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Expertin für Personalführung Fabiola Gerpott „Digitales Arbeiten braucht neue Routinen und Regeln“

Fabiola Gerpott. (Quelle: Leonie Müller) Quelle: PR

Wenn die Mitarbeiter von einem Tag auf den anderen zu Hause produktiv sein sollen, gerät nicht nur die eigene IT-Abteilung unter Druck: Viele Unternehmenskulturen mussten ihren digitalen Kinderschuhen schneller entwachsen, als es sich das Management ausmalen konnte. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Fabiola Gerpott sagt, das kann gelingen – wenn die nötigen Voraussetzungen geschaffen werden.

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Zur Person: Prof. Dr. Fabiola H. Gerpott ist Inhaberin des Lehrstuhls für Personalführung an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Düsseldorf. Sie hat sowohl in Organisationspsychologie als auch in Betriebswirtschaftslehre promoviert. Ihre Forschungsschwerpunkte sind moderne Führungskonzepte und effektive Führungskommunikation.

Die Corona-Krise wirbelt die Arbeitsorganisation vieler Mittelständler durcheinander. Video-Konferenzen per Skype, Dokumentenaustausch über die Cloud oder Homeoffice sind gerade zwangsläufig die Mittel der Wahl. Erleben wir eine Digitalisierung im Zeitraffer?
Definitiv. Plötzlich gehen Dinge, die lange Zeit undenkbar waren, zum Beispiel das Arbeiten von zu Hause aus. Aber es passiert mit unterschiedlicher Leichtigkeit: Die einen sind auf der Autobahn recht schnell links rübergezogen, während die anderen noch auf dem Standstreifen stottern. Wer vor der Corona-Zeit schon flexibel unterwegs war, kommt ganz gut zurecht. Wer sich zuvor schon mit Agilität und Flexibilität schwer getan hat, tut es in der Krise auch.

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Welche Führungsqualitäten sind jetzt gefragt, wenn die Belegschaft quasi über Nacht flexibel und agil werden muss?
Gerade in Krisenzeiten besteht bei Mitarbeitern ein erhöhtes Bedürfnis nach Führung. Die Aufgabe des Chefs ist jetzt, die Richtung vorzugeben. Dafür müssen sie Routinen für das Arbeiten im Homeoffice entwickeln und Regeln für für die Online-Kommunikation festlegen. Es ist zum Beispiel oft besser, mehrere kurze Online-Meetings pro Woche zu machen statt eine Vier-Stunden-Konferenz, nach der sich alle erst einmal erholen müssen. Die Führungskraft muss nun auch klar die eigenen ErwPartungen an ihre Mitarbeiter formulieren und Kommunikationsangebote schaffen, die sie nutzen können, wenn sie Fragen haben oder unsicher sind. Wichtig ist, das Team bei der Entwicklung solcher Routinen und Konventionen einzubeziehen und auf die jeweilige persönliche Situation Rücksicht zu nehmen. Denn Homeoffice ist wegen der Vermischung von Beruflichem und Privatem richtig anstrengend für Mitarbeiter.

Wie motiviert man die Mitarbeitenden, das gemeinsame Ziel zu verfolgen, auch wenn sie derzeit nicht als Team, sondern in räumlicher Distanz zueinander arbeiten?
Man kann sich gut am Konzept des „Identity Leadership“ orientieren. Da geht es darum, ein Wir-Gefühl herzustellen. Das kann in den täglichen Meetings geschehen, aber man sollte noch mehr tun: Eine Vision entwickeln, was nun das gemeinsame Ziel ist und wie man es zusammen erreichen kann. Und dabei auch stets in die Zukunft schauen und herausarbeiten, was das gemeinsame Ziel in vier, fünf Monaten ist, wenn die Lage wieder anders ist. Zugegeben, das alles ist digital nicht ganz einfach, kann aber gelingen. Die Zeit, an der gemeinsamen Identität des Teams zu arbeiten, sollten sich Führungskräfte nehmen.

All das verlangt auch von den Führungskräften selbst einiges ab. Agiles Arbeiten sind mache, besonders in hierarchisch geführten Familienbetrieben nicht gewohnt. Wie kann die Chefetage sie wiederum unterstützen?
Sie benötigen genauso Hilfestellung und Handreichungen. Das ist etwas, das ich sowohl für Mitarbeiter als auch für Führungskräfte vermisse: Nur sehr wenige Unternehmen haben ihnen eine Art Guidelines, einen Online-Kurs, eine Broschüre, ein E-Book, einen Podcast oder irgendetwas an die Hand geben, um Meta-Kompetenzen für die Arbeit im Homeoffice zu vermitteln. Die Situation hält ja nun schon mehr als drei Monate an, es war also genug Zeit, sich darüber Gedanken zu machen.

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Was meinen Sie mit Hilfestellung und Handreichung genau?
Auch Führungskräfte müssen wissen, wie sie mit den unterschiedlichen Verhältnissen ihrer Mitarbeiter umgehen, wie sie ihre eigenen Ressourcen über den Arbeitstag hinweg effizient managen. Wie sieht es mit Bewegung aus, mit ausreichend Pausen, mit gesunder Ernährung – all diese Punkte, die im Homeoffice total oft unter den Tisch fallen, müssten systematisch vermittelt werden. Anderes Beispiel: Wir machen an der WHU Studien zur Online-Meeting-Kultur – und es ist haarsträubend, wie oft solche Meetings komplett ineffizient verlaufen. Weil die Führungskraft das nicht gut durchstrukturiert oder nicht klar die Regeln festlegt. Da könnten die Unternehmen durch einen entsprechenden Leitfaden mit relativ wenig Aufwand viel erreichen.

Werden die Unternehmen Ihrer Meinung nach die neuen Arbeitsweisen auch dann beibehalten, wenn sich die Lage wieder normalisiert hat?
Davon bin ich überzeugt. Es gibt viel mehr Möglichkeiten produktiver Zusammenarbeit, als nur das Arbeiten im Büro. Aber ich wünsche mir, dass Unternehmen die flexible Arbeitsweise nicht nur weiterführen, sondern auch aktiv gestalten. Die Arbeit im Homeoffice birgt einige Risiken für Mitarbeiter. Deshalb sollten Unternehmen Richtlinien und Empfehlungen erarbeiten: Wie sorgen wir dafür, dass Mitarbeiter auch zu Hause einen ergonomischen Arbeitsplatz haben? Welche Tipps zur Selbstorganisation können wir geben? Und welche Regeln gelten, wenn der Mitarbeiter sich krank fühlt? All diese Fragen müssen noch beantwortet werden.

Werden Homeoffice und Online-Meetings sich als neue Standard-Arbeitsweise durchsetzen?
Diese Formen bekommen sicher einen gewaltigen Schub. Aber nicht alle Mitarbeiter werden das Angebot wahrnehmen, von zu Hause aus zu arbeiten. Sehr viele werden sehr gerne wieder ins Büro zurückkehren und auch Geschäftsreisen unternehmen statt online zu konferieren – denn als soziale Wesen haben wir einfach das Bedürfnis, uns mit anderen auszutauschen und gemeinsames Arbeiten zu erleben. Selbst wenn alle Unternehmen durchgängig Homeoffice erlauben würden, werden wir dennoch wieder Menschen im Büro sehen.

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