Emissionsberechtigungen Klimasünder müssen zahlen

Eine Umweltsünde fällt bisher kaum ins Gewicht. Die Zertifikate, die zur Emission des klimaschädlichen Treibhausgases Kohlendioxid berechtigen, waren in den vergangenen Monaten zu Tiefstpreisen zu haben. Doch damit soll jetzt Schluss sein. Künftig müssen Unternehmen für die Belastung des Klimas tiefer in die Tasche greifen.

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In der zweiten Runde bekommen Europas Unternehmen die Emissionszertifikate nicht wieder kostenlos. Quelle: handelsblatt.com

DÜSSELDORF. Im Schnitt kostete die Lizenz am Spotmarkt der Leipziger Energiebörse EEX gerade einmal zwei Cent je Tonne. Für die jetzt auslaufende erste Handelsperiode wurden die Emissionsberechtigungen eben allzu üppig ausgegeben.

Damit soll nun Schluss sein: Für die neue Periode, die bis 2012 dauern wird, bekommen die teilnehmenden Unternehmen von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) ein deutlich geringeres Volumen zugebilligt. Und tatsächlich hat die Belastung des Klimas inzwischen einen spürbaren Preis: Am Terminmarkt kletterten die Notierungen zuletzt deutlich über die 20-Euro-Marke. Speziell auf die Energiekonzerne kommen damit substanzielle Kosten zu.

Seit 2005 wird in der EU mit Emissionsrechten gehandelt. Rund 12 000 Anlagen, Kraftwerke und energieintensive Industriebetriebe wie chemische Fabriken, Zement- und Papierwerke müssen für jede Tonne CO2, die sie ausstoßen, eine Berechtigung vorweisen. Zu Beginn jeder Periode werden den Unternehmen von den Mitgliedstaaten Zertifikate zugebilligt. Wer wie viel bekommt, regeln die aufwendig ausgetüftelten nationalen Allokationspläne, welche die EU-Kommission absegnen muss. Kommt der Betreiber nicht aus, muss er sich zusätzliche Berechtigungen von den Teilnehmern besorgen, für die es sich rechnet, auf welche zu verzichten. Auf diese Weise will die EU ihr im Kyoto-Protokoll zugesagtes Ziel erreichen, die CO2-Emissionen bis 2012 - verglichen mit dem Basisjahr 1990 - um acht Prozent zu drücken.

Die erste Periode war als Testphase gedacht - und entsprechend schwer fiel es den Unternehmen, sich an den Markt heranzutasten. Zunächst kletterte der Preis bis auf den Höchststand von 30 Euro. Als sich im Frühjahr 2006 aber herausstellte, dass Zertifikate für rund 120 Millionen Tonnen mehr auf dem Markt waren, als die Unternehmen benötigten - insbesondere Frankreich hatte seine Unternehmen übermäßig ausgestattet-, brachen die Notierungen schlagartig ein.

Jetzt soll es ernst werden mit dem Klimaschutz. Der Emissionsrechtehandel soll wirkliche Anreize bieten, den CO2-Ausstoß nachhaltig zu senken. Deshalb stehen nur noch Berechtigungen für knapp 1,9 Milliarden Tonnen zur Verfügung, das sind etwa sechs Prozent weniger, als die Unternehmen 2006 an CO2 produzierten. Die teilnehmenden Unternehmen müssen entweder ihren Verbrauch durch Modernisierungen - etwa den Bau effizienterer Kraftwerke - reduzieren, oder sie können sich anders als in der ersten Phase Gutschriften durch Klimaschutzmaßnahmen in Drittländern außerhalb der EU besorgen.

Deutschland hat sich verpflichtet, bis 2012 die Emissionen um 21 Prozent zu reduzieren, erreicht hat es bislang erst 18 Prozentpunkte. Deshalb bekommen die 1 800 Anlagenbetreiber rund sieben Prozent weniger Zertifikate zugeteilt: Sie reichen für den Ausstoß von 453 Millionen Tonnen. Knapp zehn Prozent davon wird die Bundesregierung nicht wie in der ersten Periode kostenlos zuteilen, sondern zum Marktpreis verkaufen - spätestens ab 2010 sollen sie sogar versteigert werden. Diese Zertifikate werden allein den Energiekonzernen entzogen. Ihr Budget wird so überproportional - um rund 17 Prozent - verringert.

Die Bundesregierung versucht auf diese Weise, eine Schieflage aus der ersten Periode zu beheben: Weil die Energiekonzerne mit ihrer Marktmacht ihre Kosten fast ungehindert auf die Kunden überwälzen können, konnten sie die Marktpreise für die Emissionszertifikate in die Preise im Stromgroßhandel einkalkulieren, obwohl sie diese kostenlos erhalten hatten. Die Industriekunden beklagten milliardenschwere "Windfall"-Profits bei den Versorgern. Das Bundeskartellamt leitete sogar ein Verfahren ein, das letztlich in einem Vergleich endete. Mit dem Verkauf von Zertifikaten will die Regierung nun einen Teil dieser Zusatzgewinne abschöpfen. Der Staat kann sich dadurch auf milliardenschwere Zusatzeinnahmen freuen.

Die Versorger kalkulieren für die zweite Periode auch mit beträchtlichen Kosten. RWE rechnet mit einer Unterausstattung von 50 Prozent. Da der Energiekonzern mit einem Ausstoß von rund 140 Millionen Tonnen pro Jahr mit Abstand der größte Emittent Europas ist, muss er Zertifikate für 60 bis 70 Millionen Tonnen CO2 zukaufen. Gemessen an den aktuellen Notierungen kommen auf das Unternehmen damit Kosten von 1,2 bis 1,4 Milliarden Euro zu.

Der Eon-Konzern wird nach eigenen Schätzungen in seinen europäischen Märkten insgesamt einen CO2-Ausstoß von 55 Millionen Tonnen zugebilligt bekommen - das sind 30 Millionen Tonnen weniger, als das Unternehmen noch im Jahr 2006 produzierte. Wenn es nicht gelingt, das Volumen zu verringern, müsste Eon gemessen an den aktuellen Notierungen Zertifikate im Wert von über 600 Millionen Euro erwerben.

Die Energiekonzerne werden versuchen, die zusätzlichen Kosten über höhere Strompreise wieder hereinzuholen. Inwieweit ihnen das gelingt, hängt vom Wettbewerb ab, der allmählich in Schwung kommt. Der Verband der industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK), der in Deutschland Großkunden vertritt, warnt aber bereits vor einer neuen Preiswelle, die auf die Industrie zurollt.

Während die Unternehmen über die nächste Periode stöhnen, richtet die EU-Kommission bereits den Blick nach vorne. Im Januar will sie ihre Planungen für die Zeit nach 2012 präsentieren.

Erste Eckpunkte sind bereits im Herbst durchgesickert. So plant die EU-Kommission ein europaweit einheitliches Verfahren: eine Versteigerung aller Zertifikate. Und das Volumen, das zur Verfügung gestellt wird, soll natürlich weiter sinken. Das Ziel der EU ist schließlich ehrgeizig: Bis 2020 sollen sich die Emissionen um stolze 20 Prozent verringert haben.

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