Christian Sewing Deutsche Bank Chef entschuldigt sich bei Bafin für Analysten-Kritik

Ein Analyst der Deutschen Bank AG hatte den Finanzplatz Deutschland scharf kritisiert. Vor der Wahl will Sewing Konflikte mit der Politik vermeiden.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Weder er noch die Deutsche Bank teilten die Ansichten des Analysten, machte Sewing gegenüber den Offiziellen deutlich, berichten informierte Personen. Quelle: imago images/Rainer Unkel

Christian Sewing hat sich beim Bundesfinanzministerium und der Bankenaufsicht Bafin für die scharfzüngige Kritik entschuldigt, die ein Analyst der Deutschen Bank AG an dem Zustand des Finanzplatz Deutschland geäußert hat. In der heißen Phase des Wahlkampfs bemüht sich der Chef von Deutschlands größter Bank, Spannungen mit der Politik zu vermeiden.

Der Deutsche-Bank-Analyst Jan Schildbach hatte in einem Bericht zur Lage der deutschen Finanzindustrie diese Woche die Qualifikation der Aufseher angezweifelt und Deutschlands staatliches Rentensystem als gescheitert dargestellt. Weder er noch die Deutsche Bank teilten diese Ansichten, machte Sewing gegenüber den Offiziellen deutlich, berichten informierte Personen.

Das außergewöhnliche Mea Culpa illustriert, wie heikel die Beziehung der Bank zur Aufsicht und wie wichtig ein guter Draht zur nächsten Bundesregierung ist - nicht zuletzt mit Finanzminister Olaf Scholz als derzeit aussichtsreichstem Kandidaten für die Nachfolge von Angela Merkel.

Eine Sprecherin der Bafin lehnte eine Stellungnahme ab. Ebenso der Analyst Schildbach. Auch die Deutsche Bank wollte nichts zu ihren Kontakten mit den Behörden sagen. Das Finanzministerium antwortete nicht sofort auf eine Anfrage per E-Mail.

Im internationalen Vergleich ist der deutsche Finanzsektor im letzten Jahrzehnt tatsächlich zurückgefallen. Der Bericht von Schildbach ist zwar nicht mehr abrufbar, eine am Dienstag per E-Mail versendete Zusammenfassung nannte jedoch die folgenden Beispiele für den konstatierten Reformbedarf:

Aufsicht: „Die Vielzahl von Skandalen weist auf Defizite bei der Aufsichtskultur, Mitarbeiterqualifikation und Standortwahl hin.“

Struktur: „Das starre Drei-Säulen-System steht international mittlerweile fast allein. Es behindert Konsolidierung und begünstigt Auslandsbanken.“

Steuern: „Gewinne von Kapitalgesellschaften werden hierzulande mit 30 Prozent besteuert, im internationalen Durchschnitt nur noch mit 22 Prozent.“

Europa: „Die Fragmentierung der EU-Kapitalmärkte hat durch den Brexit weiter zugenommen. Auch viele Banken-Regularien werden unverändert national angewendet und überwacht.“

Altersvorsorge: „Die Riester-Rente ist gescheitert, obwohl private Vorsorge immer dringlicher wird. Statt die Förderung der Kapitalanlage auszuweiten, hat der Staat sie gekürzt.“

Auf einer Konferenz Anfang September hatte Sewing erklärt, im Hinblick auf die Vervollständigung der Europäischen Bankenunion sei er mit dem Finanzministerium ganz auf einer Linie. Scholz wisse genau, dass für die Implementierung strikterer Kapitalanforderungen für Banken ein nuancierter Blick auf die deutsche Konjunktur nötig ist, sagte Sewing in der Diskussion.

Das Geldhaus und seine Research-Abteilung hatten sich am Mittwoch auch Öffentlich in aller Form „von der in Inhalt und Form unangemessenen Kritik an Aufsichtsbehörden und politischen Entscheidungsträgern, die in der Studie zum Ausdruck kam“ distanziert. Die Studie sei von der Führung der Deutsche Bank Research nicht autorisiert gewesen, erklärte ein Sprecher in einer E-Mail.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%