Dividenden Vorsicht bei optisch hohen Renditen

In Zeiten niedriger Zinsen auf festverzinsliche Papiere wie Anleihen und auf Tagesgeldkonten werden dividendenstarke Aktien immer beliebter. Doch Vorsicht: Oft sind die optisch hohen Dividendenrenditen von mehr als acht Prozent alles andere als nachhaltig. Wer sich nicht über fallende Kurse oder Dividenden-Streichungen im nächsten Jahr ärgern will, sollte auf die Dividendenhistorie und die Finanzkraft seiner Investments schauen.

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Vorsicht bei optisch hohen Dividenden

Die Telekom-Zentrale in Bonn Quelle: dpa

Das Frühjahr ist Schnäppchen-Saison für Dividenden-Jäger. Allein diesen April werden 11 Dax-Konzerne ihre Aktionäre beglücken; den Anfang macht am 1. April in München MAN. 13 weitere Dax-Titel folgen im Mai, SAP und Salzgitter bilden im Juni die Nachhut.

Obwohl die Wirtschaft 2009 so stark eingebrochen ist wie seit 1945 nicht mehr, werden die Konzerne auch dieses Jahr wieder kräftig Dividenden an ihre Anteilseigner ausschütten: Insgesamt bezahlen allein die Dax-Konzerne in diesem Frühjahr rund 20 Milliarden Euro als Dividenden an Aktionäre, die die entsprechende Aktie am Tag der Hauptversammlung (HV) halten. Das sind zwar rund zwölf Prozent weniger als im Vorjahr. Die Gewinne der Dax-Unternehmen aber sind 2009 im Durchschnitt sogar um 23 Prozent gesunken. Viele Firmen wollen wichtige, langfristig engagierte Aktionäre eben auch in schlechten Zeiten unbedingt bei der Stange halten.

Dividenden-Krösus mit einer Rendite (Dividende je Aktie in Euro geteilt durch den aktuellen Kurs der Aktie) von rund acht Prozent ist die Aktie der Deutschen Telekom; einer der größten Protiteure ist Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der Bund hält noch immer rund 15 Prozent; die staatliche KfW-Bank weitere 17 Prozent.

Firmen gehen oft an die Substanz

Europaweit gibt es sogar noch freigiebigere Firmen als die Bonner: So bringen die Aktien der Telekom-Konkurrenten France Télécom, Mobistar und Belgacom gar bis zu neun Prozent Rendite.

Das Problem dabei: Nicht selten gehen die Telefonfirmen dafür an ihre Substanz. Sie schütten oft mehr als 100 Prozent ihrer Nettogewinne 2009 als Dividende an die Aktionäre aus. Die Belgier von Mobistar etwa mussten einen Gewinneinbruch wegstecken, nachdem die Behörden die Kosten für Roaming (Vermittlung von Auslandsgesprächen) senkten. Sie schütten dennoch fast den gesamten freien Cashflow aus, es bleibt also fast kein Geld mehr für neue Lizenzen oder Investitionen in die Netzwerke – also die Gewinne von morgen.

Das zeigt sich leider oft am Kurs. Wer zum Beispiel im Dezember 2008 10.000 Euro in die Aktie der Deutschen Telekom investierte, strich zwar im vergangenen Mai eine Dividende von 780 Euro ein – sitzt aber auch auf Kursverlusten von mehr 930 Euro. Insgesamt also noch immer ein Minus.

Ist die Rendite extrem hoch, liegt es oft – ganz banal – daran, dass der Kurs zuvor massiv gefallen ist.

Trügerische Vorjahresdividende

Schlimmer noch: Analysten orientieren sich mit ihren Schätzungen für die Dividende oft stark an der Zahlung aus dem Vorjahr – oder an anderen Analysten, dem so genannten Konsens. Besonders, wenn das Management des Unternehmens über die Höhe der neuen Dividendenzahlung noch uneins ist und noch nichts angekündigt hat, kann das in die Hose gehen.

So wiesen sämtliche Datenbanken für den norwegischen Ölservice-Anbieter Fred Olsen Energy seit Monaten eine hohe Dividendenrendite von 10 bis 12 Prozent aus; so fand die Aktie auch ihren Weg in zahlreiche Ranglisten und Empfehlungs-Tabellen in Anlegermagazinen, Zeitungen und Finanz-Internetseiten. Die Norweger hatten im Vorjahr neben der regulären eine Sonderdividende bezahlt; dies soll sich dieses Jahr aber nicht wiederholen; das Geld will das Management jetzt lieber in seine veraltete Bohrinsel- und Schlepperflotte investieren: Es gibt dieses Jahr nur die reguläre Dividende, die Rendite schnurrte von einem Tag auf den anderen von fast 12 auf 7,2 Prozent zusammen.

