Blick hinter die Zahlen #6 – Pensionäre Viermal so viele Lehrer im Ruhestand: Das steckt hinter der Pensionärs-Flut

Die Zahl der Pensionäre ist stark gestiegen. Das liegt vor allem an den Lehrern im Ruhestand, deren Zahl schier explodiert ist – bei überaus komfortablen Bezügen. Je nach Bundesland hat sich ihre Zahl dabei sehr unterschiedlich entwickelt.

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Es sind Zahlen, die nachdenklich machen. Gemäß den aktuellsten Statistiken stehen derzeit 21 Millionen Rentnern knapp 1,3 Millionen Pensionäre gegenüber. Die ehemaligen Staatsdiener erhalten dabei im Schnitt 2970 Euro brutto an Ruhegehalt. Bei ehemaligen Lehrern sind es sogar über 3200 Euro, da sie eine höhere Ausbildung haben als der Schnitt.

Bei den Renten hingegen liegt der Durchschnittswert bei ernüchternden 900 Euro. Da sind freilich auch kurzzeitig Beschäftigte oder einige Jahre Kindererziehung ohne sonstige Beitragszahlungen miterfasst. Doch selbst wenn man nur jene zählt, die 35 Jahre – also fast ihr ganzes Leben lang – Beiträge gezahlt haben, liegt die Durchschnittsrente nur bei 1360 Euro für Männer und knapp 1000 Euro für Frauen. Anders als die Pensionäre müssen sie daraus zwar in der Regel nicht mehr die private Krankenversicherung begleichen, doch auch so bleibt der Unterschied immens.

Die Diskrepanz schlägt sich auch in den Staatsfinanzen nieder: Für die Rentner kamen zuletzt 277 Milliarden Euro an Kosten pro Jahr zusammen. Bei den Pensionären waren es 46,5 Milliarden Euro. Während also ein Rentner, vereinfacht überschlagen, „nur“ für 13.200 Euro an Kosten sorgte, waren es bei einem Beamten knapp 38.000 Euro.

Und die finanzielle Last durch Ex-Beamte im Ruhestand steigt von Jahr zu Jahr an. Daten des Statistischen Bundesamtes zufolge ist die Zahl der Pensionäre in den vergangenen 20 Jahren um mehr als 56 Prozent gestiegen. Verantwortlich dafür ist vor allem die größte Beamtengruppe: Lehrer. Bei ihnen fiel der Anstieg noch weitaus deutlicher aus. Empfingen 1994 noch gut 120.000 ehemals im Schuldienst Tätige ein Ruhegehalt vom Staat, waren es 2019 knapp 434.000 – nahezu viermal so viele.

Anzahl der ehemals im Schuldienst Tätigen, die zum 1. Januar des Jahres ein Ruhegehalt beziehen

Die Zahl der pensionierten Beamten variiert dabei stark nach Bundesland. Am meisten ehemalige Lehrer gibt es in Nordrhein-Westfalen (110.000), gefolgt von Baden-Württemberg (75.000). Hier ist ihre Zahl zudem am deutlichsten seit 1994 angestiegen, nämlich um 615 Prozent. Auch in nahezu allen anderen alten Bundesländern hat sich die Zahl der pensionierten Lehrer mindestens verdreifacht.

Die neuen Bundesländer sind schwieriger zu vergleichen, weil es dort 1994 noch nicht genug Lehrer im Ruhestand gab, um statistisch erfasst zu werden. Selbst wenn man 2000 oder gar 2005 als Grundlage nimmt, sind die Zuwachsraten noch exorbitant. Zu Beginn gab es oft nur fünf oder zehn ehemalige Schuldienstler pro Bundesland. Rein rechnerisch wäre so die Zahl der pensionierten Lehrer in den neuen Bundesländern von 2005 bis 2019 um 3833 Prozent gestiegen. Die Ost-Pensionäre machen freilich mit knapp 8000 Personen selbst heute nur einen Bruchteil der gesamten Lehrer im Ruhestand aus (zur Erinnerung: 434.000 Personen).

Durchschnittliches Ruhegehalt nach Bundesländern im Januar 2019

Auch bei der Höhe der Altersbezüge gibt es große Unterschiede zwischen den Bundesländern und insbesondere zwischen Ost und West. So bekommen Pensionäre beim Spitzenreiter Bayern im Schnitt 3350 Euro brutto im Monat. Beim Schlusslicht Thüringen hingegen sind es nur 2170 Euro.

Diese Werte beziehen sich jedoch auf Pensionäre allgemein, also neben Lehrern etwa auch auf Verwaltungs- und Vollzugsbeamte. Da die meisten Beamtengruppen weniger verdienen als Lehrer, liegt der Schnitt der Lehrer-Pensionen über dem der allgemeinen Pensionen. Leider liegt hierzu jedoch keine Auswertung auf Bundesland-Ebene vor. Eine Orientierung bietet jedoch der bundesweite Durchschnitt: Hier erhalten ehemalige Lehrer, wie eingangs erwähnt, mit 3220 Euro im Monat 250 Euro mehr pro Monat als der Schnitt aller Pensionäre. Die Lehrerpensionen sind dabei seit 1994 um knapp ein Drittel gestiegen.

Anzahl der ehemals im Schuldienst Tätigen, die zum 1. Januar des Jahres ein Ruhegehalt beziehen

Dass die Zahl der verbeamteten Lehrer im Ruhestand so extrem gestiegen ist, führt das Statistische Bundesamt auf die Welle der Babyboomer in den 1960er- und 70-Jahren zurück. Da die Schülerzahlen damals rapide anstiegen, mussten binnen kürzester Zeit etliche neue Lehrer eingestellt werden. Die gehen nun in den Ruhestand.

Und der Trend wird sich weiter fortsetzen, prognostizieren die Statistiker. Die in den späten 70er-Jahren Verbeamteten sind auch heute noch als Lehrer tätig und werden in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen. Danach wird immerhin die Zahl der Neupensionäre sinken: Infolge des Pillenknicks gab es immer weniger Schüler – und damit auch den Bedarf nach immer weniger Lehrern.

Die Destatis-Experten geben dennoch keine Entwarnung: Wegen der hohen Lebenserwartung dürfte die Gesamtzahl der Pensionäre weiterhin sehr hoch bleiben und damit für sehr hohe Kosten sorgen.

Die Rubrik „Blick hinter die Zahlen“ entsteht mit Unterstützung des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Für die Inhalte der Beiträge ist ausschließlich die WirtschaftsWoche verantwortlich.

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