Datenschutz Löschpflicht für Google? – BGH verhandelt über Recht auf Vergessen

Zwei Kläger wehren sich vor dem Bundesgerichtshof dagegen, dass Google Artikel zu ihren Namen verlinkt. Müssen die Fragen dem EuGH vorgelegt werden?

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Das Recht auf Vergessenwerden ist in der seit Mitte 2018 EU-weit geltenden DSGVO verankert. Quelle: dpa

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe muss zwei Klagen zur Löschpflicht von Google und damit zum sogenannten Recht auf Vergessen entscheiden. Im Mittelpunkt stand bei der Verhandlung am Dienstag Artikel 17 der EU-weit geltenden Datenschutz-Grundverordnung: Demnach haben Betroffene grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass ihre Daten gelöscht werden – allerdings nicht in jedem Fall.

„Das Recht auf Schutz personenbezogener Daten ist kein uneingeschränktes Recht“, betonte der Vorsitzende Richter Stephan Seiters. Sorgfältig müssten dagegen auch andere, gleichrangige Unionsgrundrechte wie das Recht auf freie Meinungsäußerung oder Informationsfreiheit abgewogen werden.

Die beiden vor dem BGH diskutierten Fälle unterscheiden sich dabei deutlich: In einem will der Ex-Regionalchef eines großen Wohlfahrtsverbandes erreichen, dass bei der Suche nach seinem Namen keine älteren negativen Berichte über ihn mehr verlinkt werden. Die damalige Berichterstattung sei wegen des öffentlichen Interesses berechtigt gewesen, sagte Seiters.

Eine Rolle könne aber die Zeit spielen. Die Vorfälle – die finanzielle Schieflage des Verbandes und die Erkrankung des dort in führender Position arbeitenden – und die Berichterstattung dazu reichen bis ins Jahr 2011 zurück. (Az.: VI ZR 405/18).

In den Vorinstanzen war der Mann gescheitert. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hatte das Recht der Öffentlichkeit auf Information höher bewertet als das Recht des Mannes, über die Verwendung seiner Daten zu bestimmen. Es müsse immer auch den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung getragen werden.

Der zweite Fall löste am Dienstag einen längeren Schlagabtausch der Anwälte aus: Hier klagen ein Mann und seine Lebensgefährtin gegen die Verlinkung auf kritische Artikel über sie sowie auf Fotos von ihnen, sobald ihr Name oder der der Gesellschaften, für die sie arbeiten, bei Google gesucht werden. (Az.: VI ZR 476/18).

Das Paar beruft sich darauf, dass die verlinkten Artikel unwahr seien. Google wiederum erklärt, dies nicht überprüfen zu können und auch nicht zu müssen. Auch hier scheiterten die Kläger in den Vorinstanzen. Dem OLG Köln zufolge müssen die Kläger beweisen, dass die Artikel unwahr sind – und Google müsste erst dann löschen.

Es handele sich um zwei äußerst wichtige Klagen, sagte Christian Solmecke, Experte für Internetrecht. „Tatsächlich sind Löschungsfragen nach der neuen EU-DSGVO bislang nicht höchstrichterlich geklärt und das Recht auf Vergessenwerden ein hohes Gut.“ Eine Vorabfrage an den EuGH würde daher durchaus Sinn ergeben.

Auch die Anwälte der Kläger regten jeweils an, die Fragen dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Eine Entscheidung des BGH wird erst in den nächsten Wochen ergehen. Google wollte sich davor nicht äußern.

Das Recht auf Vergessenwerden ist in der seit Mitte 2018 EU-weit geltenden DSGVO verankert. Vier Jahre zuvor hatte ein wegweisendes Urteil des EuGH dieses Recht in den Fokus gerückt: In der als Google Spain bezeichneten Entscheidung bekam ein Spanier gegen Google recht. Damit musste der Suchmaschinenbetreiber Treffer löschen, die auf eine lange zurückliegende Pfändung verwiesen. Auch das Bundesverfassungsgericht hatte bereits mehrfach zum Recht auf Vergessen gesprochen.

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