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Stadt der Zukunft Isolierte Lösungen helfen der Stadt der Zukunft nicht

Quelle: Getty Images

Die aktuellen Debatten um Mobilität greifen zu kurz. Erst wenn wir wissen, wie wir leben möchten, wissen wir auch, wie wir uns bewegen wollen. Kurzfristige Geschäftsmodelle wie E-Scooter und Flugtaxis lösen das Problem nicht, sagt Kai Bender, Deutschlandchef bei Oliver Wyman.

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Die nächste Revolution hat begonnen. Es ist eine Revolution der Fortbewegung – der Sprung in die Digitale Mobilität. Die Frage, die dahintersteckt, ist: Wie werden wir leben und was bedeutet das für unsere Ansprüche an Transportmittel? Digitale Technologie kann diese Ansprüche erfüllbar machen. Doch dafür müssen viele Branchen enger zusammenarbeiten, als sie es aktuell tun.

„Fragen Sie einen Automobilhersteller, ein Nahverkehrsunternehmen, einen Energieversorger oder eine Bank, wie die Mobilität der Zukunft aussieht, bekommen Sie eine isolierte Antwort, getrieben vom Angebot“, sagt Kai Bender, Market Leader Deutschland und Österreich bei der Strategieberatung Oliver Wyman. „Diese Angebote lösen unsere tatsächlichen Probleme jedoch nicht: Verdichtung, Verstopfung, Verschmutzung.“ Was kommt also heraus, wenn wir isoliert über ein Angebot nachdenken? „Der E-Scooter! Aber für E-Scooter wurde kein einziges Auto abgeschafft! Als Geschäftsmodell funktioniere das nur für den Moment: „Bis die Schäden auf den Bilanzen landen.“

Mit Fortbewegung in der Stadt der Zukunft habe das nichts zu tun. Wer die Menschen der Zukunft bewegen will, der muss anders denken. Nicht vom Angebot des eigenen Unternehmens her, sondern aus der Perspektive desjenigen, der in der Stadt wohnt: dem Bürger.

Neue Angebote lösen das Nachfrageproblem nicht

„Das Nachfragemuster der Kunden wird heute viel besser verstanden“, sagt Bender. Weil wir die notwendigen Daten über das Verhalten der Menschen haben und sie digital verarbeiten und nutzen können. Fortbewegung kann klüger gesteuert werden, wenn auch Informationen zu allen möglichen Transportmitteln zentral verfügbar sind, anstelle von Apps, die nur einzelne Angebote zeigen.

Das ist nichts, was ein einzelnes Unternehmen leisten kann; das ist auch nichts, was eine Kommune allein schafft. Stattdessen will Bender, dass sich viele Beteiligte an einen Tisch setzen: Fahrzeughersteller, Verkehrsunternehmen, Baufirmen, Händler, Energieversorger, Telekommunikationsunternehmen, Finanzierer und Versicherer, städtische Organisationen. Weil das Leben der Menschen die Dienste all dieser Branchen berührt, können sie keine eigenen Wege gehen, sondern müssen zusammenarbeiten.

„Natürlich muss man damit Geld verdienen können“, sagt Bender. Eine gemeinsame Planung nutzt auch in anderen Dimensionen. Umweltschutz und volkswirtschaftliche Gewinne stehen auf der Plus-Seite, wenn wir weniger pendeln und Kosten für die Gemeinschaft sinken. Dazu gehören auch soziale Vorteile, weil wir gesünder leben und die Versorgung besser ist.

