Deutsche Manager haben in den Augen ihrer Mitarbeiter zwar den Unternehmenserfolg gut im Blick. Dennoch ernten sie im weltweiten Vergleich weniger Anerkennung als ihre Kollegen in anderen Ländern und das, obwohl diese in den Punkten Wachstumssteigerung und Kostenkontrolle schlechter abschneiden.
Das geht aus zwei aktuellen Studien der Unternehmensberatung Willis Towers Watson hervor, in denen die Arbeitnehmer- und die Arbeitgebersicht beleuchtet werden. Demnach gaben weltweit 45 Prozent der befragten Mitarbeiter an, dass Führungskräfte in ihrem Unternehmen ein hohes Ansehen genießen.
Hierzulande teilten lediglich 32 Prozent diese Sichtweise. „In Deutschland spielt bei der Besetzung von Führungspositionen, anders als in anderen Ländern, vor allem die Fachexpertise und weniger die Führungskompetenz eine Rolle“, erklärt Helmuth L. Uder von Willis Towers Watson Deutschland. „Eine gute Führungskraft muss jedoch sowohl über Führungs- als auch über Fachkompetenz verfügen. Gerade die weichen Faktoren, die sogenannten Soft Skills, werden von deutschen Managern häufig vernachlässigt“, sagt Uder.
Zwar erhalten Deutschlands Manager von ihren Mitarbeitern Bestnoten, wenn es um die Steigerung des Unternehmenserfolgs geht. Hier liegen sie 14 Prozentpunkte über dem Durchschnitt für die Region EMEA (Europa, Naher Osten, Afrika) und neun Prozentpunkte über dem internationalen Schnitt. Auch bei der Bewertung über die Fähigkeit zur Kostenkontrolle schneiden sie 14 Prozentpunkte besser als ihre Kollegen in EMEA sowie zehn Prozentpunkte besser als ihre Kollegen weltweit ab.
Doch bei den Soft Skills hapert es – vor allem im weltweiten Vergleich. Zum Beispiel nehmen weniger in Deutschland tätige Mitarbeiter ihrer Geschäftsleitung ab, dass diese sich für ihr Wohlbefinden interessiert.
„Deutschen Managern fällt es schwerer, ihre Mitarbeiter zu inspirieren“, erläutert Heike Ballhausen, Managerin im Bereich Talent Management und Organisationsentwicklung bei Willis Towers Watson. Vor allem wenn es um das Vermitteln von Visionen geht, hinken deutsche Führungskräfte hinterher. Global attestieren sechs von zehn befragten Mitarbeitern ihren Vorgesetzten, sie zu fördern. In Deutschland bestätigen dies weniger als die Hälfte der Befragten. Unterm Strich erhalten deutsche Führungskräfte in allen Schlüsselkompetenzen schlechtere Bewertungen als Führungskräfte in der EMEA-Region oder weltweit.
Lücken in der Führungskompetenz = Lücken im Engagement
Doch wenn es um die Motivation und die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter geht, sind Führungskompetenzen unabdinglich. Das macht sich auch im Unternehmenserfolg bemerkbar.
Sowohl weltweit als auch in Deutschland ist das Top-Management die Hauptantriebsfeder für ein nachhaltiges Engagement der Mitarbeiter. Jedoch auch die Rolle der direkten Führungskräfte gewinnt an Bedeutung – sie steht im deutschen und globalen Ranking auf Platz drei. „Der direkte Vorgesetzte nimmt eine Schlüsselrolle beim nachhaltigen Engagement ein und dafür ist das Beherrschen der Soft Skills essentiell“, betont Uder.
Der Anteil der Mitarbeiter in Deutschland, die nachhaltig engagiert arbeiten, hat im Vergleich zu 2014 von 35 Prozent auf 33 Prozent leicht abgenommen. „Das ist immer noch ein hoher Anteil. Auffällig ist aber, dass der Anteil von den Arbeitnehmern, die lediglich ihren Vertrag erfüllen, also Dienst nach Vorschrift machen, gestiegen ist“, sagt Ballhausen.
Mit wem wir uns im Beruf am häufigsten streiten
Je mehr ein Mensch mit einem anderen zu tun hat, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie aneinander geraten. Entsprechend gaben 37 Prozent der Teilnehmer an der Umfrage "Streit - erfolgreich oder folgenreich" der IHK Frankfurt an, sich häufig mit Kollegen beziehungsweise Mitarbeitern zu streiten.
Mehr als ein Drittel gab an, sich häufig mit Führungskräften zu streiten.
Ein Viertel sagte, dass sie häufig mit der Geschäftsleitung aneinander geraten.
23 Prozent streiten sich häufig mit Kunden.
Bei 14 Prozent sind Zulieferer ein häufiger Streitgrund und -partner.
