Chinastrategie der Bundesregierung Huawei und Habecks irritierende China-Pläne

Raus aus der kritischen Infrastruktur: Chinesische Technologieunternehmen wie Huawei und ZTE sollen künftig nicht mehr in der kritischen Infrastruktur genutzt werden dürfen. Die Regierung arbeitet derzeit an verschiedenen Chinastrategien. Quelle: dpa

Wie halten wir es mit China? Das ist die geopolitische Gretchenfrage der Koalition. Nun irritiert das Ressort von Robert Habeck mit neuen Leitlinien –  klar ist, dass es für Huawei und ZTE ungemütlich werden dürfte.

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Deutschland will den Einsatz von chinesischer Technologie im Bereich der kritischen Infrastruktur (Kritis) deutlich stärker als bisher beschränken. Technik und Geräte von Anbietern wie Huawei und ZTE sollen demnach nicht mehr in kritischen Bereichen von Energieversorgern, Verkehrsanbietern und öffentlichen Gesundheitsdienstleistern eingesetzt werden dürfen, heißt es aus Sicherheitskreisen der Bundesregierung. Die neuen Vorgaben würden dann beispielsweise auch Router in kritischen Bereichen betreffen. An entsprechenden gesetzlichen Grundlagen werde derzeit gearbeitet, heißt es aus Sicherheitskreisen.  

Die USA haben den Import und Verkauf von Geräten chinesischer Hersteller gerade komplett verbannt. Bereits zuvor war chinesische Technik für den Ausbau der 5G-Netze verboten worden, nun dürfen auch keine Smartphones mehr von Huawei und ZTE importiert und verkauft werden.

„Inakzeptables Risiko“

Technik und Geräte der Anbieter stellten ein inakzeptables Risiko für die nationale Sicherheit dar, teilte die US-Telekommunikationsaufsicht FCC (Federal Communications Commission) mit. Der Ausschluss gilt auch für die Überwachungstechnologie-Unternehmen Dahua Technology und Hangzhou Hikvision Digital Technology sowie für das chinesische Telekommunikationsunternehmen Hytera Communications.

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Ein Verkaufsverbot für Handys von Huawei und ZTE ist in Deutschland nicht Planung. Eine solche Entscheidung müsste auch im Rahmen der EU-Binnenmarktregeln getroffen werden. Allerdings wolle Deutschland in Brüssel darauf hinwirken, dass ein solches Verbot zumindest diskutiert werde, heißt es aus Kreisen der Regierung. 

Die Technik von Huawei wird derzeit für den Ausbau des 5G-Netzes in Deutschland genutzt. Die USA sehen in dem Unternehmen jedoch ein Risiko für Spionage und Sabotage. Huawei weist die Vorwürfe zurück. „Wir können keinerlei Evidenz für die Behauptung erkennen, Huaweis Technologie stelle ein Sicherheitsrisiko dar“, sagte ein Huawei-Sprecher.  

Habeck oder Baerbock – wer hat mehr zu bieten?   

Wenn die Ampel-Koalition nun nachschärfen will im Bereich der Kritis, fügt sich das ein in die geopolitische Gretchenfrage: Wie soll es Deutschland künftig mit China halten? Dabei irritierte die Regierung jüngst nicht nur mit unterschiedlichen Entscheidungen, sondern jetzt auch mit verschiedenen Strategien.

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So wird die Chinastrategie der Bundesregierung derzeit eigentlich unter der Federführung von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erarbeitet. Doch nun hat auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eigene chinapolitische Leitlinien für sein Ressorts entwickeln lassen – und der Vizekanzler übertrumpft die Außenministerin dabei nicht nur in der Länge.

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Baerbocks Entwurf, der der WirtschaftsWoche vorliegt, hat 61 Seiten, das Papier aus Habecks Haus umfasst sogar ganze 100 Seiten, berichtet das Nachrichtenportal „Pioneer“.

Firmen sollen China-Ausstieg simulieren  

Auch die Gangart ist bei Habeck härter – womit es schon fast wie ein Wettbewerb wirkt, wer sich von beiden als der größere Chinagegner profilieren will. Zwar spricht sich auch Baerbock für einen deutlich kritischeren Umgang als bisher mit China aus, Habecks Beamte aber raten gar „zum Bruch“ mit Deutschlands wichtigstem Wirtschaftspartner, berichtet „Pioneer“.   

