Challenger-Unglück vor 30 Jahren Die Ur-Katastrophe der US-Raumfahrt

Es sollte ein Festtag werden. Millionen Menschen auf der ganzen Welt verfolgten live den 25. Start eines Spaceshuttles – und wurden Zeugen einer Katastrophe: Vor 30 Jahren explodierte die US-Raumfähre Challenger.

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Bei der Explosion des Spaceshuttles vor 30 Jahren starben alle sieben Astronauten an Bord. Quelle: dpa

New York Es ist ein frostiger Dienstag mit strahlend blauem Himmel, an dem das Spaceshuttle Challenger zu seiner zehnten Weltraummission aufbrechen sollte. Millionen Menschen auf der ganzen Welt beobachten den Start an jenem 28. Januar 1986 live vor den Fernsehern. Zum 25. Mal soll eine US-Raumfähre Menschen ins All bringen, eine Routinemission.

Auf der Besuchertribüne des Weltraumbahnhofs Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida sitzen die Eltern der Grundschullehrerin Christa McAuliffe, die als erste Nicht-Astronautin mit in den Orbit fliegen darf, sie klatschen und jubeln. „Wir gehen auf volle Kraft“, meldet Kommandant Francis Scobee aus der Challenger an die Bodenkontrolle.

Sekunden später ist alles anders. Wo gerade noch das Space Shuttle auf dem Weg in den Himmel zu sehen war, breiten sich große weiße Rauchwolken aus. „Es sieht so aus, als ob einige der Triebwerke bei einer Explosion abgesprengt worden sind“, sagt CNN-Kommentator Tom Mintier hörbar geschockt. „Offensichtlich gab es eine schwerwiegende Fehlfunktion“, sagt der Kommentator der US-Raumfahrtbehörde Nasa.

Allen Zuschauern ist sofort klar: Keiner der sieben Menschen an Bord kann diese Katastrophe überlebt haben. Es ist die bis dahin schlimmste Katastrophe in der US-Raumfahrtgeschichte, erstmals überhaupt sterben US-Astronauten im Einsatz. Beim Apollo-Unglück 1967, bei dem drei Astronauten starben, hatte es sich nur um einen Bodentest gehandelt. Der frostige Dienstag mit dem strahlend blauen Himmel wird zu einem der schwärzesten Tage in der Geschichte der Nasa.

Auf die Millisekunde genau hat sie die Ereignisse festgehalten: 58,788 Sekunden nach dem Start bildet sich demnach eine winzige Flamme an einer der Feststoffraketen. Rund fünf Sekunden später lodert bereits ein Feuer am Tankboden, dann umhüllt ein gelb-orangefarbenes Flammeninferno die Raumfähre. Nach 74,587 Sekunden zerbricht die Challenger in 16 Kilometern Höhe in tausende Teile. Die verkohlten Überreste der Astronauten im Atlantik zu finden dauert Monate.

Die Ursache des Unglücks ist schnell klar: Für Florida ungewöhnlich niedrige Temperaturen in der Nacht vor dem Start haben Dichtungsringe an einer der Antriebsraketen porös werden lassen. Während des Abhebens konnten heiße Gase entweichen, eine Kettenreaktion war unvermeidbar.


Das Dichtungsproblem war lange bekannt

Probleme mit der Dichtung waren der Nasa lange bekannt, auch die möglichen Folgen. Doch Konsequenzen gibt es erst nach dem Drama: Zweieinhalb Jahre müssen alle Shuttles am Boden bleiben und umkonstruiert werden.

Die Kommunikationsstrukturen der Nasa werden neu organisiert. Und alle Pläne für die weitere Mitnahme von Zivilisten ins All werden erst einmal auf Eis gelegt. Erst 2007 darf die Lehrerin Barbara Morgan, die als Ersatz für Christa McAuliffe bereitgestanden hatte, mit der Endeavour ins All fliegen.

Das Shuttle-Programm hat sich nie ganz von der Ur-Katastrophe vor 30 Jahren erholt. Zwar wird es noch einmal wiederbelebt, doch dann verglüht 17 Jahre nach dem Challenger-Unglück das Schwesterschiff Columbia mit sieben Astronauten an Bord beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre.

Wieder wird eine mehrjährige Zwangspause eingelegt, doch ein Ende des Programms ist nicht mehr abzuwenden. Im Juli 2011 fliegt die Atlantis die letzte Shuttle-Mission. Heute setzt die Nasa bei Frachttransporten zur Internationalen Raumstation ISS auf externe Unternehmen wie SpaceX und ist bei bemannten Missionen auf russische Transporter angewiesen, will das aber so schnell wie möglich ändern.

Sieben Helden seien gestorben, sagte der damalige Präsident Ronald Reagan am Abend des Challenger-Unglücks in seiner TV-Ansprache. Sie hätten den Pioniergeist der Menschheit mit ihrem Leben bezahlt, aber die Raumfahrt werde erfolgreich bleiben: „Die Zukunft gehört den Mutigen.“

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