„Die Häuser denen, die drin wohnen“ Grüne uneinig über Wahl-Slogan aus Berlin

Ein umstrittener Wahlkampfslogan der Kreuzberger Kandidatin Canan Bayram sorgt für Diskussionsstoff. Der Bundesvorstand hat sich nun deutlich distanziert. Doch Urgrüner Ströbele stellt sich hinter seine Nachfolgerin.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg ist für die Grünen von besonderer Bedeutung. Quelle: dpa

Berlin Ein Streit über die Kreuzberger Bundestagskandidatin Canan Bayram führt bei den Grünen zu Dissonanzen. Die „Tageszeitung“ berichtete am Mittwoch, der Vertreter der baden-württembergischen Landesvertretung in Berlin, Volker Ratzmann, habe Bayram in einem internen Diskussionsforum als „nicht wählbar“ bezeichnet. Ratzmann ist Statthalter des Oberrealos Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Ratzmann war zunächst für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Gegenüber der taz lehnte er einen Kommentar ab.

Bayram bewirbt sich im Berliner Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg und tritt damit das Erbe von Christian Ströbele an, ein Urgrüner und Aushängeschild des linken Flügels. Mit ihrer Kampagne ist sie bereits beim Bundesvorstand angeeckt. Denn sie wirbt auf Plakaten mit dem Slogan „Die Häuser denen, die drin wohnen“. Damit spricht sie vielen Berlinern aus dem Herzen, die unter der wachsenden Immobilienspekulation und hohen Mieten leiden. Nicht aber der Parteispitze: „Der Spruch auf dem Plakat ist missverständlich“, twitterte diese daraufhin. Das Plakat sei kein Teil der Bundestagskampagne und nur lokal zu sehen. Kritiker werfen Bayram vor, mit dem Spruch Hausbesetzungen zu rechtfertigen.

„Ich habe gegen diese Parole nichts und verstehe nicht, warum man sich darüber aufregen will“, sagte Ströbele Reuters. „Ich habe ja viele Hausbesetzer vertreten und unterstützt. Ich meine, dass die Hausbesetzer für Kreuzberg und die Bevölkerung dort viel Gutes getan haben, indem sie dafür gesorgt haben, dass ganze Straßenzüge erhalten geblieben sind, die heute gesuchte Wohnquartiere sind.“ Er betonte, Bayram habe seine volle Unterstützung.

Die Gegner der Grünen sehen in dieser Haltung eine gute Vorlage. Der CSU-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, hielt den Grünen bei der TV-Debatte der Spitzenkandidaten der kleinen Parteien vergangenen Montag vor, die Grünen rechtfertigten den Bruch von Gesetzen, weil sie Hausbesetzungen tolerierten.

Sowohl in der Parteilinken als auch bei den Realos fand sich zunächst niemand, der den Streit um Bayram öffentlich kommentieren wollte. Es hieß übereinstimmend, kurz vor dem Wahltermin wolle man keinen öffentlichen Streit vom Zaun brechen. Eine Kostprobe für die Spannungen zwischen beiden Parteiflügeln hatte Bayram selbst gegeben, als sie in ihrem Grußwort beim Bundesparteitag der Grünen im Juni dem Realo und Tübinger Bürgermeister Boris Palmer empfahl, „einfach mal die Fresse zu halten“.

Der Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg ist für die Grünen von besonderer Bedeutung, da es Ströbele als einzigem Grünen überhaupt gelang, ein Direktmandat bei einer Bundestagswahl zu holen – und das vier Mal hintereinander. Auch die erklärte Parteilinke Bayram will über ein Direktmandat in den Bundestag einziehen. Sollte ihr das gelingen, ist unsicher, ob die auf Platz drei der Bundestagswahlliste der Berliner Grünen platzierte ehemalige Bundeslandwirtschaftsministerin und Reala Renate Künast wieder in den Bundestag kommt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%