
Seit der Lehman-Pleite im Herbst 2008 und dem nachfolgenden Crash waren Börsengänge in etwa so einfach zu realisieren wie ein Champions-League-Gewinn für den 1. FC Köln. Klar: Wenn alle Aktien fallen wie ein Stein, lassen sich auch neue Aktien nicht gut verkaufen. Das letzte Unternehmen nennenswerter Größe, dem in Deutschland der Börsengang glückte, war im Sommer 2007 der Solar-Zulieferer SMA.
Nun soll es auf einmal ganz schnell gehen: Mit dem TV-Kabelnetz-Betreiber Kabel Deutschland, dem Chemie-Händler Brenntag und der Bekleidungskette Tom Tailor wollen gleich drei Schwergewichte noch vor Ostern den Frankfurter Kurszettel bereichern. Jeweils mehrere hundert Millionen Euro aus den Börsengängen erhoffen sich die Firmen und deren Alt-Eigentümer.
Hohe Schulden
Diese Alt-Eigentümer sind bei fast allen Kandidaten Finanzinvestoren, welche die Firmen zwischen 2003 und 2007 gekauft haben; nicht selten waren schon die Verkäufer andere Finanzinvestoren – vulgo Heuschrecken – im Fachjargon nennt sich so ein Verkauf von Finanzinsekt zu Finanzinsekt dann Secondary-buy-out.
Da ein Tertiary-buy-out sich nur in den aller seltensten Fällen noch lohnt – schließlich will jeder Finanzinvestor mit dem Weiterverkauf Gewinn machen, um die hohen Rendite-Versprechen an seine eigenen Investoren zu befriedigen– , steht am Ende der Verwertungskette meist die Börse. Anleger sollen zeichnen und so den Alteigentümern einen Ausstieg aus ihren Investments ermöglichen.
Das Problem dabei: Anleger kaufen mit den neuen Aktien meist einen riesigen Schuldenberg. Der kann den Unternehmen noch in die Hacken laufen, sollten, wie allenthalben erwartet wird, die Kapitalmarktzinsen in den kommenden Jahren wieder steigen.
So drücken Kabel Deutschland fast drei Milliarden Euro Schulden, fast das Fünffache des Gewinnes vor Steuern, Abschreibungen und Zinsen. Zwar sind Schulden an sich kein hinreichender Grund, solche Aktien etwa aus falsch verstandenem Dogmatismus grundsätzlich nicht zu zeichnen; schließlich drückt auch einige Dax-Perlen wie E.On oder RWE eine ähnlich hohe Schuldenlast.
Cash-Flow entscheidend
Entscheidend ist, ob ein Unternehmen genug Mittelzuflüsse erwirtschaftet, um die Zins- und Tilgungsplast problemlos zu schultern. Und anders als bei einem Versorger sind bei einigen der IPO-Kandidaten aus Heuschreckenhand da durchaus Zweifel angebracht.
Andererseits: Nur, weil Handelsketten wie Tom Tailor, Händler mit kleinteiliger Kundenstruktur wie Brenntag und TV-Kabelbetreiber überhaupt ein relativ stabiles Geschäft betreiben, welches hohe, konstante und gut planbare Mittelzuflüsse (Cash-Flow) erzeugt, konnten die Finanzinvestoren sie vor Jahren kaufen. Denn nur solche Unternehmen sind in der Lage, die hohe Zinslast zu bedienen, für die die Heuschrecken-Investoren bei ihren Zukäufen sorgen.
Die Investoren und heutigen Besitzer finanzierten ihre Firmenkäufe meist zu drei Vierteln aus Krediten, drückten die so entstandenen Schulden dann den gekauften Firmen in die Bilanz; Heuschrecke passt als Bild aus der Zoologie also eigentlich nicht ganz. Ein Parasit wie zum Beispiel der Milan oder die Radnetzspinne wäre passender gewesen, hätte aber wohl kaum in der Wahlkampfrhetorik von Frank Müntefering die erwünschte Wirkung entwickelt.
Immerhin: Heute sollen die Finanzinvestoren wesentlich höhere Eigenkapital-Raten anbieten müssen, um von Banken Kredite für neue Firmenkäufe bekommen zu können.