Fernost Finanzkrise trifft Asien mit voller Wucht

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Auf Talfahrt

Eine solche Entwicklung würde vor allem die bisherigen Boomregionen im Süden und Osten Chinas treffen. Wenn man den Notrufen der Branchenverbände glaubt, wird ungefähr jedes dritte der 70.000 exportorientierten Unternehmen in der Provinz Guangdong schließen, landesweit müssten 67.000 Betriebe daran glauben. Mit der Folge steigender Arbeitslosigkeit und entsprechender sozialer Unruhen.

Trotz allem rechnet UBS-Analystin Wang für das kommende Jahr noch mit einem Wirtschaftswachstum von acht Prozent – aber das ist optimistisch. Denn China droht neben einem Rückgang der Exporte und der Investitionen auch noch eine Immobilienkrise. Vor allem bei hochwertigen Wohnungen beobachtet der Wirtschaftsforscher Kroeber „ein riesiges Überangebot“. In großen Städten wie Shanghai, Peking und Shenzhen fallen die Preise. Immobilienfirmen gewähren den Käufern inzwischen Rabatte bis zu 50 Prozent. Aus dieser Immobilienkrise droht bereits eine Krise der Bauwirtschaft zu werden.

Die chinesische Regierung versucht gegenzusteuern und hat in den vergangenen Wochen zweimal die Zinsen gesenkt und den Zugang zu Krediten erleichtert. Geplant sind auch Steuersenkungen und ein Ausgabenprogramm in Höhe von 38 Milliarden Euro. Lässt sich aber mit Stärkung der Binnennachfrage in China viel ausrichten? Experten haben Zweifel, das chinesische Modell sei immer noch sehr exportlastig, meint der Ökonom Andy Xie: „Bis sich das ändert, vergehen noch Jahre.“

China hat Sorgen - Japan hat Panik

Dagegen ist in Japan ein Ende der Schwierigkeiten nicht in Sicht. Denn während die Weltkrise den Fachleuten in dem riesigen Schwellenland China große Sorgen macht, löst sie in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt nackte Panik aus. „Völlig unvorbereitet traf die Chaoswelle Japan, das sich in trügerischer Sicherheit wähnte“, beobachtet Martin Schulz vom Forschungsinstitut Fujitsu. „Und die Krise ist noch lange nicht vorbei.“

Dabei hatten japanische Banken kaum Geld in amerikanische Hypotheken versenkt. Was aber vielleicht viel schlimmer ist: „Unser Selbstvertrauen geht den Bach runter“, so Nobuhiko Kuramochi, Aktienanalyst bei Shinko Securties in Tokio.

Alte Rituale machen alles nur noch schlimmer. Vorstandschef Takeo Nakazono versuchte sich mit tiefen Verbeugungen für den Kollaps seines Lebensversicherers Yamato Life zu entschuldigen. Doch gerade das löste „schiere Panik aus“, meint Hideki Amikura vom Brokerhaus Nomura. Yamato ist das erste japanische Finanzinstitut, das wegen der Krise Gläubigerschutz beantragen musste: Die Schuldenlast war wegen geplatzter Anlagen, vor allem auf Immobilien im US-Bundesstaat Nevada, auf umgerechnet zwei Milliarden Euro angeschwollen. Hunderttausende Kunden zittern um ihre Einlagen und Renten.

Japanische Probleme liegen im Ausland

Neben dem Lebensversicherer Yamato Life ging in Japan auch der Immobilienentwickler City Residence in den Konkurs, obwohl er ausschließlich im Inland operiert hatte. Allein in Tokio belasten 10.000 unverkaufte Wohnungen die Branche. „Der Markt bricht um 20 bis 30 Prozent ein“, konstatiert Hiromichi Shirakawa, Chefvolkswirt bei Credit Suisse in Tokio, „das ist wie ein Mühlstein um den Hals, der alles nach unten zieht.“

Jetzt warnen japanische Marktforscher vor einer beispiellosen Bankrottwelle. Im September lag die Zahl der Firmenpleiten um 34 Prozent höher als vor Jahresfrist: Die Banken drehen vor allem kleinen Unternehmen den Geldhahn zu. Dabei ist das japanische Finanzsystem „fragil, aber nicht ernsthaft gefährdet“, meint Nomura-Chefvolkswirt Takahide Kiuchi: „Unsere Probleme liegen im Ausland. Was in Washington und beim EU-Gipfel beschlossen wurde, reicht zur Beruhigung nicht aus.“

Auch Tokio befürchtet den Ausfall der großen Exportmärkte China und Amerika. Die ersten Zeichen sind schon da: Im August verzeichnete Japan zum ersten Mal seit 26 Jahren ein Handelsdefizit. Der amerikanische Markt brach um fast 22 Prozent ein. Und schon seit vergangenem Mai verzeichnen die Japaner im jeweiligen Vorjahresvergleich einen Rückgang der Exporte nach Europa. Das betrifft unmittelbar die großen Autobauer und Elektronik-Exporteure, mittelbar aber um die 3,5 Millionen kleine und mittelgroße Zulieferer.

Alleine können die Japaner an ihrer Misere wenig ändern. „Ohne eine Erholung in den USA und der EU wird es keine Erholung in Japan geben“, meint Yutaka Harada, Chefvolkswirt beim Forschungsinstitut Daiwa. Da ist Chinas Krisenmanager Wang Qishan um seine Sorgen fast zu beneiden.

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