Olympia 2008 Die Spiele der Hoffnung

Architektonische Wunderwerke, 100 000 freiwillige Helfer, 2,4 Mrd. Dollar Kosten: Chinas Führung hat nicht nur die besten, sondern auch die gigantischsten Olympischen Spiele aller Zeiten versprochen. Es soll ein Fest der Rekorde werden - schon jetzt sind es die Spiele der Hoffnung.

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Die olympischen Spielen werden ein anderes China präsentieren. Quelle: dpa

Blaue Blechzäune und große Plakatwände verdecken noch die Sicht. Doch auch sie können es nicht verheimlichen: Pekings neues Wahrzeichen ist nicht mehr zu übersehen. Gut ein halbes Jahr vor den Sommerspielen ist das zentrale Stadion das Prunkstück der chinesischen Hauptstadt - und ein Publikumsmagnet. Täglich pilgern Scharen von Touristen in den Norden Pekings, um einen Blick auf das "Vogelnest" werfen zu können, wie das von den Baseler Architekten Herzog und de Meuron entworfene Nationalstadion genannt wird.

In der verschlungenen Außenhülle des Riesengebäudes wurden 42 000 Tonnen Stahl verbaut - sechsmal so viel wie im Pariser Eiffelturm. Ein mächtiger und schöner Anblick zugleich. Die dicken Metallstreben, die wie leichte Zweige scheinbar wahllos kreuz und quer verlaufen, leuchten abends kräftig in der Sonne - wie glühender Stahl.

Das architektonische Wunderwerk, das 500 Mill. Dollar kostet, wird von der internationalen Presse bereits als "ein Stück Weltkultur" bejubelt. Kritiker stört eigentlich nur die gigantische Menge, die an energiefressendem Stahl verbaut wurde.

Doch allen Rohstoffproblemen und Umweltbelastungen zum Trotz hat Chinas Führung nicht nur die besten, sondern auch die gigantischsten Spiele aller Zeiten versprochen. Es soll ein Fest der Rekorde werden.

So wird erstmals die olympische Flamme auf den höchsten Berg der Erde, den Mount Everest, getragen. Allein 80 000 Beschäftigte werden für die Sicherheit während der zwei olympischen Wochen zuständig sein. Und 100 000 freiwillige Helfer sollen dafür sorgen, dass den Besuchern buchstäblich an jeder Ecke der Weg gewiesen wird.

Den eher mürrischen Pekingern werden seit Monaten Benimm-Schulungen verordnet. Jeder 11. eines Monats ist nun "Anstehtag", etwa an den Bushaltestellen. Von einer eigens gegründeten Benimmpolizei werden überall Mini- Spucktüten verteilt. Und in Nachbarschaftskomitees gibt es Englischkurse für alle.

Die Pekinger Taxi-Flotte wurde bereits komplett erneuert. Die Fahrer dürfen keinen Bart tragen und nicht mehr im Unterhemd fahren. Neben den Taxametern prangen Aufkleber, die daran erinnern, einmal am Tag die Zähne zu putzen.

Für Frühlingsgefühle werden während der Spiele genmanipulierte Blumen sorgen, die selbst im stickigen Pekinger Augustsmog blühen. Und Chinas Wettermacher sollen mit Chemikalien- Raketen pünktlich alle Regenwolken über den Olympiastätten vertreiben.

Um das größte Problem, die Luftverschmutzung, für die Dauer der Spiele zu reduzieren, wird die Zahl der Autos in Peking für diese Zeit auf rund 1,5 Millionen Fahrzeuge halbiert. Zudem wurden viele Fabriken aus der Hauptstadt verbannt. Ein gigantisches Stahlwerk im Pekinger Westen, so groß wie eine deutsche Kleinstadt, wurde komplett verlagert. Umzugskosten: acht Mrd. Euro.

"Wir sind bereit!", heißt darum der Slogan in Peking. Gut ein halbes Jahr vor Beginn der Sommerspiele sind fast alle Sportstätten fertig. Nur am Prunkstück - dem Nationalstadion - wird noch bis März gehämmert. Dabei geht es erst am 8.8.2008 um 8 Uhr abends los. Das Datum war übrigens der Wunsch der Chinesen, denn die Acht ist in China die absolute Glückszahl.

Und nichts soll dem Zufall überlassen werden. Schon jetzt herrscht die totale Kontrolle. Das ist die Kehrseite der olympischen Medaille. Kritiker beklagen ein Jahr vor den Spielen einen "eisigen Wind für die Meinungsfreiheit", der gar nicht dem olympischen Gedanken entspreche. So wurden zahlreiche Regierungskritiker verurteilt oder unter Hausarrest gestellt. Und die Polizei hat bereits ein hartes Durchgreifen gegen politische Demonstrationen während der Spiele angekündigt.

Doch davon erfahren die Pekinger kaum etwas. Die Regierung trimmt das Volk mit ihrer Propagandamaschine auf "harmonische" Spiele. Überall trainieren Chinesen für Olympia - auf Sportgeräten im Park, in Englischkursen nach der Arbeit oder im Club der neuen Cheerleader.

Auch am Vogelnest hängen rote Banner mit den Jubelparolen der Partei. Es wäre nicht nötig, denn das Bauwerk spricht für sich selbst. Es ist ein Stück neues China, ein Stück anderes China. Und damit ein Symbol der Hoffnung, das dieses Land braucht. Es ist ein dauerhaftes Wahrzeichen, das auch nach den olympischen Wochen noch zu sehen sein wird.

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