Nachrichten & Meinung: Zehn Wein-Megatrends

Plopp - die Zeiten gehen zu Ende, in denen sich Weinflaschen nur mit diesem Geräusch öffnen ließen. Lediglich in rund 33 Prozent der etwa 1,5 Milliarden Wein- oder Sektflaschen, die in Deutschland abgefüllt werden, steckt noch ein Korken. Der Anteil hat sich seit 2001 mehr als halbiert. Vor allem der Schraubverschluss gewinnt Freunde. "Früher oder später werden die Weißweine fast alle mit Schraubverschluss verschlossen und auch der größte Teil der Rotweine", sagt Patrick Johner, Juniorchef des Weingutes Karl H. Johner, das zu den Vorreitern beim Trend zum Schraubverschluss gehört. En vogue sind inzwischen auch Plastikkorken, die ebenfalls fast ein Drittel der in Deutschland abgefüllten Flaschen dicht machen. Winzer und Abfüller, die es edler mögen, setzen Glaskorken mit einem Silikonring ein. In den vergangenen vier Jahren hat sich die Zahl der Glasverschlüsse in Deutschland auf 20 Millionen verfünffacht. Grund für die Abkehr von der Rinde der Korkeiche sind die Korktöne, die bis zu fünf Prozent der Weine beeinträchtigen. Die EU-Kommission schätzt die jährlichen Verluste auf dem europäischen Weinmarkt durch Korkgeschmack auf rund 500 Millionen Euro (Text: Lothar Schnitzler, Fotos: dpa, AP, rtr)

Wein in Flaschen ist auf dem Rückzug. Und nicht nur Milch gibt's inzwischen im praktischen Tetrapack. Jedes Jahr gibt es acht Prozent mehr deutschen Rebensaft in Schläuchen. Um die Jahrtausendwende waren es noch 0,6 Prozent, im kommenden Jahr sollen 4,3 Prozent aus den meist quaderförmigen Gebinden fließen. BiB (Bag in Box) heißt das praktische Behältnis, das aus einem Schlauch mit Zapfhahn besteht, der von einem Karton stabilisiert wird. Vorteil: Der Wein hält nach dem Anzapfen noch über drei Monate. In Australien und in Skandinavien kommt inzwischen die Hälfte des Weines aus BiBs, selbst in französischen Supermärkten beträgt der Anteil über 14 Prozent.

Seit 2007 geht es bergab. Im vergangenen Jahr betrug der Weinkonsum nach Schätzungen der Organisation International de la Vigne et du Vin (OIV) rund 243 Millionen Hektoliter, 2009 dürfte es noch weniger werden, ebenso 2010. Der Markt leidet zudem unter einem Überangebot von rund 27 Millionen Hektoliter. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch stieg in Deutschland 2007 um 0,4 Liter auf 20,6 Liter und 2008 gerade noch auf 20,7 Liter. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres ging der Weinabsatz jedoch um 3,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück. Einziger Trost: Der Wert des verkauften Weines stieg um 1,3 Prozent. "Die Konsumenten sparen trotz der Krise nicht an der Qualität des Weines" sagt Monika Reule, Geschäftsführerin des Deutschen Weininstituts in Mainz.

Chardonnay ist mega-out. Mega-in bei der US-Schickeria von Tribeca in New York bis nach Venice in Los Angeles ist dagegen deutscher Wein. "Ungewöhnlich köstlich" seien die deutschen Rieslinge, schwärmt New-York-Times-Weinkritiker Eric Asimov. Der deutsche Riesling-Export in die USA hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht. Die Winzer von Rhein, Mosel, Nahe oder Neckar sind dabei, das in einem Jahrhundert mit süßen Massenweinen verspielte Renommee aufzuholen.

55 Grad Nord-Solaris/Rivaner - so heißt der erste Wein von der Insel Sylt. Im Frühjahr wurden die Reben gepflanzt, in drei Jahren wird die erste Ernte sein. Wein wächst heute im brandenburgischen Werder (Bild), in Dänemark und Schweden. Tatsächlich hat sich in den vergangenen 30 Jahren die Nordgrenze des Weinanbaus um gut 300 Kilometer nach Norden verschoben. Die Jahresdurchschnittstemperaturen steigen, es wird früher warm. In Frankreich beginnt die Lese der Merlot-Trauben heute etwa 20 Tage früher als vor 50 Jahren. Größte Veränderungen drohen der Champagne, der Experten in 40 Jahren ein Klima wie 500 Kilometer südlicher an der Rhône prophezeien. Jetzt prüfen die Winzer, ob sie die Nordhänge bepflanzen. Verschiebt sich, wie von der Umweltorganisation Greenpeace erwartet, das Klima bis 2100 um 1000 Kilometer, wäre es vorbei mit dem charakteristischen Schaumwein aus der Champagne.

