Viele Highflyer von gestern finden sich in betonharten Abwärtstrends wieder. Quelle: ddp

BörsenWoche-Editorial An der Börse haben gute Zeiten für Schnäppchenjäger begonnen

Mit immer weiter steigenden Zinsen stürzen vor allem Aktien hoch bewerteter Nebenwerte ab – und werden damit attraktiv für Investoren, die an eine Zeit nach der Krise glauben.

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Am Freitag erwischte es Hypoport. Das Finanzunternehmen, das unter anderem Immobilienfinanzierungen an Privatkunden vertreibt, hatte am Donnerstagabend die Prognose für das laufende Jahr ausgesetzt. Schuld sei die schwache Nachfrage sowohl von privaten als auch institutionellen Investoren nach Immobilienfinanzierungen. Die massiv steigenden Zinsen lassen grüßen.

Sie setzen auch dem Kurs der Hypoport-Aktie mächtig zu. Jahrelang war der schnell wachsende Konzern ein Leuchtstern am deutschen Börsenhimmel. In den zehn Jahren von Anfang 2012 bis Ende 2021 legte der Kurs um sagenhafte knapp 6900 Prozent zu; ein Zuwachs von 53 Prozent pro Jahr.

Doch auch die Bewertung stieg immer weiter: War Hypoport zu Beginn der Zehnjahresperiode noch zum halben Jahresumsatz bewertet, entsprach der Börsenwert zum Jahresende 2021 dem 7,4-fachen Erlös dieses Jahres. Die Gewinnbewertung stieg von 12 auf über 100.

Das kann nur gerechtfertigt sein, wenn das Unternehmen schnell wächst und gleichzeitig das Zinsniveau fällt. Denn: Je niedriger der Zins ist, desto mehr sind künftige Gewinne heute wert. Wächst ein Unternehmen um 20 Prozent pro Jahr und der Zins liegt niedrig, bei vielleicht einem Prozent, dann ist eine optisch hohe Bewertung heute verschmerzbar – das Unternehmen wird schließlich in Zukunft viel mehr verdienen, die Bewertung entsprechend fallen und die Gewinne in der Zukunft sind fast genauso viel wert wie Gewinne heute.

Seit Jahresanfang aber steigen die Zinsen stark an. Nun wirken beide Hebel in die andere Richtung. Sie bremsen das operative Geschäft von Hypoport ein, weil der Immobilienmarkt einbricht. Und sie senken die Bewertung der Aktie an der Börse. Bis zur Schreckens-Adhoc am Freitag hatte der Aktienkurs gegenüber dem Hoch bereits 75 Prozent verloren. Am Freitag ging es noch mal kräftig runter: Fast 40 Prozent Minus standen zwischenzeitlich zu Buche. Ein extremer Abschlag.

Der Fall Hypoport zeigt, dass auch Aktien, die bereits kräftig korrigiert haben, im aktuellen Umfeld noch massives Rückschlagpotenzial bergen können. Wer jetzt irgendwo einsteigt, sollte sich also nicht der Illusion hingeben, man habe das Tief bereits gesehen.

Viele Highflyer von gestern, beispielsweise die Softwareschmieden Nemetschek (MDax), Atoss und Secunet (beide SDax) oder die IT-Dienstleister Bechtle und Cancom (beide MDax), stecken in betonharten Abwärtstrends. Dass die sich ab morgen in Wohlgefallen auflösen, ist unwahrscheinlich.

Aber dennoch sehe ich im aktuellen Umfeld auch Chancen. Denn die Bewertungskorrektur liefert die Gelegenheit, gute Wachstumsunternehmen zu Bewertungen zu kaufen, die es sehr lange nicht mehr gab und die daher langfristig auch wieder bessere Renditechancen versprechen.

Die Devise lautet daher: Jetzt nach starken Unternehmen suchen und sukzessive kaufen. Die Zeit drängt nicht, das Umfeld ist aller Voraussicht nach zu trüb für eine schnelle Erholung. Das sind gute Bedingungen für langfristig ausgerichtete Schnäppchenjäger.

Ihr Georg Buschmann

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