Arbeitgeberranking Wo junge Talente am liebsten arbeiten

Die attraktivsten Arbeitgeber im Ranking 2014 Quelle: dpa, Wolf Heider-Sawall für WirtschaftsWoche, dpa

Ein exklusives Ranking zeigt, was junge Berufstätige von Unternehmen erwarten - und bei welchen Arbeitgebern sie am liebsten arbeiten.

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Erst verstummt der tuckernde Motor, dann startet der Elektroantrieb. In der Fahrerkabine sitzt: niemand. Wie von Geisterhand gesteuert setzt sich der bis zu 40 Tonnen schwere und samt Anhänger 25 Meter lange Lkw in Bewegung, fährt zielstrebig rückwärts und hält schließlich zentimetergenau neben dem avisierten Ziel – einer Laderampe.

Nicht mehr als zwei Fingerstriche auf dem Bildschirm seines Tablet Computers benötigte Benjamin Dittrich, um den Innovation Truck des Automobilzulieferers ZF Friedrichshafen auf dem betriebseigenen Testgelände zentimetergenau zu navigieren.

Zwölf Monate arbeiteten der 33-jährige Entwicklungsingenieur und sein Team an dem Projekt: einem ferngesteuerten Truck mit Hybridantrieb. Vorgegeben war nur das Ziel: ein Lkw mit weniger Emissionen und weniger Unfällen an der Laderampe – denn dort, nicht im Straßenverkehr selbst, passieren die meisten Kollisionen.

Über den Weg zum Ziel konnten Dittrich und seine Kollegen selbst entscheiden: Anfangs tüfteln sie an einem Simulator mit Bremspedal unterm Schreibtisch. Dann testen sie die Fernsteuerung per Laptop im Fahrerhaus – für Notfälle sind Handbremse und Notfallknopf in Griffweite installiert.

Die beliebtesten Arbeitgeber junger Wirtschaftswissenschaftler

Überprüft er heute die Exaktheit der Fernsteuerung, steht Dittrich routiniert mit dem Tablet neben dem Truck – dort, wo er den besten Überblick über das Rangieren hat. „Ich kenne keinen Fernfahrer, der solche Manöver am Lenker schafft“, sagt Dittrich. „Gerade die Mischung aus komplexen, spannenden Aufgaben und selbstständigem Vorgehen macht meine Arbeit so reizvoll.“

Aber auch die Aussicht auf den nächsten Urlaub: Seine übers Jahr gesammelten Überstunden – für den Ingenieur gilt die 35-Stunden-Woche – surft Dittrich an Weihnachten ab, für vier Wochen verabschiedet er sich dann zum Wellenreiten und zur Pflege seiner Spanischkenntnisse nach Mexiko. Die hatte er während einer einjährigen Auszeit vom Job erworben, während der er durch Lateinamerika gereist war.

„Bevor das Familienthema für mich wichtig wird, wollte ich noch einmal ausgiebig reisen – ich bin froh, dass ich bei einem Unternehmen arbeite, das mir Freiraum für meine Hobbys lässt“, sagt Dittrich.

So wie Dittrich denken viele talentierte Arbeitnehmer seiner Altersklasse: Intellektuelle Herausforderung, innovative Aufgaben und eigenverantwortliches Handeln einerseits, andererseits aber auch Zeit für Familie und Hobbys als Ausgleich zum beruflichen Engagement zählen zu den wichtigsten Aspekten, auf die die Vertreter der Generation Y bei der Wahl ihres Arbeitgebers achten.

Hintergrund zum Ranking

Doch neben all den Möglichkeiten, die Arbeitgeber bitte schön zu bieten haben, soll der Job noch etwas anderes erfüllen: das Bedürfnis nach Sicherheit. Und wer, wie laut Universum jeder dritte Wirtschaftswissenschaftler und jeder vierte Ingenieur, in den kommenden zwölf Monaten über einen Jobwechsel nachdenkt, will Zeitpunkt und Umstände selbst bestimmen.

Hohe Erwartungshaltung

„Die Erwartungshaltung der jungen Berufstätigen an potenzielle Arbeitgeber ist sehr groß“, sagt Stefan Lake, Deutschland-Chef der Employer-Branding-Beratung Universum. „Wer jeden Schritt kontrolliert, statt Freiheiten zu lassen, kommt bei der ,Generation all inclusive‘ nicht gut an.“

Das bestätigt auch das Ergebnis des aktuellen Arbeitgeberrankings, das Universum exklusiv für die WirtschaftsWoche erstellt hat. Das Beratungsunternehmen fragte 4760 junge Berufstätige unter 40 Jahren mit bis zu acht Jahren Berufserfahrung nach ihren Karrierezielen und ihrem bevorzugten Arbeitgeber.

