Finanzkrise Kein Licht in Sicht

Die Finanzkrise und ein kräftiger Gewinneinbruch haben der Commerzbank die Zuversicht auf ein weiteres Rekordjahr genommen. Auch Deutsche Bank und Hypo Real Estate kassieren ihre optimistischen Prognosen für 2008. Ist ein Ende abzusehen?

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Das Wall Street-Straßenschild Quelle: dpa

In der Finanzkrise werden Bankchefs kleinlaut. Nachdem die Deutsche Bank vorsichtshalber nichts mehr zu ihren Erwartungen für 2008 sagt, kassierte die Commerzbank ihre Prognose heute gleich ganz. Auch andere Häuser - etwa der Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate - rudern zurück, obwohl viele trotz der Turbulenzen noch vor wenigen Wochen vor Zuversicht strotzten und Rekordgewinne prophezeiten. Doch die seit Sommer 2007 anhaltende Krise ist zäher, als selbst eingefleischte Banker es für möglich gehalten hätten. Inzwischen mehren sich wieder Stimmen, das Schlimmste sei ausgestanden - doch so mancher Experte sieht noch kein Ende der Turbulenzen.

„Das Schlimmste liegt wahrscheinlich hinter uns“, sagte US- Finanzminister Henry Paulson dem „Wall Street Journal“. Es bestehe „kein Zweifel“, dass es wieder besser laufe. Deutsche- Bank-Chef Josef Ackermann hatte tags zuvor verkündet, er sehe den Anfang vom Ende der Krise. Commerzbank-Finanzvorstand Eric Strutz bekräftigte bei der Vorlage der Quartalsbilanz der deutschen Nummer Zwei am Mittwoch: „Die Märkte haben sich im April normalisiert.“ Das Thema Systemkrise sei „im Moment“ vom Tisch. „Das sind Momentaufnahmen: Die Märkte haben sich zwar etwas beruhigt, aber es sind noch viele Risiken im Markt“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Martin Faust. Weitere Abschreibungen im Zusammenhang mit der Krise um faule US-Kredite seien wahrscheinlich und das bei etlichen Großbanken arg gebeutelte Investmentbanking müsse sich erst erholen. Faust ist überzeugt: „Es wird keine schnelle Trendwende geben, das wird noch dauern.“ Selbst Ackermann räumte ein: „Die Hoffnung, dass sich die Lage nach Vorlage der Jahresabschlüsse 2007 stabilisiert, hat sich bislang nicht erfüllt.“

Frank Roselieb, Leiter des Kieler Instituts für Krisenforschung, sieht viel Psychologie hinter der Argumentation der Finanzbranche: „Banken sind eher auf Vertrauen und Reputation angewiesen als Industrieunternehmen und sind daher eher geneigt, optimistisch zu argumentieren und zu beschwichtigen.“ Doch er sei zuversichtlich, dass die Banken aus dieser Krise eher lernen werden als aus früheren Turbulenzen - etwa dem Zusammenbruch der New Economy: Dieses Mal sind sie selbst massiv betroffen. Deutsche-Bank-Chef Ackermann bezifferte die bislang gemeldeten Verluste infolge der Krise am Markt für zweitklassige US-Hypothekenkredite auf weltweit 160 Milliarden Euro. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ schreibt unter Berufung auf die Europäische Zentralbank von fast 320 Milliarden US-Dollar (207 Mrd Euro) Wertberichtigungen seit Mitte 2007 bis Ende vergangener Woche.

Auch wenn deutsche Institute im internationalen Vergleich bisher eher glimpflich davonkamen: Die Liste der Banken, die wegen der Krise gar in die roten Zahlen rutschten, wird länger: Der Branchenprimus Deutsche Bank musste Belastungen von rund fünf Milliarden Euro in Kauf nehmen und kam erstmals seit fünf Jahren in die Verlustzone. Die Hypo Real Estate schrammte haarscharf am Minus vorbei, Landesbanken wie BayernLB oder LBBW schrieben im ersten Quartal Verluste. Selbst die Postbank konnte sich trotz ihres Fokus auf Privatkunden der Krise nicht ganz entziehen: Nach Abschreibungen von 112 Millionen Euro im vergangenen Jahr dürfte die Bank an diesem Donnerstag  weitere Belastungen bekanntgeben. Allerdings erwartet der Markt, dass die Post-Tochter an ihren Zielen für das laufende Jahr nicht rüttelt. Damit wäre sie eine der wenigen, die nicht zurückrudern.

Commerzbank-Finanzchef Strutz äußerte sich betont vorsichtig zu den Aussichten: „Die meisten denken, der Scheitelpunkt der Krise ist überschritten. Eine verbindliche Aussage wagt aber keiner mehr, vor allem nach den Erfahrungen im März.“ Alle Marktteilnehmer seien durch die extremen Verwerfungen im März überrascht worden. „Jetzt sind alle ein bisschen eingeschüchtert.“ Insgesamt habe sich das Umfeld zwar verbessert, sagte Strutz, doch: „Wir haben schon öfter gesagt, wir sehen Licht am Ende des Tunnels. Und dann mussten wir korrigieren, dass es doch entgegenkommende Züge waren.“

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