viel schneller gestalten und innovative Projekte in Zusammenarbeit mit externen Partnern umsetzen.

Schneller und kreativer werden: Das ist das Gebot der Stunde in vielen Unternehmen. Alle wollen und sollen nun plötzlich schneller, agiler, kreativer werden: Mitarbeiter quer durch alle Fachbereiche, Branchen, Unternehmensgrößen sollen „out of the box“ denken und Change-Prozesse umsetzen. Die Umstellung auf neue Arbeitsweisen geht allerdings ziemlich oft schief. Woran liegt das?
Wo soll ich da anfangen? Es gibt jede Menge Dinge, die man dabei falsch machen kann, und die auch wirklich oft falsch gemacht werden. Die Probleme fangen meist schon damit an, dass Führungskräfte zwar von ihren Teams verlangen, agil zu arbeiten, aber selbst nicht aufhören mit dem Mikromanagement. Ihre neue Aufgabe ist es aber, eine Vision zu entwickeln, selbst Begeisterung für das Projekt mitzubringen und dem Team Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Erbsenzähler, Kontrolleure und Mikromanager sind nicht gefragt. Das Team organisiert sich selbst. Die Mitarbeiter finden die besten Lösungen. Dieses Vertrauen in die eigenen Teams zu entwickeln, das ist für viele Führungskräfte ein großer Schritt.

Braucht es also neue Führungskräfte?
Ich würde sagen: Führungskräfte müssen lernen, selbst Verantwortung abzugeben – und auch ihre Leute zu ermutigen, wirklich selbst Verantwortung zu übernehmen und offener zu werden für Zusammenarbeit mit fachfremden und auch externen Partnern. Das fällt Mitarbeitern, die jahrelang ein anderes Arbeiten gewohnt waren, oft schwer. Man muss Mitarbeiter am Anfang an die Hand nehmen – und manche Führungskräfte und Mitarbeiter muss man womöglich auch ganz aus agilen Teams rausnehmen. Nicht jeder kann sich umstellen, nicht jeder will so arbeiten. Das muss man akzeptieren. Wir können aber insgesamt nur erfolgreich sein, wenn wir viele Mitarbeiter und Partner haben, die die nötige Offenheit und Denkweise mitbringen, um in agilen digitalen Ökosystemen zu agieren.

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Was braucht es sonst noch, um in disruptiven Zeiten erfolgreich zu arbeiten?
Wichtig ist, den Wandel nicht halbherzig anzugehen. Ich sehe zum Beispiel sehr oft, dass Mitarbeiter in mehrere agile Projekte gleichzeitig gesteckt werden, oder dass sie diese als zusätzlichen Workload auf den Tisch bekommen. Dann bleibt wieder überall etwas liegen, keines der Projekte kommt wirklich zum Fliegen, alle sind frustriert. Es reicht einfach nicht aus, jemanden alle zwei Wochen mal zwei Stunden für ein Projekt freizustellen und Mitarbeiter permanent zu überlasten. So kann niemand innovativ sein und „out of the box“ denken. Volle Konzentration auf ein Thema. Den Kopf frei haben, um sich voll auf ein Problem zu fokussieren. Wichtige Projekte klar priorisieren. Den Mitarbeitern Freiraum geben, um eigene Ideen zu entwickeln und querzudenken, statt sie mit Arbeit zuzuschütten. So funktioniert es.

Inmitten dieser beschleunigten Arbeits- und Wirtschaftswelt stellen sich viele Unternehmen ja inzwischen die Frage: Ist es schon zu spät? Wurden wir bereits abgehängt? Können wir den Vorsprung, den einige Startups und Digital-Pioniere haben, überhaupt noch aufholen?
Es ist definitiv nicht zu spät. Die beste Zeit für Innovation ist genau jetzt. Die Technologien, die in zehn Jahren unser Leben prägen werden, sind in Ansätzen zu erkennen, aber noch nicht marktreif. Also: Wann, wenn nicht jetzt, sollten wir uns daran beteiligen, diese Technologien und Lösungen mitzuentwickeln und die Veränderung mit voranzutreiben?

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