Wer regelmäßig und nachhaltig zahlt

Versandfertige Kabeltrommeln Quelle: dpa

Auch, wer auf deutsche Aktien setzt, ist vor solchen unliebsamen Überraschungen nicht sicher. Allein in der vergangenen Woche kündigten ein gutes Dutzend Firmen Dividendenstreichungen oder drastische Kürzungen gegenüber dem Vorjahr an: Salzgitter kürzt von 1,40 Euro auf 0,25 Euro. Villeroy und Boch lässt die Dividende ausfallen; Wacker Neuson und SKW Trostberg ebenfalls; nach dem schlechtesten Jahr der gut 90-jährigen Firmengeschichte müssen auch die Aktionäre von Leoni zum ersten Mal auf eine Dividende verzichten; selbst Aktien aus der traditionell dividendenstarken Wohnungs-Verwalter-Branche knausern: Deutsche Wohnen und Patrizia schütten dieses Jahr nichts aus.

Zwar macht die Dividende in Europa auf lange Sicht mehr als ein Drittel der Gesamtrendite (Ausschüttungen plus Kursgewinne) einer Aktie aus. Aber das sind Durchschnittswerte, greift man als Anleger zu den falschen Papieren, ist das nicht viel wert. Wer einfach nur nach optisch hohen Renditen schielt, läuft Gefahr, daneben zu langen. Wer unterm Strich ein Plus verbuchen will, tut gut daran, auf die Nachhaltigkeit der Dividende zu achten. Was nutzt die schönste Ausschüttung, wenn Kursverluste sie zunichte machen?

Dividendenrendite und absolute Dividende

Oft ist es besser, auf den einen oder anderen Prozentpunkt bei der Dividendenrendite zum Kaufzeitpunkt zu verzichten und statt dessen darauf zu bauen, dass die Dividende Jahr für Jahr steigt. Denn wenn die Dividende in absoluten Zahlen langfristig zulegt, kann man auf die Kursentwicklung relativ gelassen sehen. Meist folgt der Kurs empirischen Studien zufolge langfristig sogar der wachsenden Dividende, weil solche Unternehmen eben gesund sind und nicht an die Substanz gehen.

Beispiel Nestlé: Der Schweizer Nahrungsmittelkonzern hat zwar aktuell nur eine Dividendenrendite von knapp 3,2 Prozent und taucht damit nicht in einschlägigen Dividenden-Hitlisten auf; die wird von den Telefonfirmen und einigen Nebenwerten dominiert. Dafür aber erhöhen die Schweizer ihre Dividende Jahr für Jahr seit mehr als 15 Jahren. Der Kurs kletterte mit. Nun gibt es für die Zukunft zwei Szenarien – eine angesichts dieser Historie extrem unwahrscheinliche Kürzung der Dividende einmal ausgenommen: Entweder der Kurs steigt weiter; dann dürften sich Anleger nicht besonders an ihrer relativ bescheidenen Dividendenrendite stören; oder er steigt nicht, bei absolut weiter steigenden Dividenden-Schecks jedes Jahr wäre aber auch das zu verschmerzen: In der Kasse der Aktionäre klingelt es in jedem Fall.

Allerdings erfüllen nur wenige Aktien das strenge Kriterium "langfristig wachsende Dividende + Kursgewinne": Aus den 600 Werten im Index Stoxx 600 etwa haben ganze 31 in den vergangenen fünf Jahren die Dividende in absoluten Zahlen Jahr für Jahr um fünf Prozent oder mehr erhöht; durften im selben Zeitraum zudem auch keine Kursverluste den Ertrag zunichte machen (positiver Gesamtertrag aus Kurs und Dividende seit 2005), so bleiben aus 600 Aktien ganze zehn, die eine Dividendenrendite von aktuell fünf Prozent oder mehr aufweisen:

MAN Group, RSA, Santander, Cable & Wireless, National Grid, Scottish & Southern, Close Bros., Amlin, Northumbrian Water und Vinci.

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