Tennis National Kiefer: "Es gibt ein Leben nach dem Sport"

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Verabschiedet sich vom Sport: Nicolas Kiefer. Foto: SID Images/Firo Quelle: SID Images/Firo

Einst sollte Nicolas Kiefer die erfolgsverwöhnten Tennis-Fans in Deutschland wieder jubeln lassen. Jetzt erklärte der 33-Jährige Holzmindener im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst die Beweggründe für seinen Rücktritt.

SID: "Sie haben nach der Geburt ihrer Tochter im August gesagt, die Kleine solle sie noch auf dem Platz erleben. Warum jetzt der Rücktritt?"

Nicolas Kiefer: "Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht, denn ich hatte eine Superzeit. Aber ich mache etwas ganz oder gar nicht, Halbherzigkeit ist nicht mein Ding. 2011 hätte ich nach der langen Verletzungspause bei null wieder anfangen müssen, und dazu bin ich nicht mehr bereit."

SID: "Hat die Tatsache, dass Sie jetzt Vater sind, Ihre Entscheidung beeinflusst?"

Kiefer: "Sicher, das hat sie. Ich möchte Mabelle abends beim Einschlafen und morgens beim Aufwachen sehen, ich möchte keinen Entwicklungsschritt versäumen. Seit ein paar Tagen kann sie ihre Flasche greifen, solche Sachen will ich erleben und nicht erzählt bekommen."

SID: "Haben Sie keine Angst, dass Sie die Entscheidung vielleicht in einem halben Jahr bedauern könnten?"

Kiefer: "Ich habe ein reines Gewissen und stehe voll hinter meinem Entschluss, denn ich habe lange genug überlegt. Irgendwann muss man aber sagen: Das wars jetzt. Das habe ich getan, und damit ist das Thema durch."

SID: "14 Jahre Profitennis sind eine lange Zeit. Woran denken Sie besonders gerne zurück?"

Kiefer: "Alles war irgendwie besonders, jeder Sieg war speziell. Wimbledon natürlich, die ATP-WM 1999 in meiner Heimatstadt Hannover, das olympische Doppelfinale mit Rainer Schüttler in Athen, die deutschen Turniere. Es ist sehr schade, dass jetzt wieder eines, nämlich der World Team Cup in Düsseldorf, aufgeben musste."

SID: "Und was sind die weniger schönen Erinnerungen?"

Kiefer: "Andre Agassi hat mal zu mir gesagt: wenn man im Tennis zu wenig riskiert, wird man sofort bestraft. Das stimmt, wenn du zurückziehst, dann kriegst du sofort eine mit. Klar hätte ich gerne ein Grand-Slam-Turnier gewonnen, ein paar Turniere mehr, aber dafür hätte ich manchmal eben noch ein bisschen mehr riskieren müssen."

SID: "Würden Sie alles wieder genauso machen, wenn Sie die Uhr 14 Jahre zurückdrehen könnten?"

Kiefer: "Grundsätzlich ja. Ich hatte eine tolle Zeit, ich möchte keinen Augenblick missen. Ich betrachte mein Talent und die Chance, ein so außergewöhnliches Leben zu führen, als ein großes Geschenk. Wenn ich heute noch mal neu anfangen könnte, würde ich besser auf meinen Körper achten, von Anfang an mehr Gymnastik machen und schon als junger Spieler mit eigenem Fitnesstrainer reisen."

SID: "Was werden Sie am meisten vermissen?"

Kiefer: "Ich weißüberhaupt nicht, was ich großartig vermissen sollte. Klar, um diese Jahreszeit war ich eigentlich nie in Deutschland, diese Temperaturen kenne ich überhaupt nicht. Ich musste mich kleidungstechnisch erstmal winterfest machen. Es ist ein bisschen ein komisches Gefühl, aber nicht traurig. Einfach nur komisch."

SID: "Nun sind Sie ja nicht unbedingt der typische Couch Potato. Was werden Sie in Zukunft tun?"

Kiefer: "Ich werde sicher nicht rumsitzen und Däumchen drehen, das ist nichts für mich. Tennis ist das, was ich am besten kann, deshalb möchte ich schon gerne im Tennis bleiben. Aber nicht als Trainer, sondern irgendwie in beratender Funktion."

SID: "Und was tut ein ehemaliger Hochleistungssportler, um körperlich in Form zu bleiben?"

Kiefer: "Ich habe mich bei meinem Lieblingsverein Hannover 96 bei den Fußballern der Ü32 angemeldet. Die arbeiten richtig professionell mit Trainer und Co-Trainer. Umgangssprachlich sind das allerdings schon die alten Herren. Ich hasse diesen Ausdruck."

SID: "Wenn ihre Tochter eines Tages sagt, sie möchte Profitennis spielen, was wird der Vater ihr dann raten?"

Kiefer: "Sie soll tun, wozu sie Lust hat. Ich werde sie ihr Leben lang unterstützen, egal, was sie machen möchte."

© SID

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