Arbeit So kommt der Mittelstand zum Büro der Zukunft

Niemand will im Großraumbüro arbeiten - doch immer mehr Unternehmen setzen darauf. Wie sich Angestellte das Büro der Zukunft vorstellen und wie auch ein Mittelständler diese Wünsche erfüllen kann.

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Die Jungen stellen alles auf den Kopf: Die viel beschriebene Generation Y, die nach 1980 Geborenen, stellt bereits ein Drittel der Arbeitskräfte in Deutschland. Glaubt man zahlreichen Studien, ist dieser Generation die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben besonders wichtig, von Zuhause aus wollen sie arbeiten und das am besten auch noch per Smartphone.

Diese Ansprüche und die rasante technologische Entwicklung wirken sich nicht nur auf das Arbeitsleben, sondern auch auf den Arbeitsplatz aus. Home-Office ist in Deutschland zwar bislang wenig verbreitet, aber stark im Kommen. Auch auf Regierungsebene ist die Veränderung der Arbeitswelt Thema: Arbeitsministerin Andrea Nahles wird in den kommenden Wochen ihr Weißbuch "Arbeiten 4.0" vorstellen. Darin geht es um die Frage, wie die künftige Arbeitswelt angesichts der zunehmenden Vernetzung, Digitalisierung und Flexibilisierung aussehen soll.

Brauchen wir in Zukunft noch Büros?

Wenn in Zukunft alle im Park arbeiten, braucht man dann noch klassische Büros? Und was passiert dann mit Bürostädten wie in Frankfurt Niederrad? Um das herauszufinden, hat der Immobiliendienstleister Savills zusammen mit der Unternehmensberatung Consulting cum laude 1250 Deutsche, darunter 250 Studierende und 1000 Angestellte jenseits der 35 Jahre, befragt, wie das Büro der Zukunft für sie aussieht.

Erstaunlicherweise unterscheiden sich die Wünsche beider Gruppen kaum. Es ist keineswegs so, dass alle Jungen facebookartige Großraumbüros mit googlesker Spielplatzatmosphäre wollen. Und die Generation der zwischen 1964 und 1981 Geborenen besteht auch nicht zwangsläufig darauf, jeden Morgen um neun ins Büro zu gehen und um fünf Feierabend zu machen. So viel zu den Klischees.

Was die Befragten aus beiden Generationen dagegen wollen, ist eine möglichst gute Infrastruktur rund um den Arbeitsplatz. Das bedeutet:

  • gute Erreichbarkeit mit Pkw und öffentlichen Verkehrsmitteln
  • Einkaufsmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe
  • Restaurants und Freizeitmöglichkeiten um die Ecke
  • Kinderbetreuung und Fitness-Angebote sind nicht weit entfernt

Am liebsten hätten die Befragten auch noch alles in einem Gebäude. Das reine Bürohochhaus wollen nur noch 39 Prozent. "Die Lage und der Standort eines Büros werden in Zukunft eine noch wichtigere Rolle spielen. Insbesondere Büros in zentraler Lage, welche eine schnelle Anfahrt, sowohl mit dem Auto als auch mit dem ÖPNV oder Fahrrad, ermöglichen, haben Vorteile gegenüber weniger günstig gelegenen Büros", heißt es in der Vergleichsstudie "Office of the future."

Großraumbüro? Nein, Danke!

Gleichzeitig würden knapp 60 Prozent der Befragten die Hälfte ihrer Arbeitszeit gern im Home-Office verbringen. Den Unternehmen kommt das theoretisch entgegen. Im Schnitt hat jeder Büroarbeiter in Deutschland 26 Quadratmeter Fläche für sich - die ließe sich einsparen.

Die für Unternehmen noch günstigere Variante des Desk-Sharing, bei der es weniger Arbeitsplätze als Mitarbeiter gibt, lehnen die Befragten ab. Die Hälfte der Generation Y und mehr als 65 Prozent der Generation X (zwischen 1964 und 1980 geboren) wünschen sich einen festen Platz im Büro. Sie wollen ihren eigenen Schreibtisch inklusive Fotos ihrer Lieben und am liebsten möchten sie auch über die Gestaltung ihres Büros mitentscheiden können. Nur rund fünf Prozent aller Befragten können sich vorstellen, morgens erstmal abzufragen, ob für sie überhaupt ein Schreibtisch im Büro frei ist und wo.

Was beide Gruppen eint: Ins Großraumbüro will niemand, das Einzelbüro ist begehrt. Mit dem Begriff Großraum verbinden die meisten Lärm, Hektik, Ablenkung und stickige Luft, wie Marcus Mornhart, Managing Director bei Savills in Frankfurt, erzählt.

Knigge für das Großraumbüro

Also doch wieder: Das Unternehmen in Berlin Mitte mit den schönen großen Büros kriegt sie alle und der Mittelständler aus dem Sauerland guckt in die Röhre? Muss nicht sein, sagt Roman Diehl, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Consulting cum laude. "Unternehmen, die ihren Hauptsitz an eher unattraktiven Standorten haben, können an urbanen Standorten Coworking-Spaces anbieten", rät er.

Das geht sicher nicht für alle Mitarbeiter, aber ob der Buchhalter nun in München oder in Mönau seine Arbeit macht, spielt für dessen Arbeitsergebnis keine Rolle. "Ein großer deutscher Autohersteller beispielsweise ist einer der größten Kunden des Coworking-Space-Anbieters Mindspace und bietet seinen Wissensarbeitern an, in Berlin zu arbeiten", erzählt Diehl.