Elf Prozent streiten sich häufig mit Behörden, mit denen sie beruflich zu tun haben.
Jeweils sieben Prozent gaben an, sich mit Gesellschaftern beziehungsweise Kooperationspartnern in die Haare zu kriegen.
Nur drei Prozent geraten häufig mit Kapitalgebern und Banken aneinander.
Waren dies 2014 noch 21 Prozent, sind es nun 26 Prozent der befragten Mitarbeiter. „Ein Grund könnte die abnehmende Identifikation mit dem Unternehmen sein“, so die Expertin. Waren 2012 noch rund zwei Drittel der Befragten stolz darauf, für ein Unternehmen zu arbeiten, ist es nun rund die Hälfte.
Auch das Verständnis für die Unternehmensziele ist gesunken. „In Deutschland ist die Vermittlung der Strategie ein wichtiger Faktor für eine kontinuierliche Mitarbeitermotivation und hier besteht noch ein deutliches Verbesserungspotenzial“, erläutert Ballhausen und fügt hinzu: „Denn Mitarbeiter, deren Arbeitgeber besser kommunizieren, verstehen die Ziele und das Vorgehen besser.“
Was Mitarbeiter tatsächlich wollen
In puncto Mitarbeiterbindung liegen die Unternehmen mit ihrer Einschätzung der Mitarbeiterinteressen falsch. Sie gehen davon aus, dass sie Mitarbeiter vor allem mit Karriereaussichten sowie einem guten Arbeitsverhältnis zu Vorgesetzten halten können.
Für Arbeitnehmer sind aber zuerst das Gehalt, und danach die Karrierechancen Gründe zum Bleiben. „Zuerst müssen die Grundbedürfnisse abgesichert sein“, sagt Ballhausen. Die positive Arbeitsbeziehung zu den Vorgesetzten schafft es nicht einmal in die Top zehn, wenn es darum geht, einen Mitarbeiter zu halten, der anderswo mehr verdienen könnte.
Unterschätzt wird der Wunsch aller Mitarbeitergruppen nach Eigenverantwortung. „Ein hohes Maß an Eigenständigkeit ist Mitarbeitern in Deutschland übrigens deutlich wichtiger als im internationalen Vergleich. Das sollten Unternehmen im Wettbewerb um Talente im Hinterkopf behalten“, sagt Ballhausen.
Frische Chefs: Die zehn häufigsten Anfängerfehler
Manche Führungskräfte wollen von Anfang an zeigen, dass sie der neuen Herausforderung gewachsen sind. Voll Eifer machen sie sich ans Werk. Sie lassen keinen Stein auf dem anderen und verändern alles - Strukturen, Abläufe, Prozesse. Dabei versäumen sie, ihren Bereich richtig kennenzulernen - und nicht selten endet ihr Aktionismus im Chaos.
Manche Führungskräfte glauben, aus eigener Erfahrung heraus zu wissen, wie die Dinge funktionieren - und das, ohne ihr neues Arbeitsumfeld wirklich zu kennen. Sie gehen damit ein hohes Risiko ein, vorschnelle Entscheidungen zu treffen, ohne über solide Informationen zu verfügen. Solche Schnellschüsse können große Probleme verursachen.
Manche Führungskräfte versäumen, ihr Vorgehen mit ihren Vorgesetzen abzustimmen, und stellen ihr Umfeld vor vollendete Tatsachen. Das verärgert die Vorgesetzten und demotiviert die Mitarbeiter. Im Alleingang getroffene Entscheidungen sind oft wie ein Bumerang: Sie kommen zurück.
Manche Führungskräfte entwickeln in den ersten Gesprächen mit ihren Mitarbeitern viele neue Ideen, die sie ihren Vorgesetzten jedoch als eigene Gedanken präsentieren. Sie schmücken sich mit fremden Federn - was auf die betroffenen Mitarbeiter extrem frustrierend wirkt.
Manche Führungskräfte zaudern. Sie vermeiden Entscheidungen oder schieben sie vor sich her. Weil sie Risiken scheuen, lassen sie endlose Diskussionen zu und erreichen damit, dass immer wieder zu spät entschieden wird. Getreu dem Motto: „Die Zeit heilt alle Wunden“ sitzen sie Probleme aus - bis es zu spät ist.
Manche Führungskräfte versäumen, ihre Kräfte und Aktivitäten zu fokussieren. Sie agieren an allen Ecken und Enden, initiieren immer neue Maßnahmen. Dabei verzetteln sie sich. Überall offene Baustellen! Die daraus resultierenden Probleme bereiten sich wie ein Flächenbrand aus.
