Airbnb im Westjordanland Ferien im besetzten Land sorgen für Ärger

Bei der internationalen Mitwohnzentrale Airbnb werden auch Quartiere in israelischen Siedlungen im Westjordanland angeboten - sehr zum Ärger der Palästinenser. Eine Boykottbewegung nimmt das Unternehmen ins Visier.

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Ein Gästehaus in Nofei Prat, einer jüdischen Siedlung im Westjordanland. Quelle: ap

Nofei Prat Wie viele Vermieter von Ferienquartieren in aller Welt hat Mosche Gordon seine Unterkunft beim Anbieter Airbnb gelistet. Für umgerechnet weniger als 60 Euro die Nacht lockt er Besucher mit einer atemberaubenden Aussicht auf Wüstenlandschaften und der Nähe zu Jerusalem und dem Toten Meer. Was er nicht erwähnt, ist, dass sein „gemütliches, voll möbliertes Appartement mit Kabelfernsehen“ in einer jüdischen Siedlung im Westjordanland liegt.

Die internationale Mitwohnzentrale Airbnb ist wegen solcher Angebote in die Kritik der Palästinenser geraten. Der Vorwurf lautet, dass das Unternehmen nicht erwähnt, dass es sich um einen von Israel besetzten Landstrich handelt, den die Palästinenser für sich beanspruchen. So ist das Unternehmen auch in die Schusslinie einer weltweiten, aggressiven Boykott-Bewegung geraten – und die Politik hat Einzug gehalten in die sogenannte Sharing-Branche.

Airbnb unterstütze damit die israelische Siedlungspolitik. Saeb Erekat, ein ranghoher palästinensischer Vertreter, forderte den Airbnb-Vorstand deswegen kürzlich in einem Brief sogar auf, die Zusammenarbeit mit Siedlern zu beenden. Und der palästinensische Sonderbotschafter Husam Somlot verlangte sogar, dass jedes internationale Unternehmen, das wie Airbnb von der Besetzung und dem Blut der Palästinenser profitiere, zur Rechenschaft gezogen werde.

Am Dienstag erschien zudem ein Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, in dem es heißt, dass die Unternehmen, die in den Siedlungen aktiv seien, „von einem grundsätzlich ungesetzlichen und missbräuchlichen System“ profitierten, das die Rechte der Palästinenser verletze.

Israel besetzte das Westjordanland, den Gaza-Streifen und Ost-Jerusalem 1967 und begann kurz danach mit der Errichtung von Siedlungen. Nach dem israelischen Rückzug aus Gaza stieg die Zahl der Siedler in Ostjerusalem und dem Westjordanland auf fast 600.000. Doch die Palästinenser sehen auch diese Regionen als Teil ihres künftigen Staates - eine Forderung, für die sie weltweit viel Unterstützung erhalten.

Die Palästinenser und ein großer Teil der internationalen Gemeinschaft werden zunehmend ungeduldig wegen der israelischen Siedlungspolitik. Damit werde das Ziel eine palästinensischen Staates neben Israel unterlaufen, lautet die Kritik.

Am Montag erklärte die Europäische Union, immerhin Israels größter Handelspartner, alle Abkommen mit Israel müssten zweifelsfrei belegen, dass sie sich nicht auf die besetzten Gebiete angewendet würden. Bereits im November wurde festgelegt, dass alle israelischen Produkte aus dem Westjordanland entsprechend gekennzeichnet werden müssten.


Wie Airbnb auf die Kritik reagiert

Viele Israelis fürchten, dass dies der erste Schritt für einen umfassenden Boykott solcher Produkte - darunter Wein, Datteln oder Kosmetik - sein könnte. Zudem ist Israel alarmiert, weil die internationale gegen das Land gerichtete BDS-Bewegung zum Boykott solcher Produkte aufgerufen hat. Betroffen sind unter anderem der Trinkwassersprudler-Hersteller SodaStream, der französische Konzern Veolia und der Mobilfunkgigant Orange. Auch wenn der wirtschaftliche Einfluss der BDS-Kampagne (Boykott, Kapitalabzug und Sanktionen) bislang klein ist, schadet sie Israels Ansehen in der Welt.

Der Bericht von Human Rights Watch ruft zwar nicht zum Boykott auf, fordert aber ein Ende der Geschäfte mit den Siedlungen. Die palästinensischen Angestellten würden dort meist deutlich unter dem israelischen Mindestlohn bezahlt, palästinensische Unternehmen bei der Ausschreibung von Aufträgen benachteiligt. Zudem wurde in dem Bericht der Vorwurf erhoben, Israels Politik hemme die palästinensische Entwicklung - eine Kritik, die auch schon die Weltbank erhoben hatte.

Der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Emmanuel Nahschon, weist die Folgerungen des Berichts ebenso zurück wie die Kritik an Airbnb. Die Palästinenser sollten aufhören zu jammern und ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen, sagt er. Zudem sollten sie Israel nicht dafür verantwortlich machen, dass sie ihre Wirtschaft nicht in Schwung bekommen.

Airbnb erklärt in einer E-Mail, man folge den gültigen Gesetzen und Vorschriften, wo man aktiv sei. Die Reisenden sollten sich selbst vor der Buchung informieren, wo ihr Quartier liege. In den Geschäftsbedingungen des Unternehmens heißt es zudem, dass die Verantwortung für die Richtigkeit der Angaben zur Unterkunft beim Gastgeber liege.

Airbnb, das den Nutzern eine Buchungsgebühr in Rechnung stellt, hat auch Angebote aus anderen umstrittenen Regionen, etwa dem Norden Zyperns, der von der Türkei besetzt ist, oder in der West-Sahara, die von Marokko annektiert ist.

Bei den Airbnb-Anbietern in den Siedlungen im Westjordanland gibt es ebenfalls wenig Verständnis für die Kritik. Sie sehen die Siedlungen als Teil Israels, belegen das mit der biblischen Geschichte. Für die israelischen Bewohner gelten die israelischen Gesetze, sie zahlen Steuern an Israel, wählen bei den israelischen Wahlen, leisten ihren Wehrdienst in der israelischen Armee. „Das ist Israel“, sagt Gordon. „Ich verstehe den ganzen Streit hier überhaupt nicht.“

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