So sieht ein inspirierendes Arbeitsumfeld aus
Erlebnisspielplatz bei Google Quelle: Presse
Das Adidas Headquarter in Herzogenaurach Quelle: Presse
Amsterdamer Büro von Booking.com Quelle: Presse
Spielbereich bei Lego Quelle: Presse
VW-Bus-Zelt bei Facebook Quelle: Presse
Blick in das Goodgame Studios Büro Quelle: Presse
Gewächshaus im Büro von Travelbird Quelle: Presse

Das kann das kleine Versicherungsbüro aus Greifswald natürlich nicht leisten. Genauso wenig verpflanzt der Maschinenbauer aus Kassel-Rothenditmold seine Büroangestellten in ein hippes Loft im Frankfurter Westend. Aber das Drumherum lässt sich auch in der Kleinstadt oder auf dem Land etablieren. "Adidas in Herzogenaurach gelingt es auch, eine attraktive Umgebung zu schaffen", sagt er. Und die Stadt hat noch nicht einmal einen eigenen Bahnhof. "Wenn es am Standort wenig gibt, müssen Unternehmen die Infrastruktur im eigenen Gebäude schaffen", sagt Mornhart.

Eine Betriebskita und eine Kantine seien Punkte, die viel ausmachen und durchaus umsetzbar sind. Aber Vorsicht: "Eine Kantine ist in diesem Fall ein Ort, an dem man nicht nur schnell sein Mittagessen zu sich nimmt, sondern in der sich die Mitarbeiter gerne aufhalten und wo es nachmittags auch Spaß macht, einen Kaffee zu trinken", so Mornhart.

Schaffen Sie sich die Strukturen selbst

Wer aus Platz- oder finanziellen Gründen nichts dergleichen bieten kann, der solle sich mit anderen Unternehmen vor Ort zusammen tun, rät Mornhart. "Beispielsweise mit dem Hotel, dem Restaurant oder dem Fitness-Studio nebenan. Beim Fitness-Studio gibt es zusätzlich die Möglichkeit, die Monatsbeiträge der Mitarbeiter ganz oder teilweise zu übernehmen." Wer allen Mitarbeiter einen garantierten Platz im benachbarten Kindergarten bietet, seine Mannschaft täglich im gegenüber liegenden Gasthof bekochen lässt und es ihr auch ermöglicht, den Schweinebraten abends wieder abzutrainieren, muss sich nicht hinter Unternehmen verstecken, die das alles im eigenen Haus haben.

Entscheidend ist jedoch, solche Angebote und Kooperationen nicht einfach so anzugehen, sondern sie gemeinsam mit den Mitarbeitern zu entwickeln. Schließlich wünschen die sich den urbanen Arbeitsplatz, der es ihnen leichter macht, Arbeit und Privates zu verknüpfen. Insofern hilft nachfragen, was genau fehlt, um aus dem Büro den Arbeitsort der Zukunft zu machen. Vielleicht wäre die Mehrheit schon zufrieden, wenn sie ihre Amazon-Päckchen oder ihren Lebensmittelkorb ins Büro liefern lassen dürften.

"Mitarbeiter wollen die Veränderung ihres Arbeitsplatzes mitgestalten können. Das Bedürfnis ist bei den älteren noch deutlich ausgeprägter, aber egal ist das niemandem", bestätigt Diehl. Von der Erwartung, alle zufriedenzustellen, müsse man sich allerdings verabschieden, so Mornhart. "Aber ein Großteil sollte sich mit der neuen Arbeitsumgebung identifizieren. Das ist allein schon wichtig, weil hinter einer solchen Veränderung immense Investitionen stecken." Was besonders dann zutrifft, wenn neben der Arbeitsplatzinfrastruktur auch das Arbeiten selbst verändert wird.

Mitarbeiter einzubeziehen ist wichtig

"Adidas beispielsweise testet drei neue Arbeitsplatzkonzepte mit 200 Mitarbeitern. So lassen sich die Anregungen der Mitarbeiter am besten umsetzen", erzählt Mornhart. Es könne hilfreich sein, sich mit der Belegschaft bei anderen Unternehmen umzuschauen, wie diese beispielsweise mit Coworking-Spaces arbeiten. Wer Geld und Fläche zur Verfügung habe, könne ein Testareal aufstellen und von den Mitarbeitern ausprobieren lassen.

"Ein Unternehmen aus der Pharmabranche beispielsweise hat einen Modell-Kreativraum auf dem Firmengelände aufstellen lassen und die einzelnen Teams aus der Belegschaft konnten den Raum im Rotationsprinzip testen und herausfinden, ob sie so arbeiten können", erzählt Diehl. Finden die das gut, kann ein Kreativraum am Standort etabliert - und das Modell auf andere Standorte übertragen werden. "Wer mehrere Standorte hat, sollte an einem Ort mit der Pilotierung beginnen. Dann kann man sagen: Schaut euch an, wie wir es in Heilbronn umgesetzt haben. Was würdet ihr in Vechta anders machen?"

Die Ergebnisse eines solchen Tests beziehungsweise einer solchen Befragung müsse die Geschäftsführung natürlich ernst nehmen. Wer nachher das Votum der Belegschaft ignoriert und die eigenen Ideen durchboxt, verliert seine Leute. "Veränderungen zu kommunizieren und die Mitarbeiter daran zu beteiligen sind explizite Führungsaufgaben, die nicht bei einer Top-Down-Kommunikation enden", bekräftigt Diehl. "Sie können sich nicht hinstellen und sagen: So wird es gemacht, alles Weitere steht demnächst im Intranet."

Denn unabhängig davon, ob nun die Betriebskantine Einzug hält, flächendeckend Home-Office eingeführt oder das Einzelbüro abgeschafft wird: Ohne die Mitarbeiter geht es nicht.

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