24.02.2023, Rheinland-Pfalz, Ludwigshafen: Martin Brudermüller, Vorsitzender des Vorstands der BASF SE, steht bei der Bilanzpressekonferenz in der Konzernzentrale auf der Bühne. Foto: Uwe Anspach/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Quelle: dpa

BörsenWoche 398: Editorial China wird zur Gretchenfrage für BASF-Aktionäre

In Russland wurde BASF enteignet – und investiert dennoch Milliarden in einem anderen autoritären System. Wie ich als Aktionär damit umgehe. Ein persönlicher Kommentar.

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Zu den Aktien, die ich am längsten halte, zählt die BASF: Seit 2014 bin ich bei dem Dax-Wert investiert. Doch inzwischen ist es ein Investment, das mir vor allem Bauchschmerzen bereitet. Vergangene Woche wurde bekannt, dass mit Saori Dubourg eine Top-Managerin das Unternehmen sehr kurzfristig verlässt.

Medienberichten entnehme ich, dass das womöglich auch mit ihrer kritischen Einstellung gegenüber den Milliardeninvestitionen des Konzerns in China zu tun hat. Seit 2019 baut BASF in der südchinesischen Provinz Guangdong einen neuen Verbundstandort analog zum Stammsitz in Ludwigshafen. Zehn Milliarden Dollar Investitionssumme sind dafür veranschlagt, Chef Martin Brudermüller ist großer Chinabefürworter.

Womit wir bei meinen Bauchschmerzen wären. Es war jene BASF in Form der Öl- und Gastochter Wintershall Dea, die trotz der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland im Jahr 2014 die Gaspipeline Nord Stream 2 mitfinanziert und in Russland Geschäfte gemacht hat.

In einem Interview mit der „Neuen Zürcher Zeitung“ von 2019 verteidigte BASF-Chef Brudermüller das Projekt und bügelte den Vorwurf, er alimentiere mit dem Russlandgeschäft das Regime von Wladimir Putin, mit dem Verweis auf das gegenseitige Interesse an der Geschäftsbeziehung ab. Ein milliardenschwerer Irrtum: 2022 musste BASF wegen des Russlandgeschäfts 6,3 Milliarden Euro außerplanmäßig abschreiben. Der Konzern ist dort faktisch enteignet worden. Tja.

Hinterher ist man immer schlauer, werden Sie sagen. Das stimmt natürlich. Aber wenn man ehrlich ist, war lange offensichtlich, dass Putin Russland auf einen Konfrontationskurs mit dem Westen führt. Ich habe das Land selbst mehrere Male bereist und die antieuropäische und anti-homosexuelle Propaganda („Gayropa“) dort zu Beginn der 2010er-Jahre gesehen. Die richtigen Schlüsse habe ich daraus und aus dem seit 2014 andauernden Krieg in der Ostukraine in Bezug auf mein Investment nicht gezogen. Den Schuh muss ich mir anziehen.

Herzstück der BörsenWoche sind zwei Musterdepots, bei denen die Geldanlage auf eigene Faust im Vordergrund steht.

Bei BASF aber vermisse ich derlei Selbstkritik. Jürgen Hambrecht etwa, der die Russlandstrategie des Konzerns nach der Jahrtausendwende anderthalb Jahrzehnte als Vorstands- und später Aufsichtsratsvorsitzender geprägt hat, kam jüngst in einer ARD-Dokumentation über die deutsch-russischen Energiebeziehungen ohne aus. Auch von Martin Brudermüller ist da wenig zu hören.

Vor dem Hintergrund, dass BASF sich mit den Investitionen in China erneut aufs Engste mit einem außenpolitisch immer aggressiver auftretenden autoritären Regime verbindet, hätte ich begrüßt, wenn kritische Stimmen wie Frau Dubourg im Vorstand verblieben wären. Es kommt nun anders.

Das stellt mich vor die Frage: Was tun? Eine Option ist, den betreffenden Vorstandsmitgliedern und Aufsichtsräten auf der Hauptversammlung die Entlastung zu verweigern. Das mag gut sein fürs eigene Gefühl. Konsequenter aber wäre, dass ich mir eingestehe, die Chancen und Risiken der Aktie falsch eingeschätzt zu haben, und – wichtiger noch – den strategischen Kurs falsch finde.

Dafür gibt es eine Lösung: die Aktie zu verkaufen. Auch so kann man ein Zeichen setzen. Und für den eigenen Bauch ist es ohnehin besser.

Ihr

Georg Buschmann

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