In puncto Mitarbeiterbindung liegen die Unternehmen mit ihrer Einschätzung der Mitarbeiterinteressen falsch. Sie gehen davon aus, dass sie Mitarbeiter vor allem mit Karriereaussichten sowie einem guten Arbeitsverhältnis zu Vorgesetzten halten können.
Für Arbeitnehmer sind aber zuerst das Gehalt, und danach die Karrierechancen Gründe zum Bleiben. „Zuerst müssen die Grundbedürfnisse abgesichert sein“, sagt Ballhausen. Die positive Arbeitsbeziehung zu den Vorgesetzten schafft es nicht einmal in die Top zehn, wenn es darum geht, einen Mitarbeiter zu halten, der anderswo mehr verdienen könnte.
Unterschätzt wird der Wunsch aller Mitarbeitergruppen nach Eigenverantwortung. „Ein hohes Maß an Eigenständigkeit ist Mitarbeitern in Deutschland übrigens deutlich wichtiger als im internationalen Vergleich. Das sollten Unternehmen im Wettbewerb um Talente im Hinterkopf behalten“, sagt Ballhausen.
Frische Chefs: Die zehn häufigsten Anfängerfehler
Manche Führungskräfte wollen von Anfang an zeigen, dass sie der neuen Herausforderung gewachsen sind. Voll Eifer machen sie sich ans Werk. Sie lassen keinen Stein auf dem anderen und verändern alles - Strukturen, Abläufe, Prozesse. Dabei versäumen sie, ihren Bereich richtig kennenzulernen - und nicht selten endet ihr Aktionismus im Chaos.
Manche Führungskräfte glauben, aus eigener Erfahrung heraus zu wissen, wie die Dinge funktionieren - und das, ohne ihr neues Arbeitsumfeld wirklich zu kennen. Sie gehen damit ein hohes Risiko ein, vorschnelle Entscheidungen zu treffen, ohne über solide Informationen zu verfügen. Solche Schnellschüsse können große Probleme verursachen.
Manche Führungskräfte versäumen, ihr Vorgehen mit ihren Vorgesetzen abzustimmen, und stellen ihr Umfeld vor vollendete Tatsachen. Das verärgert die Vorgesetzten und demotiviert die Mitarbeiter. Im Alleingang getroffene Entscheidungen sind oft wie ein Bumerang: Sie kommen zurück.
Manche Führungskräfte entwickeln in den ersten Gesprächen mit ihren Mitarbeitern viele neue Ideen, die sie ihren Vorgesetzten jedoch als eigene Gedanken präsentieren. Sie schmücken sich mit fremden Federn - was auf die betroffenen Mitarbeiter extrem frustrierend wirkt.
Manche Führungskräfte zaudern. Sie vermeiden Entscheidungen oder schieben sie vor sich her. Weil sie Risiken scheuen, lassen sie endlose Diskussionen zu und erreichen damit, dass immer wieder zu spät entschieden wird. Getreu dem Motto: „Die Zeit heilt alle Wunden“ sitzen sie Probleme aus - bis es zu spät ist.
Manche Führungskräfte versäumen, ihre Kräfte und Aktivitäten zu fokussieren. Sie agieren an allen Ecken und Enden, initiieren immer neue Maßnahmen. Dabei verzetteln sie sich. Überall offene Baustellen! Die daraus resultierenden Probleme bereiten sich wie ein Flächenbrand aus.
Manche Führungskräfte lassen ihre Mitarbeiter im Stich, weil sie nie anwesend sind. Sie verbringen ihre Zeit lieber in Führungsgremien oder auf Kundenterminen, anstatt sich um die Belange ihrer Mitarbeiter zu kümmern. Wer als Vorgesetzter seine Mitarbeiter jedoch mit schwierigen Fragen alleine lässt, darf sich nicht wundern, wenn ihm seine besten Leute abhanden kommen.
Manche Führungskräfte schaffen den Rollenwechsel nicht und bleiben in ihrem Innersten eine Fachkraft. Sie widmen sich komplexen Sachaufgaben, anstatt sich um die übergeordneten Zusammenhänge zu kümmern. Als Führungkraft verstagen sie.
Manche Führungskräfte wollen es sich mit ihren Mitarbeitern keinesfalls verscherzen. Sie versuchen, sich mit Zuwendungen und Gefälligkeiten bei ihnen beliebt zu machen. Anstatt sie zu führen, gehen sie auf „Kuscheltour“ mit ihnen - und gerieren sich nach außen immer nur als deren Interessenvertreter.
Manche Führungskräfte treten autoritär auf, um sich als Herrscher ihres kleinen Reichs zu etablieren. Häufig steht dahinter die Angst, bei den Mitarbeitern als weich und führungsschwach zu wirken. Wer jedoch als Chef den autoritären Sonnenkönig spielt, darf sich nicht wundern, wenn es bald einsam um ihn wird.
Auch mit Blick auf das eigene Arbeitgeberprofil tun sich viele Unternehmen in Deutschland schwer. Vielen fehlt eine „Employee Value Proposition“ (EVP). Damit definieren Unternehmen, was sie Mitarbeitern bieten und was sie im Gegenzug dafür erwarten.
Herrscht Klarheit über das „Geben und Nehmen“ zwischen Unternehmen und Mitarbeitern, fällt es leichter, Mitarbeiter zu gewinnen, zu binden und gezielt zu motivieren. Allerdings tun sich deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich schwerer damit, eine EVP zu definieren.