Steinmeier plädiert dafür - Union dagegen Der Streit um Mindestlohn geht weiter

Das Thema Mindestlohn wird auf der politischen Bühne auch über den Jahreswechsel weitergespielt. Während Frank-Walter Steinmeier (SPD) - neben seiner Funktion als Außenminister auch Vizekanzler - konkrete Vorschläge für einen allgemeinen Mindestlohn unterbreitet, wollen Unionspolitiker das Thema lieber von der Bühne wieder absetzen.

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Eine Putzfrau bringt Treppen auf Hochglanz. Die Ausweitung des Mindestlohns ist höchst umstritten. Quelle: dpa

HB BERLIN/FRANKFURT/MÜNCHEN. Steinmeier hat sich für einen allgemeinen Mindestlohn zwischen 7,20 und 7,50 Euro ausgesprochen. Deutschland solle sich bei dem Vorhaben an Großbritannien, den Niederlanden oder Frankreich orientieren, sagte der SPD-Politiker der "Bild am Sonntag" laut Vorabbericht. In diesen Ländern liege der Mindestlohn bei etwa der Hälfte des Durchschnittslohns. "Auf Deutschland übertragen bedeutet das eine Größenordnung zwischen 7,20 und 7,50 Euro", sagte Steinmeier. Er bekräftigte die Haltung seiner Partei: "Wer ganztags arbeitet, muss von seinem Lohn leben können. Es darf nicht sein, dass Unternehmen Hungerlöhne zahlen und die Steuer- und Beitragszahler den Rest drauflegen." Der Vizekanzler verwies auf Zustimmung durch Fachleute wie den Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise. Dieser hatte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP erklärt, Mindestlöhne seien nicht grundsätzlich Jobkiller.

Die Kritik von Bundespräsident Horst Köhler an dem zum Jahreswechsel in Kraft tretenden Post-Mindestlohn wies Steinmeier zurück. "Wir hören immer genau hin, wenn sich der Bundespräsident zu Wort meldet, auch dieses Mal. Wir glauben allerdings, beim Mindestlohn die besseren Argumente zu haben." Köhler hatte in einem Interview erklärt, er wisse nicht, ob die Regelung des Post-Mindestlohns "eine rundum gelungene Antwort" sei. Es gebe Risiken, "denn ein Mindestlohn, der von den Arbeitgebern im Wettbewerb nicht gezahlt werden kann, vernichtet Arbeitsplätze". Der Bundespräsident hatte trotz seiner Skepsis noch vor Weihnachten die Gesetzesänderung für den Post-Mindestlohn unterschrieben. Die Lohnuntergrenze von 8,00 Euro bis 9,80 Euro für Briefzusteller und -sortierer kann somit zum 1. Januar in Kraft treten.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnt Verhandlungen über eine Ausweitung von Mindestlöhnen über die Koalitionsvereinbarung hinaus kategorisch ab. Fraktionschef Volker Kauder äußerte im "Tagesspiegel am Sonntag" scharfe Kritik am SPD-Vorsitzenden Kurt Beck, der für Januar neuerliche Beratungen zu dem Thema im Bundeskabinett angekündigt hatte: "Becks Ankündigung widerspricht glatt den Vereinbarungen im Koalitionsausschuss." Es bleibe dabei, dass sich die Branchen, die einen Mindestlohn haben wollten und einen Tarifvertrag vereinbart hätten, bis Ende März melden könnten, sagte Kauder.

Der CDU-Politiker wies aber auch auf "die zweite Verabredung in der Koalition" für die Fälle hin, in denen es keine Tarifeinigung gebe: "Wir wollen mit dem Mindestarbeitsbedingungsgesetz aus der Adenauerzeit Regelungen schaffen. Auch hier soll bis März ein Vorschlag zur Neufassung dieses Gesetzes vorliegen." Kritik aus der Wirtschaft am Postmindestlohn wies Kauder zurück. Die Koalition habe sich auf der Basis eines Tarifvertrags verständigt, die Briefzusteller in das Entsendegesetz aufzunehmen: "Die Tarifpartner haben die Höhe der Löhne in einem Tarifvertrag beschlossen, nicht die Politik."

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) forderte von der Bundesregierung Steuersenkungen statt gesetzlich festgeschriebener Mindestlöhne. "Wenn die Politik für unsere Mitarbeiter mehr Geld will, dann soll sie mehr Netto vom Lohn übrig lassen", sagte ZDH-Präsident Otto Kentzler der "Nordwest-Zeitung". Die Politik solle aufhören mit dem "Gerede über Mindestlöhne" und stattdessen sofort anfangen mit Steuersenkungen vor allem für Durchschnittsverdiener.

Die Mittelstands-Union der CSU kritisierte unterdessen die Bereitschaft einzelner Großunternehmen, Mindestlöhne zu vereinbaren. Es gehe diesen Branchenriesen nicht um ihre Mitarbeiter, sondern darum, den Wettbewerb auszuschalten, sagte der Vorsitzende der Mittelstands-Union, Hans Michaelbach, in München: "Sie wollen sich vor allem der Konkurrenz des Mittelstandes entledigen, der aber den Löwenanteil der Arbeitsplätze in Deutschland stellt." Eine solche Entwicklung würde alle im Lande teuer zu stehen kommen.

Michelbach rief die Arbeitgeberverbände auf, allen Mindestlohnforderungen geschlossen Widerstand entgegenzusetzen. Die Wirtschaft dürfe nicht die Hand zu Plänen reichen, denen die wirtschaftliche Unvernunft auf der Stirn geschrieben stehe. "Dem schweren ordnungspolitischen Fehltritt des Post-Mindestlohnes dürfen nicht weitere Fehltritte in anderen Branchen folgen", sagte der CSU-Politiker. Wenn die Lohnhöhe erst politischer Opportunität folge, sei das nicht nur das Ende jeder Tarifautonomie, sondern damit würde auch ein Eckpfeiler der sozialen Marktwirtschaft zerstört.

Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann nannte es wiederum "nicht sozialverträglich", wenn Menschen 3,50 oder 4 Euro pro Stunde verdienten. Wenn jemand Vollzeit arbeite und trotzdem auf Leistungen des Staates angewiesen sei, dann sei das völlig inakzeptabel. "Da muss die Politik eingreifen", forderte die Bischöfin in der "Berliner Zeitung".

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