Immobilienkrise in den USA Verzweiflungstaten bei Hausbesitzern und Banken

Seite 2/4

Immobilienpreise USA

Zudem drängen in vielen Landesteilen gerade erst fertiggestellte Immobilien, mit deren Bau während der Boomphase begonnen wurde, auf den verstopften Markt.

In Florida stehen selbst in Strandnähe Apartmentkomplexe leer, halbfertige Bauruinen verschandeln die Aussicht. In Arizona, Nevada und Kalifornien gleichen manche Neubaugebiete Geisterstädten. Rockrose Development, eine Immobiliengesellschaft aus New York, vermietet nun Luxusapartments, die eigentlich zum Verkauf gedacht waren.

Schuldner USA

Um doch noch Käufer zu finden, bot Rockrose eine Rückkaufoption an: Die Gesellschaft verpflichtete sich, in fünf Jahren die Luxuswohnungen für 110 Prozent des Kaufpreises zurückzunehmen.

Trotz solcher Köder stieg der Bestand an zum Verkauf stehenden Wohnungen in Manhattan innerhalb eines Jahres um fast 40 Prozent. Landesweit stehen nach Daten des Verbands der Immobilienbroker rund 3,7 Millionen Immobilien „For Sale“. Dieser Bestand wäre theoretisch nach zehn Monaten verkauft. Normal wären fünf Monate.

Versteigerungen USA

Rund 14 Millionen amerikanische Haushalte sind mit ihrer Hypothek bereits „unter Wasser“ schätzt Moody’s Economy. Ihre noch ausstehenden Schulden auf die Immobilie sind höher als der Wert.

Über Jahre hinweg hatten viele Amerikaner im Glauben auf ewig steigende Immobilienpreise statt zu tilgen immer höhere Kredite auf ihre Häuser aufgenommen. Von 2004 bis 2007 zogen sie nach Schätzung der Hypothekenbank Freddie Mac auf diese Weise mehr als 900 Milliarden Dollar ab. Das Haus als Geldautomat – diese Quelle für Cash ist versiegt, seit die Preise fallen.

10 Millionen Haushalten droht die Zwangsversteigerung

Welche Abschreibungen auf die Banken noch zukommen, lässt sich nur näherungsweise berechnen. Ende 2008 kostete ein US-Haus im Schnitt knapp 200.000 Dollar, rund zehn Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Die Hypotheken auf zur Zwangsversteigerung anstehende Immobilien dürften rund 20 Prozent höher liegt, also bei 240.000 Dollar – die meisten Hauseigentümer, denen die Zwangsversteigerung droht, schulden der Bank mehr, als das Haus wert ist. Geben die Hauspreise bis zum Weiterverkauf durch die Bank nochmals um weitere 20 Prozent nach, liegt der erzielbare Verkaufspreis bei 160.000 Dollar. Zuzüglich 15.000 Dollar Kosten der Bank bekommt diese für einen Kredit von 240.000 Dollar nur eine Rückzahlungssumme von 145.000 Dollar, ein Verlust von rund 40 Prozent des Darlehens.

Kommt es in den nächsten vier Jahren zu insgesamt sechs Millionen Zwangsversteigerungen in den USA, ergäbe sich daraus ein weiterer Abschreibungsbedarf von rund 600 Milliarden Dollar. Diese Rechnung ist eher noch optimistisch, weil sie unterstellt, dass jedes zur Versteigerung anstehende oder an die Banken gefallene Haus tatsächlich einen Käufer findet. Das ist aber längst nicht so.

Käufer für 3,7 Millionen Häuser und Wohnungen gesucht

Im Gerichtssaal 25 des Supreme Court in Queens offenbaren die Versteigerungen auf bizarre Weise das Dilemma, in das sich die Banken mit der leichtfertigen Kreditvergabe der Boomjahre gebracht haben. Der Auktionator ruft an einem Pult stehend die Indexnummer einer Immobilie auf, nennt die Adresse und den Namen der Bank, die die Zwangsversteigerung betreibt. Ein Vertreter der Bank tritt mit einem neutralen Rechtspfleger nach vorne. Letzterer verkündet die Höhe der Grundstücksbelastung und nennt das Gebot der Bank, das meist knapp darunter liegt. „So kann die Bank erst einmal eine weitere Abschreibung vermeiden, obwohl die Immobilie bereits deutlich weniger wert sein dürfte“, flüstert einer aus dem Publikum seinem Nachbarn zu.

„Gibt es andere Gebote?“, fragt der Bankvertreter und lässt seinen Blick kurz durch den Saal schweifen, wo rund 60 Leute in schweren Lederstühlen sitzen. Niemand rührt sich. „Nein, kein höheres Gebot, die Immobilie geht an die Bank“, sagt der Rechtspfleger und überreicht einen gelben Umschlag mit Unterlagen. Keine Minute hat das Verfahren gedauert. Nur bei zwei von 30 Immobilien, die an diesem Freitag hier unter den Hammer kommen, gibt es einen Bieterwettstreit im Publikum. Die restlichen Häuser und Apartments landen allesamt ohne ein Gegengebot bei der finanzierenden Bank.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%