Ehemaliger EZB-Präsident Trichet: Koordinierte Zinssenkung hätte Panik auslösen können

Ein gemeinsamer geldpolitischer Stimulus durch die europäische und die US-amerikanische Notenbank wäre eine Überreaktion gewesen, findet der Ex-EZB-Chef.

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Der Franzose hat die Europäische Zentralbank während der Finanzkrise 2008 geleitet. Quelle: dpa

Der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank hat sich zu den aktuellen Zinssenkungs-Spekulationen im Zuge der Coronakrise geäußert. Eine koordinierte Zinssenkung in dieser Woche hätte Panik auslösen können, so Jean-Claude Trichet. Ein solcher Schritt wäre seiner Meinung nach nicht gerechtfertigt gewesen.

Der Franzose hatte die Notenbank des Euroraums während der Finanzkrise 2008 geleitet und war an einer gemeinsamen geldpolitischen Lockerung mit der US-Notenbank nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers beteiligt. In einem Bloomberg-Television-Interview ließ er durchblicken, dass man diese Episode nicht wirklich mit dem Ausbruch des Coronavirus vergleichen kann.

„Ich habe selbst eine konzertierte Aktion erlebt“, sagte er gegenüber Tom Keene und Guy Johnson von Bloomberg am Donnerstag. „Damals hat sich das Drama viel schlimmer entwickelt, wenn ich das so sagen darf. Die Vorstellung, dass eine absolute Notwendigkeit für koordinierte Maßnahmen auf der Ebene der großen Zentralbanken bestand, war vollkommen natürlich.“

Die Federal Reserve hatte am Dienstag ihren Zinssatz um einen halben Prozentpunkt gesenkt. Zuvor hatten sich die Verantwortlichen der G7 auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt, jedoch keine konzertierte Aktion in Aussicht gestellt. Gemeinsame geldpolitische Stimuli wären eine Überreaktion gewesen, sagte Trichet.

Die EZB tagt am kommenden Donnerstag, und die Märkte kalkulieren eine Senkung des Einlagensatzes um 10 Basispunkte ein, die die Fremdkapitalkosten tiefer in den negativen Bereich bringen würde. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat erklärt, dass die Institution bereit ist, angemessene und gezielte Maßnahmen zu ergreifen.

Was anfangs wie ein Angebotsschock aussah, der zu einer V-förmigen Entwicklung führen könnte, werde nun auch von einem Nachfrageeinbruch begleitet, sagte Trichet. Deshalb sollte die Fiskalpolitik entschlossener eingreifen, forderte er.

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