Schon kündigt Scheinwerferlicht Deutschlands berühmteste Disco an: Helmut Berger soll hier in einer Alkohollaune an die Bar gepinkelt und Robert de Niro ganz friedlich sein Bier getrunken haben, um danach mit Gästen zu kickern. Zuletzt hat Paris Hilton dem P1 die Aufwartung gemacht. Die Stars – bestimmt nicht die Einrichtung - haben den Nimbus der Nobeldisko geschaffen. Trotzdem, „von Boris können wir nicht leben“, und die „Sugardaddys mit den hübschen Mädels im Arm“, die gebe es auch nicht mehr, sagt P1-Geschäftsführer Klaus Gunschmann, mit dem ich mich an der Bar treffe, um über das Rauchverbot in der bayrischen Gastronomie zu sprechen. Partymachen hieß bisher im P1: trinken, tanzen, rauchen. Damit ist es vorbei seit dem 1. Januar. Ganz vorbei? Vor ein paar Wochen schrieb „Spiegel“-Online, die Münchner Schickeria mache, was sie will. Ein Mitarbeiter des P1 hatte sich verplappert und zugegeben, dass trotz Bußgeldwarnung ungeniert geraucht würde. Der Geschäftsführer hat natürlich umgehend dementiert. Geraucht würde nur bei Kundenveranstaltungen. Wer sich nach drei, vier Wodka eine anzünde, so Gunschmann, würde von Hostessen freundlich auf die Terrasse gebeten, wo das P1 eine Liegelandschaft für Raucher geschaffen hat, mit Feuerstelle, Leinwand für Videoprojektionen und chilliger Musik im Hintergrund.
Nun gut. Jeder Szenegänger weiß, dass ab drei, vier Uhr nachts nicht nur in Nobelclubs ganz eigene Regeln herrschen. Ob er, wie inzwischen jedes fünfte Münchner Lokal, erwogen habe, das P1 zum Raucherclub umzuwidmen, mit Einlasskontrollen, Mitgliederlisten, Armbändern und Membercards, will ich vom Geschäftsführer wissen. Bei 20 Prozent Umsatzeinbußen würde ich es machen, sagt Klaus Gunschmann und schaut zum Eingang, wo sich immer noch nichts tut.
Als es zwölf Uhr ist, sind die Emporen des VIP-Bereichs und die Tanzfläche nach wie vor leer. Wann macht das P1 Umsatz? frage ich mich, und gehe Richtung Odeonsplatz, um mit der U-Bahn zur Münchner Freiheit zu fahren. Dann noch eine Viertelstunde die Herzogstraße entlang bis zur Ecke Erich-Kästner-Straße, und ich stehe vor der „Lebenslust“, einem schönen Schwabinger Restaurant mit Bar. Ziemlich voll ist es hier. Vor allem unten im Partykeller, wo Mädchen und Jungs, alle so um die 18, 20 Jahre alt, Geburtstag feiern, in „geschlossener Gesellschaft“. So steht es gleich am Eingang.
Alle zwei Wochen ist in der „Lebenslust“ geschlossene Gesellschaft. Dann wird gegessen, getrunken, getanzt und geraucht. Der Inhaber Abi Hadzic hat im Januar, als das Gesetz zum Schutz der Nichtraucher in kraft getreten ist, 15 bis 20 Prozent seiner Gäste verloren. Er hat die Verluste durch die „geschlossenen Gesellschaften“ einigermaßen ausgleichen können. Einige Gäste wollten ihn unter Druck setzen: Wenn Du keinen Raucherclub aufmachst, gehen wir eben. Hadzic betreibt sein Lokal trotzdem weiter als rauchfreies Lokal mit „geschlossener Gesellschaft“, er will die Restaurantbesucher nicht verprellen. Sie sind ihm treu geblieben – und gehen zum Rauchen vor die Tür. Manchmal, sagt Hadzic, sitzt dann nur noch einer am Tisch. Es komme vor, dass das Lokal halbleer ist und man die freiwerdenden Tische trotzdem nicht neuen Gästen anbieten könne. Stattdessen müsse er nach draußen gehen und die Raucher um Ruhe bitten, damit die Nachbarn nicht gestört werden.
Ob sich die Trinkgewohnheiten durch das Rauchverbot geändert hätten, frage ich den Chef der „Lebenslust“. „Früher hat die Zigarette das Menü abgerundet“, sagt Abi Hadzic, „sie war die Ouvertüre zu einer zweiten oder dritten Flasche Wein, zum Espresso oder zu ein paar Kurzen. Heute trinkt man die eher zu Hause“. Hadzic gibt zu, dass das bayrische Rauchverbot auch Vorteile habe: Er rauche jetzt weniger und bewusster. Was er aber für eine Sauerei hält: Dass die bayrische Regierung bis in den Herbst vergangenen Jahres beteuert habe, es werde eine Zwei-Raum-Regelung geben für Raucher und Nichtraucher, wie in Hessen oder Niedersachsen, und dann eine Kehrwendung gemacht habe. „Es wurde über die Köpfe und Existenzen der Gastromomen hinweg im Hauruckverfahren entschieden“, sagt Abi Hadzic.
Was ihn kaum trösten wird: Auch das feine Hotel „Vier Jahreszeiten“ in der Maximilianstraße ist auf kaltem Fuß erwischt worden. Noch Anfang Oktober eröffnete es die Davidoff-Lounge, direkt neben der Lobby, mit einem Wandhumidor, in dem handgerollte Davidoff-Zigarren lagern. Seit Januar dieses Jahres ist sie eigentlich sinnlos geworden. Ich bin drin gewesen und habe tief inhaliert – es roch verdächtig nach frischem Zigarrenrauch.