Die Zeiten, als Gene nur in der Natur vorkamen, sind lange vorbei: Seit vielen Jahren bauen Biotechnologen die Stränge des Erbgutmoleküls Desoxyribonukleinsäure (DNS) im Labor zusammen. Für wissenschaftliche Untersuchungen werden oft viel größere Mengen eines bestimmten Gens benötigt, als sich aus den Originalorganismen extrahieren lassen. In diesem Fall werden Original- DNS-Stränge mithilfe der Polymerasekettenreaktion (PCR) tausendfach kopiert, was heute jedes Biolabor beherrscht. Oder aber ein bestimmtes Gen soll als Medikament oder möglicher Impfstoff getestet werden. In diesem Fall müssen die Gene meist noch gezielt verändert und optimiert oder nach einem völlig artifiziellen Designentwurf zusammengebaut werden, ein mühsames und Zeit raubendes Geschäft.
Das wollte der Regensburger Mikrobiologie-Professor Ralf Wagner seinen Mitarbeitern vor sechs Jahren nicht zumuten, als sie ein ganz bestimmtes synthetisches Gen als HIV-Impfstoffkandidaten brauchten. „Ich war bereit, das Gen von einem professionellen Anbieter herstellen zu lassen“, erzählt Wagner im Rückblick: „Aber es war exorbitant teuer.“ 60 000 US-Dollar hätte es gekostet. „Dafür kann ich drei Doktoranden ein Jahr lang beschäftigen“, argumentierte Wagner – und verdonnerte seinen Doktoranden Marcus Graf dazu, das artifizielle Gen selbst zu bauen.
Graf brauchte ein gutes halbes Jahr dafür. Aber er machte seine Sache extrem gut. So gut, dass die Geschäftsidee von GeneArt entstand, die Wagner und er im Jahr 2000 gründeten: Ein heute 50 Mitarbeiter starkes Biotechnik-Unternehmen im Biopark Regensburg, das für Forscher künstliche Gene baut, die als Biopharmaka oder DNS-Impfstoffe getestet werden.
Weil sich die Regensburger bei ihrer Dienstleistung im Gegensatz zu Mitbewerbern wie etwa der MWG aus Ebersberg auf die Synthese von ganzen Genen spezialisierten, haben sie ihre Verfahren inzwischen so perfektioniert und automatisiert, dass ein Basenpaar heute nur noch im Schnitt anderthalb Euro und damit ein Zwanzigstel des früheren Preises kostet. Außerdem dauert die Prozedur nicht mehr Monate, sondern bei GeneArt nur noch zwei bis vier Wochen. Mit tausenden maßgeschneiderter Gene, deren hohe Qualität seit Anfang des Jahres vom TÜV zertifiziert ist, steigerte GeneArt 2004 seinen Umsatz um 80 Prozent und hat sich auf dem noch jungen Markt einen Umsatzanteil von 30 Prozent gesichert.
susanne.kutter@wiwo.de