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BörsenWoche Editorial Hakt die Inflation nicht zu früh ab!

Die sinkende Inflationsdynamik in den USA sorgt an den Börsen für Euphorie – möglicherweise zu früh. Worauf Anleger jetzt achten müssen.

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Während die Bundesregierung über Entlastungsmaßnahmen für inflationsgeplagte Bürger streitet, feiert die Börse bereits Aussicht auf Linderung. Im Juli betrug die Teuerungsrate in den USA 8,5 Prozent. Damit hat sie sich gegenüber dem Vormonat stärker abgeschwächt als erwartet. Die großen Indizes machten direkt nach Veröffentlichung der Zahlen einen kräftigen Sprung, allen voran der zinssensible US-Techindex Nasdaq 100. Im Gegenzug gaben die Renditen zehnjähriger US-Bonds deutlich nach. Kurz gesagt: Die Inflationsdaten sorgten für Euphorie an den Aktienmärkten.

Viele Investoren gehen offenbar davon aus, dass die Fed wegen der sich abschwächenden Inflationsdynamik weniger offensiv agieren wird. Ob diese Hoffnung eine solide Basis für steigende Kurse ist, hängt vor allem davon ab, ob die Preise wirklich längerfristig zurückgehen.

Die zuletzt sinkende Inflationsrate in den USA ging zu großen Teilen auf niedrigere Spritpreise zurück. Zwar notieren die Ölpreise weiterhin auf niedrigem Niveau – nach den starken Kursverlusten in den vergangenen Monaten wäre ein zwischenzeitlicher Anstieg aber nicht unwahrscheinlich. Bei vielen wichtigen Rohstoffen sieht es ähnlich aus.

Das Hauptrisiko bleiben allerdings die Löhne. In den USA ist die Arbeitslosenquote derzeit historisch niedrig, auf einen Arbeitsuchenden kommen fast zwei Stellen. Gute Bedingungen für Arbeitnehmer, die wegen steigender Preise höhere Gehälter aushandeln wollen. Geben Unternehmen ihre dadurch steigenden Kosten an ihre Kunden weiter, entsteht eine Lohn-Preis-Spirale. Tatsächlich kletterte das Lohnniveau zuletzt stärker als gedacht: Im Juli stiegen die durchschnittlichen Stundenlöhne um 5,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Genau gegen solche Zweitrundeneffekte sind Zinserhöhungen ein effektives Mittel – auf die aktuellen Inflationstreiber Energie und Nahrung haben sie keinen direkten Einfluss. Außerdem hält die Teuerung an: Auch wenn die Dynamik nachlässt, werden Güter weiterhin jeden Monat teurer. Und je mehr sich die Inflation verstetigt, desto schwieriger wird es, sie wieder auf die Zielmarke von zwei Prozent zu bringen.

All das hält den Druck auf die Fed hoch. Um die Inflation einzufangen, müsste das Wirtschaftswachstum unter seinen längerfristigen Durchschnitt fallen und der Arbeitsmarkt sich entspannen. Für dieses Jahr erwarten Ökonomen deshalb weitere Zinsschritte, rechnen zum Jahresende mit einem Leitzins zwischen drei und vier Prozent. Den neutralen Zins, zu dem die Wirtschaft inflationsfrei wachsen kann, sehen die Fed-Banker indes bei etwa 2,5 Prozent. 2023 könnte es also durchaus wieder Zinssenkungen geben. Deshalb breit auf steigende Kurse zu setzen, ist trotzdem riskant. Viele Ökonomen lagen zuletzt mit ihren Prognosen daneben. Wie weit die Fed beim nächsten Zinsschritt geht, lässt sich kaum sagen.

Anleger können die Situation dennoch für sich nutzen.: Die Inflation wird vorerst bleiben, und auch der Zins dürfte mittelfristig mindestens gleichbleiben. Wer in Kauflaune ist, kann sich Aktien aus dem Finanzbereich und von Luxusunternehmen mit hoher Preissetzungsmacht ansehen.

Hier kommen Sie zur aktuellen Ausgabe.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Woche an der Börse.

Ihr Lukas Schmitt

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