Dax & Co. Richtig investieren an turbulenten Börsen

Sorgen um die US-Konjunktur stürzen die Börse in Turbulenzen. Doch noch hat der Dax Luft nach oben. Auf welche Indikatoren Anleger jetzt achten sollten, welche Aktien kaufenswert sind, wie Sie Vermögen optimal aufteilen.

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Frankfurter Börse Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

ThyssenKrupp minus zehn Prozent, HeidelbergCement und Infineon minus zwölf, die Deutsche-Bank-Aktie mit sechs Prozent Kursverlust. Solche Zahlen von der Börse passen in Crash-Zeiten, wenn Banken pleitegehen oder die Wirtschaft droht, in die Rezession zu rutschen.

Doch davon ist zurzeit nichts zu sehen, die Kursverluste einzelner Werte aus dem Deutschen Aktienindex (Dax) dieser Tage, von ihrem Augusthoch an gerechnet, täuschen Dramatik nur vor. Erst Anfang vergangener Woche raffte sich der Dax auf und erklomm ein neues Jahreshoch bei 6380 Punkten, glatte 18 Prozent über dem 2010er-Tief im Februar.

Ende einer Rally?

Sind die Verluste einzelner Aktien aber schon Vorboten des Endes einer Rally, die den Dax seit März 2009 um 77 Prozent nach oben katapultierte? Bremsen die Sorgen um die US-Konjunktur, vor einem schwächeren Wachstum in China und die Angst vor einem neuerlichen Crash des US-Immobilienmarktes jetzt den Aktienmarkt? Oder holen die Börsen nur Luft, sollten Anleger in ihrem Vermögensmix an Aktien festhalten und bei Bedarf sogar aufstocken?

Sicher ist: In den vergangenen Monaten sind all diejenigen, die nicht an Aktien glaubten, die schon längst auf den nächsten Abschwung wetteten oder einfach nur auf günstigere Einstiegskurse warteten, auf dem falschen Fuß erwischt worden. Der Börsenaufschwung ging an langfristig orientierten Großanlegern, Vermögensverwaltern und privaten Investoren zum größten Teil vorbei. So hatte etwa Luca Pesarini, Manager des Mischfonds Ethna Aktiv, Ende Juni seine Aktienquote auf nur noch knapp neun Prozent reduziert. Jens Ehrhardt vom größten deutschen Vermögensverwalter DJE Kapital war ebenfalls skeptisch und schöpfte die maximale Aktienquote in seinem Fonds von 25 Prozent nicht aus.

An der Bahnsteigkante

Beide verpassten seither bis zu 500 Punkte Zuwachs im Dax oder bis zu zehn Prozent zwischenzeitliche Gewinne bei den deutschen Nebenwerten des MDax. „Die meisten Investoren stehen weiter an der Bahnsteigkante und beobachten, wie im täglichen Handel in erster Linie unter Banken der Dax nach oben getrieben wird“, sagt Joachim Goldberg, Experte für Investorenverhalten an den Finanzmärkten (Behavioural Finance) und Chef des Analysehauses Cognitrend.

Rauf oder runter

Die gängigen Bewertungskennzahlen für den Dax sind in der Summe neutral. Gemessen am Kurs-Umsatz-Verhältnis, ist der Dax in etwa fair bewertet. Relativ teuer ist er, gemessen am Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV), das den Börsenwert im Verhältnis zum Vermögen der Konzerne angibt. Es liegt bei 1,4. Weitere Vermögensabwertungen drohen und können das KBV noch treiben). Eher günstig sind die Unternehmen dagegen, wenn man Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) und Dividendenrenditen analysiert: Nach den auf Basis der Quartalszahlen frisch geschätzten Jahresüberschüsse 2010 kostet der Dax derzeit den lediglich elffachen Gewinn der in ihm enthaltenen 30 Unternehmen. Dieses KGV, bei dem die erwarteten Jahresgewinne durch das aktuelle Kursniveau geteilt werden, liegt damit etwa ein Drittel unter dem langjährigen Durchschnitt. Euphorie sieht anders aus. „Gemessen an den üblichen Bewertungskennziffern wie dem KGV und anderen Zahlen wie der Dividendenrendite, die im Dax mit gut drei Prozent viele Anleiheverzinsungen schlägt, hat der Dax noch Luft nach oben. 7000 Zähler sind Ende des Jahres drin“, sagt Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt der Bremer Landesbank. Das wären 14 Prozent mehr als aktuell.