ZF Friedrichshafen rückte im Arbeitgeberranking 2014 bei den Ingenieuren um acht Positionen auf Platz 16 vor, bei den Wirtschaftswissenschaftlern gar um 30 Positionen auf Platz 46. Der Automobilzulieferer vom Bodensee gehört damit zu den Top-Aufsteigern im diesjährigen Ranking.

Auch die Bundeswehr, Garant sicherer Arbeitsplätze, hat in der Gunst der jungen Talente an Attraktivität gewonnen. Ganz vorn auf der Liste der Lieblingsarbeitgeber liegen wie in den Vorjahren die Automobilhersteller Audi, BMW und Porsche. Schwer im Kampf um die Talente haben es derzeit Finanzdienstleister wie Allianz, Deutsche Bank, KfW oder Europäische Zentralbank.

Was junge Deutsche von Arbeitgebern erwarten
Talent Economy Quelle: dpa
Selbstbewusste Millennials Quelle: dpa
Geld, Abwechslung und Sicherheit Quelle: Fotolia
Weiterbildungsangebote Quelle: Fotolia
Ein Problem, das gerade mittelständische Unternehmen haben, ist dass die jungen Fachkräfte lieber nach Berlin oder Frankfurt wollen, als auf die schwäbische Alb. Quelle: Fotolia
Urlaubsgeld ist 78,8 Prozent der jungen Fachkräfte bei einem Unternehmen "wichtig" oder "sehr wichtig". Quelle: dpa
Betriebliche Altersvorsorge: 74,4 Prozent finden außerdem eine betriebliche Gesundheitsvorsorge attraktiv. Quelle: Fotolia

Ob in der Automobilbranche, im Einzelhandel, in der Luftfahrt oder der Tourismusindustrie: „Gute Arbeitgeber bieten eine positive Arbeitsatmosphäre und eine offene, kommunikative Unternehmenskultur, in der sich die Mitarbeiter entwickeln können“, sagt Universum-Manager Lake.

Darauf legt auch Corinna Baumann* Wert – ein wesentlicher Grund für die 27-jährige Betriebswirtin, sich für Coca-Cola zu entscheiden: „Unser Claim ist: Mach anderen eine Freude“, sagt Baumann, die im Marketing arbeitet.

Im Team mit drei Kollegen entwickelt sie Werbeaktionen für Tankstellen, Bäckereiketten und Einzelhandelsketten. Gerade hat sie ein Fußball-Wochenende in einer Bäckereikette verlost und die Sieger zum VIP-Wochenende mit Bundesligaspiel nach München geschickt.

Als „Open-Happiness-Prinzip“ beschreibt Jennifer Baum aus der Personalabteilung des Konzerns die Kultur des Brauseherstellers. „Wir sind eine Familie, die in 206 Ländern der Welt präsent ist.“ Mitarbeiter werden nach Persönlichkeit rekrutiert, die in Schule, Studium oder Praktika erworbenen Fähigkeiten kommen erst an zweiter Stelle. „Wir suchen die Right Potentials“, sagt Baum. „Unsere Leute müssen die richtige Haltung mitbringen – alles andere können sie in Trainings lernen.“

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Name ist der Redaktion bekannt, auf Wunsch der Protagonistin geändert

Teil der Familie

Botschaften, die bei jungen Talenten offenbar ankommen: Um elf Positionen auf Platz 14 ist Deutschlands größter Getränkeproduzent in der Gunst der Wirtschaftswissenschaftler geklettert. „Ich bin einfach stolz darauf“, sagt Baumann, „Teil der Coke-Familie zu sein.“

Neben einer emotional aufgeladenen Unternehmenskultur bietet der Brausehersteller eine strukturierte, langfristige Karriereplanung. Am Ende der Traineezeit besprechen die angehenden Mitarbeiter mit ihren Chefs ihre Entwicklung in den kommenden fünf bis acht Jahren.

