Rohstoffe Rohstoffmarkt mit neuen Erzfeinden

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Spekulanten schütten Öl ins Feuer

Auch Rohstoff-Hedgefonds boomen. Ospraie aus New York hat mehr als sieben Milliarden Dollar eingesammelt. Neue Rohstoff-Hedgefonds werden in Serie aufgelegt; erst Anfang Mai startete Gilbert Saiz, langjähriger Ölhändler bei Goldman, den bisher letzten; er will von Singapur aus 600 Millionen Dollar investieren.

Wenn Hedgefonds, Trader und Investmentbanken nun verstärkt in Lagerhallen in London oder in Öltanker investieren, schwant Rohstoffexperten nichts Gutes. „Banken oder Fonds, die Läger besitzen, können Lagerbestände beeinflussen und die Preise indirekt steuern“, schreiben die Rohstoffanalysten der Frankfurter Fondsgesellschaft Lupus Alpha. Außerdem umgehen sie durch den Einstieg in den physischen Handel die Regulierung der Terminmärkte; denn anders als der Handel mit Öl-Futures und Kontrakten auf Kupfer, Nickel oder Zink unterliegt der physische Handel nicht der Kontrolle der Finanzaufsicht.

Munter hin und her

Die Preismanipulation ist umso einfacher, je mehr Läger ein Investor besitzt. Nur die offiziellen Läger der akkreditierten Logistiker an den Metallbörsen in Chicago, London und Shanghai weisen Daten über ihre Bestände aus. „Oft liegen die nicht-akkreditierten Läger direkt daneben“, sagt Weinberg von der Commerzbank, „und niemand weiß, wie viel Material sie enthalten; eine Bank oder ein Hedgefonds, der beides besitzt, kann einfach Material zwischen erfassten und nicht erfassten Lägern hin und her schieben, und schon melden die Analysten: Lagerbestände niedrig – und der Preis steigt.“

Händler und Spekulanten lösen ihre Positionen irgendwann auf, um den Gewinn einzustreichen. „Mehr Sorge bereiten uns die neuen Rohstofffonds, die das Material physisch und dauerhaft aus dem Markt saugen könnten“, sagt Andreas Nickelsen, Chef des Aluminium-Verarbeiters Alpha Metall und Vorsitzender des Wirtschaftsverbands Großhandel Metallhalbzeug. Was Metallverbrauchern wie Nickelsen und Hölandt Sorge macht, sind börsengehandelte Indexfonds (ETFs), die Anlegern einen bestimmten Anteil an Rohstoffen zusichern, die der Fonds kauft und lagert. Das Metall, das der Fonds hält, ist also nicht für die Industrie verfügbar. Erst wenn sehr viele Anleger ihre Anteile wieder verkaufen würden, kämen die Rohstoffe zurück auf den Markt.

Doch auf einen Rückzug vieler Fondsanleger deutet wenig hin. Mit ihrem verbrieften Anrecht am physischen Rohstoff liegen die ETFs im Trend: „Nach dem Lehman-Debakel und der Diskussion um die Sicherheit von Bankeinlagen wollen viele Anleger einen Rohstoff lieber physisch als nur auf dem Papier besitzen, wenn ihnen jemand die lästige Lagerung abnimmt“, sagt Flossbach, „das gilt auch für die ganz großen Anleger, wie Pensionsfonds.“ Derzeit sind viele neue Rohstoff-ETFs in Planung, auch für klassische  Industriemetalle wie Aluminium oder Kupfer. Bisher waren sie nur für Gold, Silber oder Platin verbreitet. Der russische Alu-Konzern Rusal ist gerade dabei, zusammen mit Glencore einen Alu-ETF aufzulegen. Der soll mit dem Geld der ersten Zeichner eine Million Tonnen Aluminium kaufen, ein Zwanzigstel der globalen Jahresproduktion. Auch für Kupfer sind ETFs in Vorbereitung, sagt Hölandt von Aurubis. Er kommt gerade von einem Branchentreffen in Chile, dort waren „die ETFs das große Thema“. Credit Suisse und Deutsche Bank stehen Insidern zufolge kurz davor, ETFs aufzulegen, die die bei Anlegern populären, breit streuenden Rohstoffindizes wie den GSCI- oder CRB-Index physisch nachbilden.

Bequeme ETFs

Die vielen neuen ETFs sind besonders für Großanleger ein bequemes Instrument, um Geld anzulegen. Die von den ETFs gekauften Rohstoffe gehören den Anteilseignern; die Fondsbesitzer behalten sie auch dann, wenn der Fondsanbieter pleitegeht — anders als bei Derivaten. Das macht die Rohstofffonds für risikoscheue Großanleger interessant.„Viele Pensionsfonds und Versicherungen haben in den vergangenen Jahren begonnen, ihren Portfolios Rohstoffinvestments beizumischen“, sagt ein leitender Rohstoffhändler von Goldman Sachs. „Die meisten streben an, drei bis fünf Prozent ihres Portfolios in physische Rohstoffe zu investieren.“ Trotz der relativ bescheidenen Quote könnte das bei sehr kapitalstarken Investoren ausreichen, „um die Preise in eine neue Dimension zu hieven“.

Während Banken, Hedgefonds und Pensionskassen noch Öl, Gold, Silber, Kupfer und Aluminium an den Börsen von London, Chicago und Shanghai zusammenkaufen, ist China schon einen Schritt weiter: Es kauft sich gleich an der Quelle ein. Chinas Industrie ist, anders als die in den westlichen Staaten, auch im Krisenjahr 2009 gewachsen. Nirgendwo lässt sich diese Dynamik derzeit besser ablesen als an den Rohstoffmärkten. China hat allein im März 456.000 Tonnen Kupfer importiert, 22 Prozent mehr als im März 2009.

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