Strategie Fünf wegweisende Konzepte für neues Wissensmanagement

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Procter: Erweckung per Mitarbeitertausch

Procter

Mit der Seifenmarke Ivory fing es an. Ende des 19. Jahrhunderts startete Procter & Gamble eine bis dahin nie gekannte Werbeoffensive: Das Unternehmen schaltete landesweit Anzeigen in praktisch jedem Periodikum – von Tageszeitungen über Fachblätter für Farmer bis hin zu ‧wöchentlich erscheinenden Bibelblättchen. Danach bombardierten die Seifenmacher potenzielle Konsumenten in Radio und Fernsehen, integrierten ihre Seifenspots permanent in zahlreichen täglichen Episoden der Unterhaltungsserien, bis die Zuschauer diese gar auf den Namen „soap operas“ umtauften. Kurz: Procter schrieb Medien- und Werbegeschichte. Damals.

Die Zukunft des Marketings schien das Unternehmen dagegen zu verschlafen: Mit einem Volumen von rund acht Milliarden Dollar ist der Konzern zwar bis heute weltweit der unangefochtene Werberiese – mit einem Anteil von gerade mal zwei Prozent im Online-Marketing allerdings bis vor Kurzem im Web ein Zwerg. Eine Todsünde in Zeiten, in denen potenzielle Käufer mehr Zeit im Internet als vor dem Fernseher verbringen.

Und ein Dorn im Auge von Jim Stengel. Also schlug der damalige Procter-Marketingvorstand dem Internet-Riesen Google vor gut drei Jahren einen spektakulären Deal vor: Die Unternehmen sollten über mehrere Wochen hinweg Mitarbeiter austauschen. Das Ziel: Beide sollten Geschäftsmodell und Unternehmenskultur des anderen besser kennenlernen und einer vom anderen profitieren.

Keine Frage, anfangs prallten Welten aufeinander: Während die Procter-Mitarbeiter weiterhin auf TV-Spots setzten, wunderten sich die neuen Google-Kollegen, warum etwa zu einer Pressekonferenz für die Windelmarke Pampers nicht auch die gefragtesten Blogger rund um das Thema Mutterschaft eingeladen wurden.

Die teils hitzigen Diskussionen, die daraus entstanden, kamen jedoch einer Erweckung gleich. Aufgerüttelt durch die Hinweise der Googler entwickelte Procter eine mehr als ungewöhnliche Online-Kampagne. Darin forderte der Konsumgüterhersteller Verbraucher auf, einen aktuellen TV-Spot, mit dem Procter den Fleckenentferner-Stift Tide bewarb, mal so richtig durch den Kakao zu ziehen. Antiwerbung also – aber mit viralen Effekten.

Um die technischen Hürden so niedrig wie möglich zu halten, installierte Procter einen eigenen Kanal auf der Videoplattform Youtube und unterstützte alle Spaßvögel mit einem Set elektronischer Werkzeuge, mit deren Hilfe sich Sounds, Grafiken und Logos leicht integrieren ließen.

Insgesamt rund 230 Videos wurden während der Aktion hochgeladen, einige davon zeigte Procter sogar später im Fernsehen. „Früher“, sagt Stengel, „wäre das undenkbar gewesen.“

Zwar hat Procter seitdem seine Mitarbeiter nicht mehr in andere Unternehmen geschickt. Doch die bahnbrechende Kooperation mit Google hinterließ nachhaltige Spuren im Marketing-Verständnis: Erstmals entdeckte der Konzern Blogger als Multiplikatoren für sich. So luden die Verantwortlichen kurz nach besagter Pampers-Pressekonferenz rund ein Dutzend Bloggerinnen zu einem Besuch der P&G-Babysparte ein und filmten das Ereignis, um das Video anderen Marken zu Schulungszwecken zur Verfügung zu stellen. Die Mummy-Blogger wiederum berichteten Millionen ihrer Fans via Internet von ihren hautnahen Erfahrungen mit dem Konsumgüterriesen.

„Für uns war das ein völlig neuer Kommunikationsansatz“, sagt Bryan McCleary. Online-affine Konsumenten mögen keine plumpe Werbung, so die Erkenntnis des Pampers-Sprechers aus der Kooperation mit Google, „aber für spannende Geschichten sind sie immer zu haben“.

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