Biografie von Nike-Gründer Phil Knight Vom Schuhverkäufer zum Milliardär

Phil Knight ist einer der bedeutendsten Manager der Wirtschaftsgeschichte – und dennoch weiß man kaum etwas über ihn. Jetzt hat der Nike-Gründer seine Autobiografie veröffentlicht. Eine fast unwirklich Erfolgsgeschichte.

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College-Football interessiert ihn bis heute: Phil Knight schaut sich ein Spiel in seiner Heimat an der University of Oregon an. Quelle: AP

Düsseldorf Es läuft gut für Phil Knight. Seine Turnschuhe verkaufen sich. Er will einen zusätzlichen Verkäufer im weit entfernten Kalifornien einstellen. Doch wie bekommt er die Schuhe dorthin angesichts der Tatsache, dass er kein Geld zum Verschicken hat? Knight zieht sich die alte Militäruniform an, lädt sich jedes zweite Wochenende seinen Armeesack voller Turnschuhe und fährt damit zum nahe gelegenen Luftwaffenstützpunkt: „Wenn die Militärpolizisten meine Uniform sahen, winkten sie sich mich einfach durch, und ich konnte den nächsten Transportflug nach San Francisco besteigen, ohne irgendwelche Fragen beantworten zu müssen.“

Diese Anekdote aus dem Jahr 1964 zeigt, auf welchen Füßen der heutigen Weltkonzern Nike steht. Wie unfassbar unwahrscheinlich es war, dass dieser mutige, aber unbedarfte Phil Knight ein Imperium gründete. Allein 16 Jahre brauchte er vom ersten verkauften paar Schuhe bis zum Börsengang. In dieser Zeit konnte er sich kaum einen Tag sicher sein, dass seine Firma überleben würde. Ob das Geld reicht. Welcher junge Gründer würde heutzutage noch solche Wege gehen, fragt sich der Leser immer wieder. Gefühlt wäre da oft nach 16 Tagen Schluss.

Gut recherchierte Biografien sind in der Regel gewinnbringender als eine Autobiografie, aber bei Knight muss man nehmen, was man kriegen kann: Kaum ein Top-CEO ist so öffentlichkeitscheu. Sein Vermögen wird auf rund 25 Milliarden Dollar geschätzt. Bis 2016 stand der heute 78-Jährige dem Verwaltungsrat vor; bis 2005 war er CEO.

In seiner jetzt erschienenen Autobiografie „Shoe Dog“ (Finanzbuch-Verlag) erzählt Knight sein Leben streng chronologisch, die Kapitel entsprechen Jahreszahlen. So geht es 450 Seiten lang von 1962 bis 1980 recht eintönig dahin. Es tauchen so viele Menschen auf, dass es das Buch selbst mit dem Personenregister von George R. R. Martins „Lied von Eis und Feuer“ aufnehmen könnte – eine fünf Bände umfassende Fantasy-Saga. Weniger wäre hier mehr gewesen.

Einen Vorteil hat diese strenge lineare Erzählweise aber: Der Leser spürt, wie lang der Weg für Knight war bis zum Börsengang von Nike im Jahr 1980. Wie viele Jahre er hart an der Grenze zur Insolvenz gearbeitet hat; wie seine junge Familie unter der Unsicherheit leiden musste, morgen vor dem Nichts zu stehen. Wie sein Vater nach Jahren des Kopfschüttelns endlich stolz auf ihn war. Und wie es sich anfühlte, nach dem IPO 178 Millionen Dollar schwer zu sein.


Das heikle Thema spart Knight fast aus

Am Anfang war das Schuhverkaufen ein Nebenjob für den gelernten Wirtschaftsprüfer. Der Fleiß und die Leidenschaft fürs Laufen ließen ihn 1964 „Blue Ribbon Sports“ gründen, wie Nike bis 1971 hieß. Der Umsatz wuchs und wuchs und aus Sicht der Bankiers sogar zu schnell: „Ich weigerte mich, den Gedanken an weniger Warenstand überhaupt in Betracht zu ziehen“, schreibt Knight und belegt damit, wie entschlossen, aber auch stur er an die Sache ranging. Er verlangte einen Kredit nach dem nächsten. Irgendwie klappte es Jahr für Jahr, auch wenn es einige Male richtig eng wurde: Wäre Knights Cousin Doug Houser nicht ein fähiger Jurist gewesen, hätte der Prozess gegen Nikes langjährigen japanischen Lieferanten das Ende bedeutet, als es darum ging, wer wen betrogen hatte.

Knight versuchte es 1970 zum ersten Mal mit dem Gang an die Börse, scheiterte aber kläglich. Später musste er Übernahmeversuche abwehren, was ihm gelang. Am Ende des Tages glückte der Durchbruch nicht mehr nur mit schlicht günstigeren Schuhen, sondern mit neuartiger Technik wie Luft-Systemen und speziellen Sohlen. Fast unwirklich erscheint dem Leser des Jahres 2016, wie Knight sein Imperium auf Geschäfts-Briefen gründete, von denen er zig Tausende geschrieben hatte.

Das Private kommt vor, aber nur kurz. In wenigen Sätzen beschreibt Knight, wie er seine Penny kennen und lieben lernte, wie die Kinder kamen und wie groß manchmal die Existenzangst war. Durchaus glaubwürdig schildert er die Selbstzweifel und wie er den massiven Druck spürte, den er in der Regel durch abendliche Joggingtouren abzubauen versuchte. Wobei er einem Burnout nicht gänzlich entkam, sich aber wieder in den Griff bekam. Vor allem als junger Mann las Knight viel – vor allem die Biografien seiner „drei großen Helden“ Churchill, Kennedy und Tolstoi. Zudem hatten es ihm Militärbücher angetan, also alles Mögliche von Generälen, Samurais oder Shogunen.

Ein heikles Thema kommt erst im Nachwort vor – und das ist der wohl wesentliche Kritikpunkt des Buches: die Arbeitsbedingungen für die Menschen in Japan, Taiwan und sonst wo in der Welt, wo der Gründer Schuhe und Kleidung produzieren ließ. Erst ganz am Ende schreibt er: „Was gäbe ich darum, wenn ich die Uhr zurückdrehen könnte, wenn ich so viele Entscheidungen revidieren könnte, die möglicherweise die Krise um miese Arbeitsbedingungen hätten verhindern können.“

Knight redet das Thema klein. So bleibt ein differenziertes Bild hängen von einem extrem fleißigen, entschlossenen, nervenstarken, teamfähigen Mann, der die Welt mit seinen Produkten nicht besser machen wollte. Und der auch keine große Vision hatte außer der, gewinnen zu wollen.

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