Doch solche Stimmen sind eher die Ausnahme: Die Skepsis gegenüber Aktien ist derzeit kaum auszurotten. Charttechniker Klaus Deppermann von der BHF-Bank sieht das Risiko, dass der Index zunächst auf 6000 Punkte fallen könnte und – falls er diese Marke nicht hält – ein massiver Rutsch binnen der kommenden zwölf Monate auf 4500 Punkte folgen könnte. Das wäre insgesamt ein Minus von mehr als einem Viertel. Dabei ist der Aufwärtstrend des Dax noch voll intakt. In steigende Kurse hinein Aktien zu verkaufen halten die Charttechniker der Schweizer UBS aktuell für die richtige Strategie. Auch die Bad Homburger BCA, ein großer Maklerpool, rät seinen Vermittlern davon ab, ihre Anleger jetzt in Aktien zu treiben: „Mit Zukäufen und einer Erhöhung der Aktienquote sollte zunächst abgewartet werden“, hieß es just nach dem Erreichen des Dax-Jahreshochs vergangene Woche.

Verkaufsdruck unwahrscheinlich

Verhaltenstheoretiker wie Joachim Goldberg stimmt die negative Massenmeinung optimistisch: „Es ist schwer vorstellbar, dass irgendjemand bereit ist, in großem Maße zu niedrigen Kursen Aktien zu verkaufen. Großer Verkaufsdruck und damit deutlich sinkende Kurse sind derzeit unwahrscheinlich.“ Das signalisiert der von Cognitrend wöchentlich aus Daten der Börse Frankfurt ermittelte Index, der das Verhältnis zwischen Optimisten (Bullen) und Pessimisten (Bären) an der Börse misst. Derzeit erwartet demnach nur ein Drittel der mehr als 300 befragten Profiinvestoren steigende Kurse, eine ungewöhnlich niedrige Quote. Fast die Hälfte dagegen schätzt, dass der Dax fallen wird – was ein sehr hoher Satz ist: Üblicherweise sind Börsianer positiv eingestellt, man redet sich sein Geschäft nicht gerne kaputt. Viele Pessimisten sind gut für steigende Kurse: Wer skeptisch ist, hält keine Aktien; er kann nicht verkaufen, im besten Fall ändert er seine Meinung, tritt als Nachfrager auf und schöbe dann die Kurse an. „Von daher gesehen, hat der Dax ein Überraschungsmoment nach oben“, so Goldberg.

Sorgen um US-Konjunktur

Auf der Negativseite schlagen vor allem Sorgen um den Finanzsektor und um das Wachstum der Weltwirtschaft zu Buche. Die Banken haben nach wie vor zu wenig Kapital – je nach Erhebung fehlen den 18 größten Instituten weltweit etwa 100 bis 200 Milliarden Dollar. Fehlendes Banken-Kapital jedoch hemmt die Kreditvergabe und damit Investitionen der Unternehmen. Und viele Investoren beäugen sorgenvoll die wieder schwächelnde US-Konjunktur. Die Produktivität sank erstmals seit 18 Monaten. Wegen schwachen Exports schnellte die Handelsbilanz auf ein Minus von knapp 50 Milliarden Dollar – ein fast doppelt so hohes Defizit wie vor Jahresfrist. Vor allem der Arbeitsmarkt steht enorm unter Druck. US-Notenbank-Chef Ben Bernanke sieht sich deswegen genötigt, seine Konjunktur-Ankurbelungspolitik über den Ankauf von Anleihen nicht wie geplant auslaufen zu lassen. Zudem ist der US-Immobilienmarkt unverändert in einer desaströsen Lage. Die Zahl der Zwangsversteigerungen dürfte dieses Jahr den Negativrekord von 2009 übertreffen; die Verkäufe neuer Häuser sind auf einem Allzeittief; die Bauausgaben sind so niedrig wie zuletzt vor zehn Jahren.

