
WirtschaftsWoche: Herr Hinz, Ihre Vermögensverwaltung hat mehrere Hundert Millionen Euro in Zertifikaten angelegt, deren Entwicklung von den Börsen abhängt. Können Sie angesichts der Turbulenzen noch schlafen?
Michael Hinz: Durchaus. Die Zertifikate helfen uns, Kursrückgänge an den Börsen abzufedern. Dabei geht es nicht um klassische Absicherungen oder Hedge-Geschäfte, also um Papiere, die auf sinkende Kurse setzen. Wir haben vielmehr strukturierte Papiere gekauft, vor allem Expresszertifikate und Discounts.
Wie funktionieren die?
Expresszertifikate werfen feste Renditen ab, wenn ihr Basiswert – in unserem Fall der Index Euro Stoxx – zu einem genauen Zeitpunkt oberhalb eines festgelegten Kursniveaus liegt. Mithilfe von Discounts lassen sich Aktien mit Rabatt kaufen, der Gewinnanstieg ist gedeckelt.
Und was hat Ihnen das gebracht?
In der Finanzkrise haben wir die Verluste an den Börsen eingegrenzt und waren bei der folgenden Erholung mit dabei.
Was tun Sie an extremen Tagen – etwa am 6. Mai, als der Dow Jones vorübergehend um 1000 Punkte nach unten krachte?
Im Regelfall nichts. Wer längerlaufende Zertifikate besitzt, sollte sich von solchen Ausschlägen nicht irritieren lassen.
Was sollen Anleger machen, die hochriskante Zertifikate besitzen und denen ihr Einsatz in Sekunden zwischen den Fingern zerrinnt?
Situationen wie der Flash Crash am 6. Mai zeigen, wie gefährlich diese Produkte sind. Die Basiswerte, auf die sich das Zertifikat bezieht, stürzen ab, und das Papier reißt seine Knock-out-Schwelle, wird also wertlos. Wir sind mit Knock-out-Papieren und spekulativen Optionsscheinen sehr zurückhaltend. Statt auf extreme Ausschläge zu spekulieren, nutzen wir das hohe Niveau der Kursschwankungen. Im Fachjargon heißt das: Volatilität verkaufen. Besonders gut eignen sich dafür neben Discounts auch Bonuszertifikate. Letztere werfen Gewinne ab, wenn die zugrunde liegende Aktie während der gesamten Laufzeit nicht unter eine bestimmte Barriere rutscht.
Warum sind dann hohe Schwankungen von Vorteil?
In den Kurswert dieser Zertifikate fließen neben Aktien oder Indizes auch Optionsgeschäfte ein. Hohe Schwankungen an den Börsen machen Optionen teuer. Da in den Zertifikaten Optionen verkauft werden, ist der Kurs etwa eines Discounts umso niedriger, je teurer die Optionen sind. In hektischen Börsenphasen sind diese Papiere damit günstig.
In einer Baisse wie 2007 bis 2009 werden aber Rabatte aufgezehrt und Barrieren gerissen.
Deshalb sollte die Laufzeit dieser Papiere knapp bemessen sein und möglichst weniger als ein Jahr betragen. Bei kürzeren Laufzeiten ist der Effekt der Optionen am größten. Zugleich ist die Gefahr geringer, in eine umfassende Abwärtsbewegung des Gesamtmarkts zu geraten.
Wenn Ihnen Discounts gefallen, müssten Sie auch Aktienanleihen mögen. Sie funktionieren ähnlich – nur dass es bei Aktienanleihen statt Rabatt einen Kupon gibt.
Begriffe wie „Anleihe“ und „Kupon“ kommen bei Privatanlegern an, sind nicht so negativ belastet wie das Wort „Zertifikat“. Wirtschaftlich handelt es sich um ähnliche Risiken. Wir stellen aber fest, dass viele Aktienanleihen den Sparern geringere Renditechancen eröffnen als vergleichbare Discounts.