So sollen deutschen Unternehmen, die in China besonders exponiert sind, „gesonderte Mitteilungspflichten“ bezüglich ihres Chinageschäfts auferlegt werden, dies würde etwa Volkswagen und BASF treffen, heißt es in dem Bericht. In einem „Stresstest“ solle der Wegfall des chinesischen Geschäfts für Unternehmen simuliert werden. Auch die Verbannung von chinesischen Anbietern in der Kritis, wie sie bereits in Sicherheitskreisen diskutiert wird, wird in den Leitlinien thematisiert.

Habecks „außenpolitischer Fauxpas“

Politisch besonders heikel ist jedoch eine Passage zu Taiwan: So gehen Habecks Beamte davon aus, dass China den Inselstaat bis spätestens 2027 annektieren wird. Dies sei das 100. Gründungsjahr der Volksbefreiungsarmee, zitiert „Pioneer“ aus dem Papier.

Dass in Habecks Haus so konkret über einen Krieg spekuliert wird, sei nicht nur „abenteuerlich“, sondern für einen Vizekanzler auch ein „außenpolitischer Fauxpas“, heißt es in Kreisen der Koalition.  

Das Dokument aus dem Wirtschaftsministerium ist laut „Pioneer“ bisher nicht mit der Bundesregierung abgestimmt. Habeck habe es diese Woche jedoch in einer Leitungsrunde angenommen und eine zügige Umsetzung der Maßnahmen versprochen.         

In der Koalition hatte es jüngst bereits Krach um die Chinafrage gegeben. So hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) kurz vor seiner Reise nach Peking per Machtwort genehmigt, dass sich die chinesische Staatsrederei Cosco am Hamburger Hafenterminal Tollerort beteiligen darf. Sechs Ministerien – darunter auch Wirtschafts- und Außenministerium – sowie die Nachrichtendienste hatten davon abgeraten. Den Verkauf eines Werks des Dortmunder Halbleiterhersteller Elmos an die Tochterfirma eines chinesischen Unternehmens hatte Habeck kürzlich dagegen untersagt.   


Nach den Pipelineexplosionen hat das Bundeskriminalamt vor weiterer Sabotage gewarnt. Über Jahre wurde die Prävention vernachlässigt. Zur Zeitenwende gehört eine entschlossenere Sicherheitsstrategie.

Wirtschaft kritisiert Chaos und Pläne 

Die Wirtschaft reagiert mit auf Unverständnis darauf, dass nach Baerbock nun auch Habeck eigene Leitlinien erarbeiten will. Diese „mehrgleisige Kommunikation“ sei angesichts der Bedeutung, die China für die Wirtschaft habe, „sehr ärgerlich“, sagte der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammern (DIHK), Volker Treier, am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters.

Dass es Gerüchte über eine erhebliche Erweiterung und Vertiefung der Berichtspflichten auch für mittelständische Betriebe in China gebe, sei „Gift für stabile Geschäftsbeziehungen und die Planungssicherheit“, kritisierte Treier. Angesichts der ohnehin gewaltigen Herausforderungen im internationalen Geschäft komme diese Art der Debatte zur Unzeit.

Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums will die Leitlinien nicht kommentieren. Das Außenministerium hat sich auf Anfrage bisher nicht geäußert.   

Während die möglichen neuen Pflichten für die Wirtschaft noch für Diskussionsbedarf sorgen dürften, ist die geplante Verschärfung im Bereich Kritis wohl weniger umstritten.

Von Notz fordert „Generalrevision“ von Kooperationen

„Die Technik chinesischer Firmen muss dringend zumindest aus dem Kernbereich unserer kritischen IT-Infrastruktur raus“, fordert Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen und Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums. „Wir brauchen insgesamt eine Generalrevision bei privatwirtschaftlichen Kooperationen mit Unternehmen aus autokratischen Staaten“, erklärt er.  

Im Zuge von Russlands Angriffskriegs auf die Ukraine, „aber auch angesichts der Übernahme von Teilen unserer kritischen Infrastruktur durch China in den vergangenen Wochen und Monaten“, sei deutlich geworden, dass es wichtig sei „sich sehr viel unabhängiger von autoritären Staaten zu machen.“

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Er wünsche sich vor diesem Hintergrund „ein noch viel engagierteres Vorgehen, wenn es darum geht, die Lebensadern unserer digitalen Demokratie bestmöglich abzusichern und damit auch unsere Souveränität gegenüber Staaten wie Russland und China zu stärken“, sagte von Notz: „Darauf haben wir uns auch im Koalitionsvertrag als Ampel gemeinsam verständigt.“

Baerbock will ihre Chinastrategie im Frühjahr 2023 vorlegen, der Zeitplan für die Umsetzung von Habecks Leitlinien ist bisher nicht bekannt.    

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