Breit verteilen

Gleichzeitig verschlechtert sich Chinas Konjunktur. Vergangene Woche verunsicherten schwache Importzahlen aus Peking die Börsen. Kein Problem, meint Landesbank-Chefstratege Hellmeyer: „Die derzeit vielfach geäußerten Konjunkturängste sind übertrieben. Die USA spielen nicht mehr die maßgebliche Rolle für die Weltwirtschaft. China bremst das enorm hohe Wachstum nur etwas, um eine Überhitzung zu vermeiden. Das ist eigentlich positiv.“ Nach einem etwas schwächeren dritten Quartal erwartet Hellmeyer, dass „das Weltwirtschaftswachstum insgesamt sehr stabil“ bleibt. „50 Prozent der Weltkonjunktur tragen inzwischen die Schwellenländer, die mit sechs Prozent im Gesamtjahr wachsen dürften. 25 Prozent steuern die etablierten Industrieländer ohne die USA bei, die mit zwei Prozent wachsen.“ Ängste vor einer weltweiten Rezession hält er „für einen Sturm im Wasserglas“.

S&P 500 schwächer als Dax

Wer nur auf Aktien setzt, muss jedoch starke Schwankungen aushalten können. Binnen drei Tagen rauschte der Dax von seinem Jahreshoch vier Prozent in den Keller. Anleger, die jedoch einen ausgewogenen Mix aus Aktien, Anleihen, Tagesgeld und Gold fahren, können ruhiger schlafen. Ein solch breit gestreutes Depot legte binnen eines Jahres deutlich zweistellig zu. Bezahlt machte es sich vor allem, wenn Investoren bei deutschen Titeln zugriffen. Der Dax hält sich wesentlich besser als etwa der US-Index S&P 500 und schnitt in den vergangenen sechs Monaten um zehn Prozentpunkte stärker ab. Der MDax, der 50 wichtige Nebenwerte und viele Exportmeister aus dem Maschinenbau etwa beinhaltet, legte noch stärker zu.

Auch über sehr lange Zeiträume fahren Anleger mit deutschen Papieren erheblich besser als mit US-Aktien. Binnen 22 Jahren schaffte der MDax einen Gewinn von mehr als 700 Prozent, der S&P 500 nicht einmal die Hälfte davon. „Die Ansteckungsgefahren, die von einer schwachen New Yorker Börse nach Frankfurt ausstrahlen, haben sich gegenüber früher verringert, der Trend dürfte anhalten“, so Hellmeyer. Auch Mislav Matejka, Aktienexperte bei JP Morgan, erwartet, „dass der Dax über die kommenden zwei Jahre andere Börsen schlagen wird“. Zu den kaufenswerten Dax-Werten zählen BASF, Beiersdorf oder VW. Auch außerhalb des Dax sind einige Titel nicht ausgereizt. Die DZ Bank hat aktuell untersucht, wer in den vergangenen zehn Jahren trotz zwei Rezessionen regelmäßig Gewinne und Umsätze gesteigert hat und gestärkt aus Konjunkturabschwüngen hervor gegangen ist. Unter den Top-Aktien sind Bijou Brigitte, Qiagen, KWS Saat und OHB – Werte, die Anleger in ein ausgewogenes Depot nehmen dürfen.

Gute Aussicht für Anleihen und Gold

Wer seinen Anteil an Anleihen aufstocken möchte, schafft mit riskanteren Papieren wie Cognis acht Prozent Rendite über vier Jahre. Bundesanleihen bringen über zehn Jahre zwar nur 2,4 Prozent, haben aber wegen des großen Sicherheitsbedürfnisses vieler Investoren noch Aussicht auf Kursgewinne.

Auch Gold bleibt gefragt, als Depotabsicherung und Währungsersatz. Der Feinunzenpreis pendelt seit Wochen um 1200 Dollar. Hellmeyer schätzt, dass bis Jahresende Preise von 1400 Dollar auf den Kurstafeln aufblitzen. Dann könnten Anleger mit breit gestreutem Depot auch schwächere Aktienkurse verschmerzen.

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