Nach langem Spekulieren, wie Inflation und Krieg einzelne Branchen und Unternehmen treffen, lässt sich das nun zumindest teilweise aus den Quartalszahlen ableiten. Und es gibt einige Überraschungen. Quelle: Imago

Erfolgreiche Geldanlage mit der BörsenWoche Warum die Quartalszahlen diesmal besonders spannend sind

Warum die Berichtssaison dieses Mal besonders spannend ist und worauf Anleger achten sollten, um ihre Depots für die kommenden Monate auszurichten.

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Die Börse ist schon faszinierend: Millionen Investoren versuchen die wirtschaftliche Realität zu einem undefinierten Zeitpunkt in der Zukunft abzubilden. Alle haben unterschiedlich valide Informationen, ordnen sie verschieden ein, handeln nach unterschiedlichen Anlagezielen und Philosophien. Einer schaut auf Value, andere orientieren sich ausschließlich am Chart und Wagemutige kaufen für 140 Euro die Game-Stop-Aktie, obwohl die eher 14 Euro wert sein dürfte. Einfach, weil das in einem Internetforum so abgesprochen wurde. Und trotz allem ist der Markt letztlich ein Spiegel der zukünftigen realwirtschaftlichen Lage, oder zumindest der allgemeinen Erwartung. Es ist naturgemäß viel Spekulation dabei – wer mit seinen Investments richtig liegt, zeigt sich oft erst spät.

Doch zur Zahlensaison ist das Mutmaßen für einen Moment zu Ende. Quartalsergebnisse schaffen Fakten, nicht final und dennoch aufschlussreich. Prognosen werden angepasst, Verlierer verkauft, vermeintliche Gewinner in die Depots gebucht. Es ist immer spannend, aber dieses Mal ganz besonders: Die Märkte sind auf Richtungssuche. Gute Zahlen können sie stützen, schwache Ergebnisse den Abwärtstrend verstärken. Nach langem Spekulieren, wie Inflation und Krieg einzelne Branchen und Unternehmen treffen, lässt sich das nun zumindest teilweise aus den Zahlen ableiten. Und es gibt einige Überraschungen.

Die Finanzbranche etwa sollte eigentlich gut durch die Zinswende kommen. Die Ergebnisse der US-Banken zeichnen nun aber ein ganz anderes Bild: JP Morgan etwa verdiente gut 40 Prozent weniger als noch vor einem Jahr. Der Ukrainekrieg schlägt vehementer ins Kontor als gedacht. Bei den anderen US-Banken sieht es ähnlich aus. Auch bei Goldman Sachs, Morgan Stanley, Wells Fargo oder der Citigroup purzeln die Gewinne. Dass die Zinswende den Sektor nicht stützt, ist eines von mehreren Anzeichen stagflationärer Tendenzen, die derzeit immer wieder aufblitzen.

Für Überraschungen sorgte indes der US-Autobauer Tesla mit einem Rekordgewinn von 3,3 Milliarden Dollar – trotz der Lieferengpässe bei Vorprodukten, die die Autobranche gerade ausbremsen. Die Prognosen hat Tesla damit deutlich übertroffen. Tesla hatte die Preise für seine Autos zuletzt angehoben – und konnte die Kostensteigerungen bei Rohstoffen und durch Lieferschwierigkeiten offenbar gut an die Kunden weitergeben.

Anders bei VW: Die Wolfsburger verkauften im ersten Quartal rund ein Fünftel weniger Autos als im Vorjahr. Das Gesamtergebnis ist solide, liegt aber unter den Erwartungen – und geht zu einem guten Teil auf die Kappe der Finanzabteilung, die mit Hedginggeschäften das operative Ergebnis um 3,5 Milliarden nach oben zog. Die finalen Zahlen kommen Anfang Mai.

Zum Kurskollaps führten die Quartalszahlen beim US-Streaminganbieter Netflix. Der Konzern legte beim Umsatz zwar zehn Prozent zu, verlor aber zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren unter dem Strich Abonnenten – und auch der Ausblick ist düster. Ein funktionierendes Abo-Modell wäre in inflationären Zeiten dank der Voraussehbarkeit einiges wert. Wenn die Abonnenten kündigen, sieht das natürlich anders aus. Die Netflix-Aktie brach nach den Zahlen um fast vierzig Prozent ein und hat damit in weniger als einem halben Jahr zwei Drittel an Wert verloren. Besonders für Starinvestor Bill Ackman ein teurer Niedergang (siehe Grafik der Woche).

Für unsere Depot-Werte hingegen läuft die Zahlensaison bislang gut. Johnson & Johnson konnte beim Gewinn je Aktie die Erwartungen übertreffen, der etwas zurückhaltende Ausblick schreckte Investoren nicht ab. Uns auch nicht – Pharma sollte im aktuellen Marktumfeld Stärke zeigen. Genau wie Medizintechnik, wie die Zahlen unseres Depotwerts Sartorius zeigen (siehe Depotticker).

Dax-ETF-Anleger sollten ein Auge auf die großen Werte aus den Bereichen Industrie und Assekuranz haben, wie Allianz und Münchener Rück, BMW und Daimler, Linde und E.On, oder Airbus und MTU. Die robuste Verfassung ihrer Kurse ist eine wichtige Stütze für den Gesamtindex. Eine gute Zahlensaison könnte einen Sprung über 15.000 Punkte auslösen, damit wäre der Abwärtstrend gebrochen. Wahrscheinlicher sind aber durchmischte Ergebnisse und eine Wackelpartie zwischen 15.000 Punkten oben und dem Tiefpunkt bei rund 13900 Punkten. Wer allerdings genau hinsieht, kann die Datenbasis aus der Quartalssaison nutzen, um sein Depot inflationsfest zu machen.

Hier geht's zur aktuellen Ausgabe der BörsenWoche.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Woche.

Ihr Lukas Schmitt

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