Basler Bankenausschuss Wie funktioniert der mächtige Bankenregulierer?

Meist wirkt der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht fern der Öffentlichkeit. Dabei ist er der zentrale Taktgeber für die globale Bankenregulierung. Nun greift ein hochrangiger US-Republikaner die Organisation scharf an.

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Unter dem Dach den BIZ ist der Basler Bankenausschuss angesiedelt, über Jahrzehnte der maßgebliche Taktgeber für Bankenregulierung. Doch das aktuelle Reformpaket ist heftig umstritten. Quelle: picture alliance / Rolf Haid

Frankfurt Wo kommen eigentlich die Regeln her, die die Mehrzahl der Banken weltweit befolgen müssen? Die zentralen Ideen und Leitplanken für die Banken-Regulierung, die auch Folgen für Privatkunden und Unternehmen haben, werden häufig von einem Gremium erarbeitet, das in der Öffentlichkeit nur wenig bekannt ist. Ein hochrangiger republikanischer Abgeordneter hat das Gremium nun attackiert. Wie funktioniert der Basler Ausschuss? Warum befolgen auch Länder seine Regeln, die gar keine Mitglieder in dem exklusiven Club sind? Und was hat das alles mit der Pleite der Kölner Herstatt Bank zu tun? Das Handelsblatt klärt die wichtigsten Fragen.

Was ist der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht?
Dieses Gremium ist bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) angesiedelt, einer Art Notenbank der Notenbanken. Mitglied im Basler Ausschuss sind 45 Notenbanken und Bankenaufsichtsbehörden aus 28 Ländern. Mit dabei sind alle Staaten, die zu den 20 wichtigsten Industrienationen und Schwellenländern gehören, darüber hinaus auch wichtige Finanzplätze außerhalb der G20. Diese Expertengruppe erarbeitet Vorschläge für die Bankenregulierung. Dabei geht es darum, wie viel Eigenkapital der Gesetzgeber von Banken für bestimmte Geschäfte verlangen sollte, oder wie viele Liquiditätspuffer eine Bank generell haben soll. Solche Vorschriften beeinflussen den Preis, zu dem Banken ihre Dienstleistungen wie Kredite anbieten können.

Welche Kompetenzen hat der Basler Bankenausschuss?
Er hat keine formalen Befugnisse. Seine Beschlüsse sind – rein formal gesehen – nur Vorschläge ohne Rechtskraft. Seine Mitglieder haben sich aber in einer Charta unter anderem dazu verpflichtet, die vereinbarten Standards „auf nationaler Ebene umzusetzen und anzuwenden, und zwar innerhalb des vom Ausschuss vorgegebenen Zeitrahmens“. Damit sind diese Vorgaben natürlich immer noch nicht im juristischen Sinne verpflichtend. Um der Sache mehr Gewicht zu geben, führt der Basler Ausschuss mittlerweile immer wieder so genannte „peer reviews“ durch, bei denen überprüft wird, ob ein Mitgliedsland bestimmte Regeln auch wirklich umgesetzt hat. Über das Ergebnis wird ein Bericht erstellt.

Warum wird der Ausschuss attackiert, wenn seine Beschlüsse gar keine Rechtskraft haben?
Auch wenn der Basler Bankenausschuss formal keine bindenden Vorschläge erlassen kann, so hat er doch de facto großen Einfluss. Das liegt unter anderem daran, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank sich bei ihren Beurteilungen des Finanz- und Finanzaufsichtssystems von Staaten an den Vorstellungen aus Basel eng orientieren. „Dadurch haben diese Regeln international eine große Verbindlichkeit“, erklärt Gerhard Hofmann, der im Vorstand des Bundesverbands deutscher Volks- und Raiffeisenbanken für Regulierungsfragen zuständig ist. Er selbst arbeitete jahrelang als Bankenaufseher bei der Bundesbank.

Weshalb attackiert ein US-Abgeordneter speziell die US-Notenbank Fed wegen deren Verhandlungen in Basel?
Die US-Delegation in Basel besteht aus vier Institutionen: Der US-Notenbank Fed, der New Yorker Fed, der Einlagensicherungsbehörde FDIC und der Aufsichtsbehörde OCC. Die letzten beiden Behörden sind politisch dominiert und können daher von der Regierung beeinflusst werden. Die Fed beansprucht allerdings so etwas wie eine Führungsrolle innerhalb der US-Behörden im Basler Ausschuss. Sie ist also nicht nur per se eine relativ unabhängige Behörde, sondern sie gilt unter europäischen Regulierern auch als Hauptansprechpartner und Wortführer der Amerikaner im Basler Ausschuss. Es gibt Basel-Mitglieder, die sogar davon ausgehen, dass im Falle einer Uneinigkeit in der US-Delegation das Wort der Fed ausschlaggebend wäre. Um an US-Präsident Donald Trump vorbei neue Regeln in Basel zu vereinbaren, würde es aber vermutlich schon genügen, wenn FDIC und OCC mangels klarer Ansagen aus Washington einfach schweigen und die Entscheidung der Fed überlassen würden. Genaue Details darüber, wie Abstimmungen im Basler Ausschuss in Streitfällen ablaufen, sind nirgends zu finden.