Die Digitale Mobilität der Zukunft ist Folge und Bestandteil unseres Lebensstils. „Es wird zu oft vom Transportmittel her gedacht“, kritisiert Kai Bender die aktuelle Debatte. Doch genau das bringe uns nicht in die Zukunft. „Fahren Autos autonom, sparen Sie vielleicht zehn Prozent Ihrer Fahrzeit“, sagt er, „aber in ein paar Jahren brauchen Sie trotzdem wieder länger. Weil unsere Städte weiterwachsen und weil sie sich verdichten. Das autonome E-Auto nützt uns wenig, wenn es dann auch wieder im Stau steht.“

Mobilität braucht eine Vision vom Leben

Zur Mobilität der Zukunft gehört deshalb auch die Frage, wie viel wir uns überhaupt noch im Stadtverkehr bewegen, wann und warum. Das Leben verändert sich, in vielen Ideen von der Zukunft werden Arbeitszeiten flexibler, das Homeoffice normaler und die Hauptquartiere großer Konzerne ziehen sich aus den Innenstädten zurück.

In Frankfurt trafen sich 30 Top-Manager und Unternehmer, um über Disruption zu sprechen. Kann dabei mehr herauskommen als ein Austausch der üblichen Buzzwords? Das Thinktank-Event „Disrupt the Industry“ hat es gezeigt.

„Das Mobilitätsbedürfnis eines Menschen ist nicht unveränderlich“, sagt Bender. „Menschen müssen zur Arbeit kommen, in den Urlaub fahren, Freunde besuchen, haben in bestimmten Phasen ihres Lebens kleine Kinder, später alte Eltern. Das ist ein sehr flexibles Konstrukt.“ Deshalb reiche es nicht, über Individualverkehr oder öffentlichen Verkehr zu diskutieren. Mobil, also beweglich, ist alles, auch unsere Arbeitskraft, auch unsere Lebensmodelle. Pendelten wir weniger, wäre Druck von den Städten genommen, die Luft wäre besser, die Menschen entspannter, der Alltag günstiger und bequemer.

Um dies möglich zu machen, brauchen wir eine Vision von der Zukunft. „Ein einigermaßen geschlossenes Bild, auch auf politischer Ebene, muss die verschiedenen Branchen zusammenbringen. Das sehe ich bislang noch nicht. Die öffentliche Diskussion dreht sich um Einzelaspekte. Und das ist zu wenig.“ Eine wachsende, verdichtete Stadt ist zu komplex, als dass isolierte Lösungen helfen könnten.

Der Staat muss lenken – und schützen

Die Moderation einer solchen Visionsfindung gehört in die öffentliche Hand, sagt Bender. Auch, weil wir für die Gestaltung der Mobilität der Zukunft viele Daten benötigen. „Wir sehen derzeit in fast allen konsumentenorientierten Geschäften, dass es zu einer Wertmigration kommt, wenn die großen Tech-Konzerne in den Markt gehen: Google, Amazon, Facebook, Apple. Werte, sei es Geld oder Daten, die zu Geld gemacht werden, wandern von den etablierten Marktteilnehmern zu den großen Plattformen. Da müssen wir uns fragen: Wollen wir das? Wollen wir, dass zum Beispiel Google der Stadt Berlin ein intelligentes Netzwerk liefert? Wenn wir das nicht wollen: Wer soll es sonst machen?“

Bislang fehle es an der öffentlichen Willensbildung. Doch wenn wir diese Probleme nicht selbst lösen, dann macht es ein anderer, Apple Pay und die Log-In Dienste von Google und Facebook sind Beispiele für Technologien, die von US-Konzernen geliefert werden, weil kein anderer diese Dienste schnell und bequem genug gestaltet hat.

Große Konsortien aus verschiedenen Branchen können gemeinsam die Mobilität der Zukunft gestalten. Der wichtigste Einflussfaktor: unser Lebensmodell. Wenn wir wissen, wie wir leben wollen, können wir gemeinsam unsere Bedürfnisse artikulieren und die Mobilitätsangebote daran anpassen. Vermutlich eher nicht mit Flugtaxis oder E-Scootern, dafür aber mit Verkehrsmitteln und Verkehrssteuerung, die den Alltagsverkehr wieder angenehm gestalten.

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