Manager-Rauswürfe Die gefallenen Stars der Finanzkrise

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Der Lückenbüßer: AIG-Chef Martin Sullivan

Er kam, sah, und stürzte nach nur drei Jahren an der Unternehmensspitze: Martin Sullivan, bis zum 15. Juni 2008 Chef des US-Versicherungsriesen American International Group (AIG), stürzte über die Riesen-Verluste des einst weltgrößten Versicherers.

Martin Sullivan, geschasster Quelle: REUTERS

Dem 54-jährigen Sullivan wurde ein Aufstand seiner Aktionäre zum Verhängnis. Anfang Juni 2008 beschloss der AIG-Verwaltungsrat die sofortige Trennung von Sullivan. Die Unzufriedenheit der Aktionäre war durchaus verständlich. Denn die Finanzkrise hatte den weltgrößten Versicherer hart getroffen.

Begonnen hatte die Krise am Kreditmarkt vor einem Jahr mit dem Zusammenbruch von zwei Hedgefonds der Investmentbank Bear Stearns. Wegen steigender Kreditzinsen konnten Schuldner mit geringer Bonität, so genannte Subprime-Schuldner, plötzlich ihre Hypothekardarlehen nicht mehr bedienen. Dies führte zu hohen Verlusten bei hypothekenbesicherten Papieren. Für AIG waren die Folgen dramatisch: Faule Kredite in den Büchern des Unternehmens verloren plötzlich deutlich mehr an Wert als erwartet.

Höchster Quartalsverlust der Konzerngeschichte

Sullivan unterschätzte wie viele andere Top-Manager, wie stark die eigenen Profite unter dem Einbruch des US-Eigenheimmarkts leiden würden. Im Jahr 2008 musste er den höchsten Quartalsverlust in der 89-jährigen Konzerngeschichte von AIG bekannt geben: Ein  Minus von fast acht Milliarden Dollar stand bei AIG für Januar 2008 bis März 2008 in der Bilanz. Das Quartal davor war mit Verlusten von sechs Milliarden Dollar kaum besser.

Seit Ausbruch der Finanzkrise musste AIG 30 Milliarden Dollar abschreiben. Im Mai besorgte sich AIG 20 Milliarden Dollar an frischem Kapital – angekündigt waren zunächst nur 12,5 Milliarden. Das reichte längst nicht aus: Insgesamt hat die US-Regierung AIG mit fast 70 Milliarden Dollar unter die Arme gegriffen, wie die US-Website ProPublica akribisch recherchiert hat.

AIG wiederholt im Visier der US-Börsenaufsicht SEC

Der herbe Wertverlust sorgte Anfang 2008 für Unmut unter den Aktionären. Damit wurde die Luft für Sullivan immer dünner. Wegen der anhaltend schlechten Zahlen hatten drei bedeutende AIG-Anteilseigner in einem offenen Brief den Rücktritt Sullivans gefordert.

Auch der größte AIG-Aktionär und ehemalige Vorstandschef der Versicherung Hank Greenberg wollte einen Führungswechsel – für Sullivan wohl eine besondere Perfidie: Denn Sullivan war einst als Saubermann nach der Ära Greenberg angetreten. Greenberg war über Ermittlungen der US-Börsenaufsicht SEC gestürzt, die bei AIG schwere Bilanzierungstricks vermutete.

Sullivan legte die Ermittlungen mit einem Vergleich bei, für den er die Rekordsumme von 1,6 Milliarden Dollar zahlte. Zudem musste AIG die Bilanzen für fünf Jahre korrigieren. Doch seit kurzem steht AIG wieder im Visier der SEC-Fahnder. Sie prüfen nun, ob Wertpapiere, die auf Immobilienkrediten basieren, korrekt verbucht wurden.

Persönlich muß Sullivan der Rauswurf tief getroffen haben. Er verließ das Unternehmen nach 36 Jahren Betriebszugehörigkeit. Sein Nachfolger Roger Willumstad warf nach kurzer Zeit bei AIG ebenfalls das Handtuch. Seit dem 17. September 2008 hat AIG mit Edward Liddy einen neuen Chef. Einfach hat Liddy es nicht: Mehrfach musste er sich vor dem US-Kongress wegen von AIG gezahlter Boni rechtfertigen - und der Riesen-Versicherer ist noch immer nicht in sicheren Gewässern.

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