
Erst 272, dann 2144 und noch mal 1100: Manchmal reichen ein paar nackte Zahlen, um den Ernst der Lage zu verdeutlichen. Sie beziffern das Minus in Millionen Euro, das die Expresssparte des Paketversenders DHL 2007, 2008 und, aus damaliger Schätzung, 2009 anhäufte. Platziert in einem schmucklosen Chart, direkt auf der Aufschlagseite.
„Focus 2010“ heißt die Broschüre im DIN-A4-Format, in der auf 24 Seiten die Defizite des Unternehmens aufgedeckt werden: Die Integration zugekaufter Unternehmen – gescheitert. Die Kosten, vor allem in der Verwaltung – zu hoch. Der Service – schlecht. Die Folge: Umsatz und Marktanteile im Sinkflug, die lange unangefochtene Position als Weltmarktführer in Gefahr.
„Die Finanzkrise hat uns zum schlechtestmöglichen Zeitpunkt erwischt und die bestehenden Probleme im Unternehmen deutlich sichtbar gemacht. Aber eine Krise ist die beste Zeit, um sein Bestes zu geben“, sagt Ken Allen. Der hemdsärmlige Brite, seit 25 Jahren im Unternehmen, ist Autor der Analyseschrift – und CEO von DHL Express. Verfasst hat er sein Arbeitspapier im April 2009, vier Wochen nach Amtsantritt. Seine Feuerprobe hatte er da gerade hinter sich – als US-Chef von DHL Express musste Allen das hochdefizitäre Inlandsgeschäft abwickeln, Abbau von 15.000 Arbeitsplätzen inklusive.
Dass es diesmal mit Sparen allein nicht getan ist, weiß Allen schnell. Um DHL Express weltweit aus der Krise zu bringen, müssen Kosten sinken und Erlöse steigen – und zwar gleichzeitig. Reichlich ambitioniert für ein derart angeschlagenes Unternehmen. „Es war wie eine Operation am offenen Herzen“, sagt Allen. Sein Rettungsplan: „Konzentration auf Kernkompetenz, Ärmel hoch und loslegen.“
Jeder Mitarbeiter ein Verkäufer des Unternehmens
Was er darunter versteht, lebt Allen seinen rund 100.000 Mitarbeitern umgehend vor: Er verkleinert den Vorstand von 13 auf 5 Mitglieder, fasst die weltweit sechs Regionen zu drei zusammen, schließt das Europa-Hauptquartier in Brüssel („unnötige Bürokratie“), setzt alle externen Berater vor die Tür. Allen gibt das Inlandsgeschäft in Frankreich und Großbritannien auf, strafft die Flugpläne der DHL-Flotte, baut das Geschäft mit Kooperationspartnern aus – statt wie seine Vorgänger so viel wie möglich in Eigenregie erledigen zu wollen. Und senkt so bis Ende 2009 die Kosten um rund 480 Millionen Euro. Gleichzeitig lässt er seinen Vertrieb fürs internationale Geschäft schulen. „Letztlich ist jeder Mitarbeiter ein Verkäufer des Unternehmens“, sagt Allen. „Nur so können wir besser werden.“
So wie Allen erging es zuletzt vielen Unternehmen in Deutschland. Schon 2008, vor allem aber 2009 riss die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise riesige Löcher in die Bilanzen. Eine Krise, die so heftig wie nie gleichzeitig über alle Unternehmen und Volkswirtschaften hereinbrach und keine Branche, keine Region verschonte. Aber auch Versäumnisse aus der Vergangenheit schonungslos aufdeckte. Und unter den Top-Managern die Spreu vom Weizen trennte.
Besonders gut durch diese Zeit kamen Unternehmen, deren Top-Manager...
...schnell und mutig Entscheidungen trafen;
... Kosten an den richtigen Stellen sparten, ohne Wachstumschancen aus den Augen zu verlieren;
...sich auf die Wettbewerbsfähigkeit des Kerngeschäfts fokussierten;
... an Innovationen in kleinen Schritten festhielten;
... die Größe und Zusammensetzung der Belegschaft nicht nach kurzfristigen Einsparungen, sondern auf den Aufschwung nach der Krise ausrichteten;
... an der internationalen Perspektive ihres Geschäftsmodells festhielten;
... neue Märkte erschlossen;
... auf differenzierte Preise achteten.