Free Democratic Party (FDP) leader and German Finance Minister Christian Lindner speaks during the traditional FDP Epiphany meeting in Stuttgart, Germany, January 6, 2023. REUTERS/Andreas Gebert Quelle: REUTERS

BörsenWoche Editorial Herr Lindner, bitte an den Soli denken!

Wer mehr als 1000 Euro Kapitalerträge im Jahr hat, muss immer noch den Solidaritätszuschlag bezahlen – obwohl der 2021 eigentlich abgeschafft wurde. Höchste Zeit, dass Finanzminister Christian Lindner damit Schluss macht.

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Ein neues Jahr hat begonnen. Und 2023 gibt es für Anlegerinnen und Anleger gleich eine erfreuliche Neuerung: Der so genannte Sparer-Pauschbetrag steigt von 801 Euro pro Person und Jahr auf 1000 Euro (2000 Euro bei Ehepaaren). Diese Summe können Sie an Zinsen, Kursgewinnen oder Dividenden kassieren, ohne dass darauf Steuern erhoben werden.

So will der Gesetzgeber einen Ausgleich dafür schaffen, dass Kapitalanlage auch Kosten verursacht – etwa Depotgebühren oder Kosten für Informationen zur Geldanlage. Seit 2007 blieben deshalb 801 Euro pro Jahr steuerfrei; zuvor war es auch schon mal doppelt so viel ‧gewesen. Nun also steigt der Sparerpauschbetrag erstmals an. Gut so!

Allerdings: Wer Kapitalerträge erwirtschaftet, muss weiterhin Solidaritätszuschlag bezahlen. Der war in den 1990er-Jahren eingeführt worden, um die Belastungen aus der Wiedervereinigung zu finanzieren. Bei Kapitalerträgen sind es bis heute 5,5 Prozent auf die Steuerlast von 25 Prozent, also 1,375 Prozent. Wer 100 Euro Dividende kassiert, zahlt folglich 25 Euro Kapitalertragssteuer und 1,38 Euro Solidaritätszuschlag, in Summe 26,38 Euro.

Es ist ein Kuriosum: Eigentlich wurde der Solidaritätszuschlag 2021 abgeschafft. Zahlen muss ihn seither nur noch, wer mehr als 17.000 Euro Lohn- beziehungsweise Einkommensteuer pro Jahr zahlen muss – und eben Kapitalanlegerinnen und -anleger. Das ist inkonsequent und nicht sachgerecht. Entweder besteht ein Sonderbedarf wie die Wiedervereinigung und alle beteiligen sich solidarisch, gemäß ihrer Leistungsfähigkeit, an den Kosten. Oder eben nicht. Dann zahlt auch niemand mehr.

Die aktuelle Lösung, die noch die große Koalition ersonnen hat, ist ein fauler Kompromiss, der einem klar erkennbaren Kalkül folgte. Die Bundesregierung hatte eingesehen, dass die Erhebung des Solis nicht mehr zu rechtfertigen und unpopulär war. Gleichzeitig bringt die Abgabe reichlich Bares in den Staatshaushalt, auf das man ungern verzichten wollte.

Also schaffte man den Soli für die breite Masse ab. Den zahlungskräftigen Teil, der für einen Großteil des Aufkommens stehen dürfte, bat man aber weiter zur Kasse.
Das mag verteilungspolitisch vielleicht noch einleuchten. Eine saubere Lösung ist es nicht. Die hätte darin bestanden, als Ausgleich für die Abschaffung des Solis den Spitzensteuersatz zu erhöhen – wenn man denn der Meinung ist, hohe Einkommen nicht entlasten zu können.

Bei der Kapitalertragsteuer gilt aber auch das Verteilungsargument nicht. Denn: Jeder, der mehr als 1000 Euro Kursgewinne und Dividenden pro Jahr vereinnahmt, zahlt nun weiter Soli – muss aber bei Weitem nicht reich oder auch nur wohlhabend sein. Es wäre deswegen nicht nur sachgemäß, den Soli ganz abzuschaffen, sondern auch fair.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) zumindest hat zuletzt laut darüber nachgedacht. Bleibt zu hoffen, dass er mit seinen Plänen in der Koalition mit Grünen und Sozialdemokraten auch Gehör findet. Für die Attraktivität der Kapitalanlage hierzulande jedenfalls wäre die Abschaffung des Solis ein lange überfälliger Schritt.

Ihr

Georg Buschmann

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