"Spinning Cone Column", zu Deutsch: "Schleuderkegelkolonne", heißt das Gerät, das Wein über nacheinander geschaltete Destillationen in vier Substanzen aufspaltet – in Wein ohne Alkohol, in Aroma, in Alkohol und in Wein ohne Alkohol und ohne Aroma. Die Fraktionen werden dann wieder nach Gutdünken gemischt. Allein in Kalifornien nutzen 500 Betriebe das Verfahren. In Europa ist die Technik nicht erlaubt, aber Weine aus Übersee, die durch die Zauberkolonne gingen, dürfen hier auf den Markt kommen. So oder so - die Weinherstellung ist längst auf dem Weg, wie die übrige Getränkeindustrie zu arbeiten. Die Umkehr‧osmose, die dem Wein Wasser entzieht, bringt vollmundige Tropfen hervor. Und damit der Geschmack von Eichenfässern die Zunge umschmeichelt, werden Holzspäne in den Tank verbracht.

40 Prozent mehr Marken Amerikaner und Australier haben es vorgemacht: "Gallo Family Vineyards" aus Kalifornien oder "Penfolds Grange" aus Südaustralien sind heute gefragte Markenweine. In Deutschland tun sich solche Tropfen noch schwer: Nur 14 Prozent beträgt der Anteil der Top-25-Weinmarken. In England halten dagegen schon die Top 5 der Weinmarken einen Anteil von 20 Prozent. Doch der Anteil der Labels steigt. Einige Marken wie "Erben", "Grand Sud" oder oder "Rotkäppchen" konnten ihre Umsätze im ersten Halbjahr 2008 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zwischen zehn und 40 Prozent anheben.

"Biowein ist das Einzige, was noch wirklich geht", sagt der deutschstämmige Winzer Christian Meuser. Lange Zeit war er der einzige Biowinzer der südfranzösischen Weinregion Languedoc. Heute liegen Tropfen, die ohne Chemie heranreifen, auch im Languedoc im Trend. In Deutschland explodiert Bio geradezu. Allein zwischen 2006 und 2008 wuchs die Biorebfläche um 62 Prozent auf 4400 Hektar, immerhin 4,4 Prozent der Anbauflächen. Für die Winzer lohnt sich die Umstellung. Für Bioweine ab Fass erzielen sie nicht selten zwei Euro pro Liter, für herkömmliche Tropfen gibt es durchschnittlich 80 Cent.

Die Zeit läuft gegen die französischen Winzer. Tranken die Franzosen in den Sechzigerjahren noch 120 Liter pro Kopf, hat sich der Konsum inzwischen auf 32 Liter vermindert. In den ersten sechs Monaten dieses Jahr brachen zudem die Ausfuhren im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein – um 30 Prozent in Europa, um 40 Prozent nach Russland und in die USA. Der Export von Champagner brachte nur noch 500 Millionen Euro (minus 45 Prozent). Stéphane Defrain, Président der Weinbauregion „Entre Deux Mers“, spricht von der "schlimmsten Situation, die ich in den 30 Jahren, in denen ich Wein produziere, erlebt habe".

Ex oriente lux - aus dem Osten kommt das Licht, aber auch Wein. China ist auf dem Weg zur Weinbaunation und bereits siebtgrößter Erzeuger. Im Reich der Mitte gibt es rund 500.000 Hektar Rebflächen, mehr als fünfmal so viel wie in Deutschland. Die Chinesen werben zurzeit Kellermeister aus Europa ab, um Menge und Qualität ihres Weines zu steigern. Auch Indien wird zum Weinland. Östlich von Mumbai und in der Nähe von Bengaluru haben sich junge Weinregionen etabliert. Das renommierte Weingut Sula Vineyards (bei Mumbai) konnte innerhalb von zwei Jahren seine Produktion auf fünf Millionen Liter Wein verdoppeln und ist dabei, die eigene Fläche um 100 Prozent zu steigern. Noch trinken die Inder ihren Wein fast ausschließlich selbst: Der Konsum steigt jährlich um 25 bis 30 Prozent.