Manche Führungskräfte lassen ihre Mitarbeiter im Stich, weil sie nie anwesend sind. Sie verbringen ihre Zeit lieber in Führungsgremien oder auf Kundenterminen, anstatt sich um die Belange ihrer Mitarbeiter zu kümmern. Wer als Vorgesetzter seine Mitarbeiter jedoch mit schwierigen Fragen alleine lässt, darf sich nicht wundern, wenn ihm seine besten Leute abhanden kommen.
Manche Führungskräfte schaffen den Rollenwechsel nicht und bleiben in ihrem Innersten eine Fachkraft. Sie widmen sich komplexen Sachaufgaben, anstatt sich um die übergeordneten Zusammenhänge zu kümmern. Als Führungkraft verstagen sie.
Manche Führungskräfte wollen es sich mit ihren Mitarbeitern keinesfalls verscherzen. Sie versuchen, sich mit Zuwendungen und Gefälligkeiten bei ihnen beliebt zu machen. Anstatt sie zu führen, gehen sie auf „Kuscheltour“ mit ihnen - und gerieren sich nach außen immer nur als deren Interessenvertreter.
Manche Führungskräfte treten autoritär auf, um sich als Herrscher ihres kleinen Reichs zu etablieren. Häufig steht dahinter die Angst, bei den Mitarbeitern als weich und führungsschwach zu wirken. Wer jedoch als Chef den autoritären Sonnenkönig spielt, darf sich nicht wundern, wenn es bald einsam um ihn wird.
Auch mit Blick auf das eigene Arbeitgeberprofil tun sich viele Unternehmen in Deutschland schwer. Vielen fehlt eine „Employee Value Proposition“ (EVP). Damit definieren Unternehmen, was sie Mitarbeitern bieten und was sie im Gegenzug dafür erwarten.
Herrscht Klarheit über das „Geben und Nehmen“ zwischen Unternehmen und Mitarbeitern, fällt es leichter, Mitarbeiter zu gewinnen, zu binden und gezielt zu motivieren. Allerdings tun sich deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich schwerer damit, eine EVP zu definieren.
Grundlegender Wandel durch Digitalisierung
Auf einen tiefgreifenden Wandel in der Arbeitswelt macht HR-Experte Uder aufmerksam: „Durch die Digitalisierung stehen völlig neue Arbeitsmittel und Informationsquellen zur Verfügung. In der Folge wird sich das Verhältnis von Unternehmen und Mitarbeitern grundlegend wandeln.“
Die gewohnten festen Formen lösen sich dabei auf: Wer heute Freiberufler ist, arbeitet morgen vielleicht fest angestellt und entscheidet sich später eventuell für einen Teilzeit-Job. Damit wandelt sich auch das Unternehmen von einem „Heimathafen“, in dem sich Mitarbeiter treffen, um dort gemeinsam etwas zu erarbeiten, hin zu einem Platz, an dem Arbeit organisiert und Talente identifiziert werden – ganz gleich ob diese intern oder extern beschäftigt sind.
Gleichzeitig werden Jobs neu gestaltet. Anhand der neuen technischen Unterstützungsmöglichkeiten wird sich die Aufteilung in hochqualifizierte und unterstützende Tätigkeit drastisch verändern. „Unternehmen werden daher künftig noch genauer als bisher schauen müssen, welches Know-how sie für welche Aufgaben benötigen und mit welchen Angeboten – seien es Gehalt, Arbeitsinhalte, Betriebsklima oder Entwicklungschancen – sie die passenden Mitarbeiter oder Freelancer gewinnen können. Damit steigen nicht zuletzt die Anforderungen an die Führungskompetenzen der Manager“, betont Uder.
Über die Studien
Für die Mitarbeitersicht und die Unternehmensperspektive wurden zwei unterschiedliche, global angelegte Studien erstellt. Für die „Global Workforce Study“ (GWS) wurden 31.000 Arbeitnehmer weltweit zu ihrem beruflichen Umfeld und ihrer individuellen Einstellung zu ihrer Tätigkeit befragt. Davon sind rund 1.500 Befragte in Deutschland tätig.
Die Arbeitgeberperspektive wird von der „Global Talent Management & Rewards Study“ (TM&R) abgedeckt. Hierfür wurden die Antworten von mehr als 2.000 Unternehmen aus knapp 30 Ländern ausgewertet. Insgesamt beschäftigen die befragten Unternehmen 21 Millionen Menschen.
In Deutschland nahmen 34 Unternehmen an der Umfrage teil, darunter Dax-, MDax- und größere Familienunternehmen. Die TM&R-Studie untersucht, welche Schwierigkeiten bestehen, bestimmte Mitarbeitergruppen im Markt zu gewinnen und an das Unternehmen zu binden. Zudem werden die wesentlichen Faktoren für die Mitarbeitergewinnung und -bindung aus Unternehmenssicht identifiziert sowie die Verbreitung, Ausgestaltung und Effektivität von unterschiedlichen Talentmanagement- und Vergütungsprogrammen benannt.