Einstimmige Beschlüsse

Wie stimmt man im Basler Ausschuss überhaupt ab?
In der öffentlich zugänglichen Charta steht: „Beschlüsse des Ausschusses werden von den Mitgliedern einstimmig verfasst“. Es ist aber wohl etwas komplizierter. „Im Basler Ausschuss gibt es keine Mehrheitsabstimmung. Konsens bedeutet eine einstimmige Zustimmung minus 1, das bedeutet, dass nicht mehr als ein oder zwei Ländern dagegen sein dürfen“, berichtet der BVR-Experte Hofmann, der selbst einmal im Basler Ausschuss gearbeitet hat. Das letzte Wort hat allerdings ohnehin gar nicht der Basler Ausschuss selbst, sondern sein übergeordnetes Kontrollorgan, das GHOS, in dem die Notenbank-Gouverneure und Leiter der Bankenaufsichtsbehörden der Mitglieder des Ausschusses zusammensitzen. Dort hat letztlich jedes Mitglied ein Veto-Recht. Solche gravierenden Konflikte sind relativ selten. Zeichnet sich so etwas ab, würde man laut Hofmann aber eher einfach weiter verhandeln, bis es eine Lösung gibt. „Die Mitglieder wissen den Wert der internationalen Zusammenarbeit zu schätzen“, meint Hofmann.

Sind die Basel-Regeln nur für Mitgliedsstaaten verbindlich?
Juristisch gesehen sind sie für andere Länder genauso oder erst recht nicht verbindlich. Doch über den Umweg der IWF- und Weltbank-Überprüfungen stehen in der Praxis Nicht-Mitglieder ebenso unter Anpassungsdruck. Das gilt insbesondere für Schwellenländer. Es gibt, angesiedelt beim Basler Ausschuss, sogar eine Beratungsgruppe, die Basel Consultative Group, in der auch Nicht-Mitglieder vertreten sind und sich so einbringen können. Sie haben aber natürlich kein wirkliches Mitspracherecht.

Warum hat der Ausschuss überhaupt den Auftrag, Bankenregeln zu entwerfen?
Bei den aktuell so heiß diskutierten und umkämpften Regeln, die die Großreform „Basel III“ krönen soll, haben die G20-Länder über den Finanzstabilitätsrat tatsächlich die Schaffung besserer Regeln für das Bankensystem in Auftrag gegeben. Das war eine Reaktion auf die Finanzkrise, die 2007 begann und mit der Pleite der US-Bank Lehman Brothers ihren Höhepunkt erreichte. Die Lehman-Pleite führte den Staatschefs vor Augen, wie vernetzt der Finanzsektor ist und wie wichtig deshalb weltweit Mindeststandards für Banken sind.

Wie kam es eigentlich überhaupt zur Gründung des Basler Ausschusses?
Man kann sagen, der Basler Ausschuss hat deutsche Wurzeln. Denn ein Auslöser für seine Gründung war die Pleite des Kölner Bankhauses Herstatt und der US-Bank Franklin National im Jahr 1974. Beide Banken hatten sich am internationalen Devisenmarkt verspekuliert.

Echt jetzt? Wegen der Pleite einer kleinen deutschen Bank wird ein internationales Gremium geschaffen?
Oh ja. Die Herstatt-Bank war zwar nur die Nummer 35 am deutschen Bankenmarkt, aber sie war international stark vernetzt. Als die deutsche Bankenaufsicht sie mitten am Tag, während eines Spiels der Deutschen Nationalelf gegen Jugoslawien zur Fußball-Weltmeisterschaft schloss, sendete das Schockwellen durch die Finanzzentren rund um den Globus. Vor allem Geschäftspartner in anderen Zeitzonen hatten ein Problem: Einige US-Banken etwa hatten bereits Deutsche Mark an Herstatt bezahlt, für die sie später am Tag von Herstatt im Gegenzug US-Dollar hätten erhalten sollen. Doch da war Herstatt schon von der Aufsicht geschlossen – das Geld kam nie an. Dieses Erfüllungsrisiko im Interbankenhandel hat sogar einen eigenen, feststehenden Namen: Herstatt-Risiko. In der Folge der Herstatt-Pleite – die größte Bankenpleite Deutschlands seit dem Zweiten Weltkrieg – kam es international zu schweren Störungen am Devisenmarkt, weil nun alle Banken vorsichtiger waren und mit Auszahlungen an Geschäftspartner zögerten. Banken von New York bis Singapur erlitten durch die Turbolenzen Verluste in Höhe von 620 Millionen Dollar. „Durch die Herstatt-Pleite ist erstmals ins Bewusstsein gerückt, wie international vernetzt die Banken im Devisenhandel bereits waren und wie schnell sich daraus eine Systemkrise entwickeln kann“, erklärt Hofmann. „Heutzutage sind die Finanzmärkte noch viel stärker miteinander verflochten als 1974.“

Für welche Banken sind die Basel-Regeln gedacht?
Eigentlich ist es nicht das Ziel des Basler Ausschusses, noch in jede Kleinstbank hineinzuregieren. Die Regeln sollen Mindeststandards für international aktive Banken festlegen. In den USA gelten Basel-Regeln deshalb auch nur für Großbanken. In Europa hat man sie zunächst für alle Banken, auch die kleinen, verbindlich gemacht. Mittlerweile mehren sich aber gerade auch in Deutschland die Stimmen, die fordern, kleinere Kreditinstitute stärker zu entlasten.

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