Frank Bsirske (Bündnis 90/Die Grünen) spricht bei einer Plenarsitzung im Deutschen Bundestag. Quelle: dpa

BörsenWoche 395: Editorial Hört auf, die Aktienrente zu zerreden!

Die Pläne der Ampel zur Aktienrente sollen das Rentensystem zukunftsfähig machen. Aktuell aber fallen vor allem die Grünen dadurch auf, dass sie das Projekt madig machen – mit schwachen Argumenten.

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Immer wenn ich denke, wesentlich dümmer wird die Diskussion um die Aktienrente nicht mehr werden, belehrt mich der Kurznachrichtendienst Twitter eines Besseren. Da schrieb der FDP-Bundestagsabgeordnete Max Mordhorst vergangene Woche: „Bitte legt euer Geld in Aktien an statt es in staatlichen Systemen zu verzocken.“ Woraufhin der Journalist Thilo Jung („Jung & Naiv“) antwortete: „Welche Aktien, die ich heute kaufe, werden garantiert niemals fallen?“. Au weia.

Jung bedient damit das Narrativ, eine Aktienanlage sei Zockerei. Das nutzen auch Mordhorsts Ampel-Koalitionspartner von den Grünen gerne. Dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsfraktion, Andreas Audretsch, war es nicht zu billig, die negative Wertentwicklung des norwegischen Staatsfonds im Jahr 2022 – also einem Jahr, in dem nahezu alle Anlageklassen an Wert verloren haben – als Argument gegen die Aktienrente zu verwenden.

Rekordverlust? Von wegen

„Rekordverlust“, schrieb er dazu. Schon das ist Quatsch. Schaut man sich nicht die absoluten Zahlen (rund 150 Milliarden Euro Minus im Kalenderjahr 2022), sondern die prozentuale Wertentwicklung an, war das Finanzkrisenjahr 2008 das schlechteste der Geschichte des norwegischen Pensionsfonds. Nur ein Vergleich prozentualer Renditen ist sinnvoll. Denn das verwaltete Vermögen wächst im Schnitt jedes Jahr kräftig an; durch Einzahlungen und, man höre und staune: durch Kursgewinne, Dividenden und Zinsen.

Angesichts dessen absolute Zahlen miteinander zu vergleichen, ist unseriös. Getoppt wird das noch durch die Fokussierung auf einen derart kurzen Zeitraum bei einem extrem langfristig ausgerichteten Investor.

Bei seiner Betrachtung lässt Audretsch außen vor, dass der Fonds trotz der Delle seit Auflage 1998 fast sechs Prozent Jahresrendite gebracht hat.

Keine Einzelposition bei den Grünen: Frank Bsirske, Ex-Verdi-Chef und heute Grünen-Bundestagsabgeordneter, sagte kürzlich der dpa: „Unser Rentensystem lässt sich nicht durch Aktienspekulationen fit für die nächsten Jahrzehnte machen“. Zwar stünden die Grünen hinter dem Plan, zehn Milliarden Euro in einen Kapitalstock zu investieren. Mehr bereitstellen solle der Bund nach dem Willen der Partei aber nicht.

Ehrlich: Dann lasst es lieber ganz sein. Zehn Milliarden Euro werden für ein System mit jährlichen Ausgaben von fast 350 Milliarden (2021) selbst bei der besten Wertentwicklung nicht wirken. So droht die Aktienrente, mit der die Rente zukunftsfest werden soll, von Menschen mit schlechtem Willen und/oder fehlendem wirtschaftlichen Sachverstand zerredet zu werden.

Ganz ungeschoren kann ich aber auch FDP-Politiker Mordhorst nicht davon kommen lassen: Die staatlichen Sicherungssysteme wie die umlagefinanzierte Rente pauschal schlecht zu reden, schadet einer ernsthaften Debatte zur Zukunft der Rente ebenfalls. Beide Systeme, umlagefinanziert und kapitalgedeckt, haben Stärken und Schwächen, die sich idealerweise komplementär zueinander verhalten. Das droht in der auf Kindergarten-Niveau geführten Debatte unterzugehen – und aus dem großen Wurf Aktienrente am Ende wieder nur kleiner Murks zu werden.

Ihr

Georg Buschmann

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