Scharfer Preiswettbewerb Konzerne ringen um Pharmamarkt

Rabattverträge zwischen Arzneimittelherstellern und gesetzlichen Krankenkassen sorgen für wachsende Verwerfungen auf dem deutschen Pharmamarkt. Einige etablierte Konzerne bieten massive Preissenkungen für ihre Originalmedikamente an, die den Patentschutz verloren haben. Die spezialisierten Hersteller von Nachahmer-Medikamenten geraten damit massiv unter Druck.

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Hersteller von Originalmedikamenten greifen die Generikabranche mit Rabattverträgen massiv an. Quelle: dpa

FRANKFURT. "Tendenziell wird die Generikabranche damit ausgebremst", prognostiziert Roland Lederer, Chef des Marktforschungsunternehmens Insight Health. Denn ohne gravierenden Preisunterschied entfällt für Ärzte der Zwang, ihre Patienten von Originalprodukten auf Generika umzustellen.

"Wir sind grundsätzlich bereit, uns dem Wettbewerb mit den Generikafirmen zu stellen", sagt Heinz Werner Meier, Vorstandsmitglied und Deutschland-Chef von Sanofi-Aventis. Der französische Pharmariese hatte bereits zur Jahresmitte einen umfangreichen Rabattvertrag mit der Gmünder Ersatzkasse für ein ganzes Paket von Medikamenten vereinbart.

Andere Beispiele für denselben Trend lieferten in den vergangenen Monaten die Pharmahersteller Janssen-Cilag, eine Tochter des US-Konzerns Johnson & Johnson, sowie Lilly Deutschland. Janssen-Cilag besiegelte mit der AOK Nordrhein einen Rabattvertrag für das Schizophrenie-Medikament Risperdal. Lilly unterzeichnete einen Deal mit mehreren AOKs und der Deutschen BKK für den ebenfalls in der Schizophrenie-Behandlung eingesetzten Wirkstoff Zyprexa. "Die Marktkonstellation dürfte wohl darauf hinauslaufen, dass weitere Originalhersteller Rabatte für ihre Medikamente mit abgelaufenem Patentschutz anbieten", heißt es bei der Deutschland-Tochter eines anderen US-Konzerns.

Auf den Prüfstand gerät damit eine Preisstrategie, die überhaupt erst den Aufstieg der Generika-Industrie in den vergangenen beiden Jahrzehnten ermöglicht hat: Wenn forschende Pharmahersteller den Patentschutz auf ihre Produkte verloren, behielten sie bisher in aller Regel den Preis für ihre Originalmedikamente eisern bei. Sie nahmen damit den Aufstieg der Generikafirmen bewusst in Kauf, die mit mehr oder weniger starken Preisabschlägen nach und nach Marktanteile gewinnen konnten. Die forschenden Pharmahersteller setzten dabei darauf, mit dem verbleibenden Umsatz bei relativ hohen Margen trotzdem noch gute Gewinne zu erzielen.

Der verschärfte Preiswettbewerb innerhalb des Generika-Sektors führt inzwischen allerdings dazu, dass die Nachahmer-Produkte noch schneller und massiver Marktanteile gewinnen als früher. In den ersten neun Monaten 2007 führte das nach Daten von Insight Health dazu, dass die sogenannten Alt-Originale auf dem deutschen Markt fast ein Viertel ihres Umsatzes und knapp vier Prozentpunkte Marktanteil einbüßten.

In dieser Situation wächst der Anreiz für die etablierten Pharmahersteller, ihre Preise zu senken und auf einen höheren Mengenabsatz zu setzen. "Es ist für uns letztlich nicht gleichgültig, ob unsere Anlagen noch laufen oder nicht", erklärt Sanofi-Aventis-Manager Meier. Setzt sich dieser Trend fort, verwischen künftig die Grenzen zwischen forschenden Herstellern und Generikafirmen.

Ähnliche Tendenzen sind bereits im Ausland erkennbar. Der US-Konzern Merck & Co. offerierte deutliche Preissenkungen, nachdem sein Cholesterinsenker Zocor 2006 den Patentschutz verloren hatte. Pfizer brachte für mehrere seiner Produkte nach Patentablauf eigene Generika-Versionen auf den Markt.

Ob die neuen Strategien auf dem deutschen Markt erfolgreich sein werden, bleibt abzuwarten. Eine Herausforderung für die Pharmakonzerne besteht darin, dass sie für ihre Medikamente mit abgelaufenem Patentschutz, soweit es geht, flächendeckende Rabattverträge mit den Krankenkassen benötigen. Sie müssen bei den Ärzten möglichst von vornherein das Bewusstsein verankern, dass sie ihre Patienten gar nicht erst auf preiswerte Generika umzustellen brauchen. Die Krankenkassen tun sich jedoch bisher noch schwer, frühzeitig eine Vielzahl von Rabattverträgen zu bearbeiten.

Einige Pharmakonzerne bieten den Kassen deswegen umfassende Vereinbarungen zum Start neuer Präparate an und setzen damit auf einen anderen Weg: Der Baseler Konzern Novartis etwa vereinbarte für das neu zugelassene Mittel Aclasta (gegen Knochenschwund) vor kurzem ein sogenanntes "risk sharing" mit der DAK. Der Konzern erstattet danach die Kosten für die Patienten zurück, bei denen es trotz Behandlung mit Aclasta zu Knochenbrüchen kommt. Die Pharmariesen reagieren damit auch auf die wachsende politische Kritik an angeblichen überzogenen Medikamentenpreisen.

Kränkelnde Branche

Wenig Schwung: Im Schnitt legten die Umsätze der führenden Pharmakonzerne im dritten Quartal weltweit nur noch um gut fünf Prozent zu gegenüber fast neun Prozent im ersten Halbjahr. Mit Pfizer, Glaxo-Smithkline und Novartis wiesen im abgelaufenen Quartal drei Topkonzerne sogar Umsatzrückgänge aus.

Hoher Druck: Das Marktforschungsunternehmen IMS Health rechnet damit, dass die Branchenumsätze auch im kommenden Jahr nur noch um fünf bis sechs Prozent zulegen. Hauptgrund sind Patentabläufe und wachsende Konkurrenz.

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