Anzeige: Sämtliche Inhalte dieser Seite sind ein Angebot des Netzwerks „Wir zusammen“. Für den Inhalt ist „Wir zusammen“ verantwortlich.
Kulturelle Differenzen „Den persönlichen Horizont erweitern“

Die ICUnet.AG berät Unternehmen in puncto Internationalisierung. Im Interview spricht der Vorstandsvorsitzende, Dr. Fritz Audebert, über Kulturunterschiede, den Abbau von Vorurteilen und die Chancen für deutsche Firmen.
Dr. Audebert, wie können Unternehmer ihre Belegschaft auf die Ankunft eines neuen Kollegen, der ein Geflüchteter ist, vorbereiten?
Zunächst einmal sollten sie ihn genauso ankündigen und empfangen, wie jeden anderen neuen Mitarbeiter, der beispielsweise aus dem EU-Ausland, den USA oder aus dem asiatischen Raum kommt: eine kurze Vorstellung der Person und die Erwähnung, aus welchem Land er kommt – das sollte genügen.
Zur Person gehört aber auch immer eine Auflistung der beruflichen Stationen. Darüber lässt sich bei Geflüchteten aber in der Regel wenig sagen.
Das ist richtig, Zeugnisse oder Referenzen von vergleichbaren Tätigkeiten bringen ja die wenigsten mit. Umso wichtiger ist es, vor allem jene Kollegen mit zusätzlichen Informationen zu versorgen, die direkt mit ihm zu tun haben oder ihm vorgesetzt sind: Welchen Aufenthaltsstatus hat der Geflüchtete? Aus welchem Land und welcher Region kommt sie oder er? Besteht die Chance, dass er längerfristig im Unternehmen bleibt – und eng damit verbunden die Frage: Wie viel Zeit und Energie soll aufgewendet werden, um ihn einzuarbeiten?
„Wir zusammen“
„Wir zusammen“ bündelt das Engagement von Unternehmen für Flüchtlinge. Die teilnehmenden Unternehmen bieten Praktikums-, Ausbildungs- und Arbeitsplätze an, organisieren berufsbegleitende Sprachkurse, engagieren sich bei der Weiterbildung, dem kulturellen Austausch und vieles mehr.
Unternehmen, die sich „Wir zusammen“ anschließen, können auf einen inzwischen anderthalbjährigen Erfahrungsschatz eines stetig wachsenden Netzwerks zurückgreifen. Rund 200 Mitglieder, von Kleinunternehmen über Mittelständler bis hin zu Großkonzernen zeigen auf der „Wir zusammen“-Website ihre individuellen Initiativen.
Synergieeffekte werden immer wichtiger: Die Mitglieder geben ihr Wissen weiter, um andere bei der Ausarbeitung eigener Projekte zu unterstützen. Sie tauschen sich intensiv aus, übertragen funktionierende Konzepte auf eigene oder starten gemeinsame Initiativen.
Unternehmen bekennen sich durch ihre Mitgliedschaft bei „Wir zusammen“ in den eigenen Reihen und in der Öffentlichkeit eindeutig zu Toleranz und Offenheit in der Flüchtlingsintegration.
Im Rahmen einer kostenfreien, bundesweiten Veranstaltungsreihe laden „Wir zusammen“ und das Handelsblatt Unternehmen zum Erfahrungsaustausch ein. Im Fokus stehen funktionierende Praxisbeispiele, außerdem werden Initiativen von Bund und Ländern diskutiert.
Wer mit seinem Unternehmen ein eigenes Integrationsprojekt auf die Beine stellen möchte, kann sich HIER informieren, die Info-Broschüre herunterladen und aktiv werden.
Gibt es weitere Informationen, die für Kollegen interessant sein könnten, die mit dem Geflüchteten zusammenarbeiten?
Bei der direkten Zusammenarbeit kommt es sehr auf die Chemie zwischen den Beteiligten an. Deshalb empfehle ich unseren Unternehmenskunden, dass sich beide Seiten eine Stunde Zeit nehmen, um sich gegenseitig kennenzulernen. Wir stellen zum Beispiel mehrsprachiges Karten- und Infomaterial über das Herkunftsland in sogenannten Countryguides zur Verfügung, sodass der Geflüchtete mehr zu sich und seiner Region erzählen kann, aus der er stammt. Viele Deutsche wissen zum Beispiel gar nicht, dass Nigeria fast 180 Millionen Einwohner hat und damit weltweit Rang neun der bevölkerungsreichsten Staaten einnimmt. Oder mit welchem Pro-Kopf-Einkommen Bürger in Nigeria und Deutschland leben müssen. Als Deutsche lieben wir harte Fakten als Orientierung. Sie erweitern unseren persönlichen Horizont und beugen Vorurteilen vor.
Gibt es weitere Maßnahmen, die im Vorfeld einer Neueinstellung zu bedenken sind?
Ein Beispiel: Jeder neue Kollege ist erfreut, wenn ihn ein fertig eingerichteter Arbeitsplatz erwartet. Das zeigt ihm: Er ist willkommen. Viele Unternehmer, die Geflüchtete einstellen, unterschätzen allerdings die sprachlichen Hürden: den Speiseplan gibt es oft nur auf Deutsch, die Arbeitsanweisung für die Maschine eventuell noch in Englisch. Aber was ist beispielsweise mit Sicherheitsanweisungen? Oder mit der Lohnabrechnung? Ich gebe zu bedenken: Jeder Mitarbeiter, der aus einem anderen Land stammt, bietet dem Unternehmen Chancen, internationaler zu werden und über den eigenen Tellerrand hinaus zu denken.
Aber muss sich ein Handwerksbetrieb, der überwiegend lokal tätig ist, international präsentieren?
Nicht unbedingt. Aber auch diese Firmen profitieren von den Gepflogenheiten anderer Kulturkreise. Ein Beispiel: In ihrer Heimat mussten die Geflüchteten meist improvisieren, wenn ein Gerät defekt war. Mir berichten immer wieder Sanitärbetriebe, von Kunden, die Tage auf ein Ersatzteil für die Heizung warten mussten – mitten im Winter. Aber statt den Kunden im kalten Haus sitzen zu lassen, sorgen Mitarbeiter, die aus Kulturräumen stammen in denen der Umgang mit Provisorien an der Tagesordnung ist, für Übergangslösungen. Am Ende sind Kunden zweimal glücklich: Das Haus ist warm und nach einigen Tagen die Heizung auch wieder vollständig „deutsch-perfekt“ repariert. Sie sehen: Es muss nicht immer alles perfekt sein. Können deutsche Handwerksunternehmen von dieser Herangehensweise profitieren?
Sie meinen also, in den Geflüchteten steckt enormes Potenzial, dass die Firmen erst einmal entdecken müssen?
Allerdings. Doch dazu gehört auch, dass man sich im Vorfeld darüber informiert, wo Differenzen und Chancen liegen. Die Kammern und diverse Beratungen bieten fortlaufend Infoveranstaltungen sowie Trainings rund um die Themen Kommunikation oder Willkommenskultur an.