Johannes Graf von Schmettow "Dramen an der Tagesordnung"

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Wir reden hier nicht von einem vergleichsweise geringfügigen Verkehrsdelikt. Sondern von der elementarsten Übung guter Unternehmensführung ...von Schmettow: Trotzdem überrascht es mich nicht, dass viele Unternehmen damit so große Probleme haben. Die Regeln guter Unternehmensführung sind das eine, der menschliche Instinkt eine andere Sache. So gesehen mag Nachfolgeplanung ein Widerspruch in sich sein. Worin besteht der Widerspruch?von Schmettow: Das Dilemma ist: Man muss schon in dem Moment beginnen, über das Thema nachzudenken, in dem der oder die Neue das Amt antritt - und man diese schwierige Aufgabe gerade erst gelöst hat. Das hat fast etwas von Verrat. Und der Weg an die Unternehmensspitze ist ohne eine gewisse Machtorientierung nicht möglich. Unter diesem Aspekt ist es ein psychologisches Hemmnis und wider die Intuition, schon bei Amtsantritt über die eigene Nachfolge nachzudenken. Weshalb es ja auch die Aufgabe des Aufsichtsrats ist und nicht des amtierenden Amtsinhabers, seinen Nachfolger zu suchen. Um eben nicht sehenden Auges ins Verderben zu rennen.von Schmettow: Natürlich hat auch der Amtsinhaber die Verantwortung, zu seiner Nachfolge beizutragen. Wenn nicht alle Beteiligten - Aufsichtsrat und Vorstand - in ihrem Inneren das Thema Nachfolge frühzeitig annehmen, steht jeder Führungswechsel unter einem schlechten Stern.

Also hat die Gruppe italienischer Wissenschaftler doch recht, die dafür plädiert, bei Beförderungen auf das Zufallsprinzip zu setzen?von Schmettow: Natürlich nicht. Ein geordneter Prozess ist unabdingbar. Aber vielen Aufsichtsräten fehlt es diesbezüglich naturgemäß an Erfahrung. Mehr als ein, zwei Mal wird kaum einer einen solchen Prozess in seiner Karriere begleiten. Aber es wird in den nächsten Jahren mit zunehmender Professionalisierung der Corporate Governance besser werden. Welche Fehler und Probleme beobachten Sie in der Nachfolgeplanung derzeit noch am häufigsten?von Schmettow: Abgesehen von der zu späten Planung des Prozesses kommt es nicht selten zu einem "more of the same": Es wird ein Nachfolger gesucht und installiert, der dem Amtsinhaber fatal ähnelt und bewährte Pfade nicht verlässt. Klar. Der Vorgänger will eben nicht im Schatten seines Nachfolgers stehen …von Schmettow: Was stimmt: B-Leute suchen C-Leute. Aber gute Leute suchen gute Leute. Das heißt: Der alte Chef muss akzeptieren können, dass der Neue einen ganz anderen Kurs fährt. Und der Neue muss in der Lage sein, das Ruder wenn nötig völlig rumzureißen. Einfach, weil neue Zeiten neue Richtungen brauchen.

Was zeichnet einen guten Chef noch aus?von Schmettow: Er braucht Spikes. Was heißt das?von Schmettow: Wir haben zusammen mit McKinsey Wachstumsunternehmen analysiert. Interessanterweise stehen bei den erfolgreichsten Unternehmen Topleute an der Spitze, die sehr ausgeprägte Stärken auf einzelnen Gebieten, aber eben nicht in allen Bereichen haben. Ein guter CEO kennt seine Stärken, aber auch seine Schwächen. Um es mit dem amerikanischen Management-Vordenker Jim Collins zu sagen: Er muss bescheiden sein - und gleichzeitig ein Dickkopf.

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