Bei Stefan Seiss etwa ist die Rechnung aufgegangen. Der heute 47-Jährige hat an der TU München Brauwesen und Getränketechnologie studiert. 1996 startete er als Trainee und wurde nach Stationen im weltweiten Coke-Imperium im Mai dieses Jahres Vorstand für Supply Chain Management.

Die beliebtesten Arbeitgeber junger Ingenieure

Erfolgsgeschichten, mit denen das Unternehmen in der entsprechenden Zielgruppe hausieren geht: Coke-Vorstände geben sich nahbar, halten Reden bei Bachelor-Abschluss-Feiern und laden Hochschul-Alumni ins Headquarter nach Berlin ein.

Inspiration gefragt

„Gerade für die Wirtschaftswissenschaftler ist solch ein inspirierender Managementstil wichtig“, sagt Universum-Manager Lake. „Die jungen Berufstätigen wünschen sich von ihrem Arbeitgeber die Förderung und Entwicklung von Talenten, eine offene Gesprächskultur mit Feedback sowie einen guten Führungsstil mit klaren Entscheidungen und Zielen.“

Und verlässliche Perspektiven: Attraktiv ist ein Arbeitgeber inzwischen auch, wenn er sichere und stabile Arbeitsplätze bietet – kein Kriterium hat unter jungen Talenten bei der Wahl des Arbeitgebers in den vergangenen zwölf Monaten so Karriere gemacht wie die Jobsicherheit.

„Die Arbeitsmarktkatastrophe der Neunzigerjahre, das Platzen der Internet-Blase, die Finanzkrise, die Umweltkatastrophen – diese Generation hat in ihrer prägenden Jugendzeit erlebt, dass nichts mehr sicher ist“, sagt Generationenforscher Klaus Hurrelmann, Professor an der Hertie School of Governance.

Darauf legen junge Arbeitnehmer bei der Wahl ihres Arbeitnehmers Wert

Kein Wunder also, dass etwa Audi genau auf diese Sicherheit setzt: Die Volkswagen-Tochter aus Ingolstadt wächst stark und sagt das auch. In diesem Jahr hat Audi 3000 neue Mitarbeiter eingestellt und mit den beiden deutschen Standorten Ingolstadt und Neckarsulm eine Beschäftigungssicherung für die kommenden vier Jahre vereinbart.

Das macht den Autobauer nicht nur wie in den vergangenen Jahren üblich bei Ingenieuren, Ökonomen und studierten Programmierern zum beliebtesten Arbeitgeber. Selbst bei den so sicherheitsbewussten Naturwissenschaftlern hat Audi 14 Plätze aufgeholt und liegt nun auf Platz 16.

Der promovierte Physiker Martin Brennberger ist einer von ihnen. „Als Physiker decke ich ein sehr breites Spektrum ab, hinterfrage die Dinge mehr und kann mich schnell und intensiv in neue Gebiete einarbeiten“, sagt der 37-Jährige über seine Arbeit als Naturwissenschaftler unter Ingenieuren. „Bei Audi setze ich Projekte schnell um. Das liegt mir. In der Wissenschaft dauert es dagegen oft über 20 Jahre, bis man Ergebnisse sieht.“

Während seines Studiums lernte Brennberger auf einer Exkursion den Audi-Windkanal kennen. Er blieb, forschte und schrieb erst seine Diplom- und dann die Doktorarbeit über die dröhnenden Geräusche, die Schiebedächer und Spalte bei bestimmten Geschwindigkeiten verursachen.

Acht Jahre arbeitete er am Windkanal und betreute auch andere naturwissenschaftliche Doktoranden. 2011 übernahm er als Konzeptleiter die technische Verantwortung für die Modelle der D-Reihe vom Projektstart bis zum Konzeptentscheid, der Übergabe des Projekts an die Serienentwicklung.

Sichere Zukunft

„Es gefällt mir, dass ich mich auf meinen Job konzentrieren kann und weiß, dass ich im Unternehmen eine sichere Zukunft habe“, sagt Brennberger.

Rückversicherungsstrategie nennt Forscher Hurrelmann diesen Wunsch, die scheinbar unvereinbaren Gegensätze aus absoluter Selbstbestimmtheit und Arbeitsplatzgarantie zu verbinden.

Auch für Entwicklungsingenieur Dittrich kommt der Wechsel seines Arbeitgebers erst mal nicht infrage. In den ersten Jahren arbeitete er als Diplomand – das Diplomarbeitsthema hybride Antriebe hat ihn seitdem nicht mehr losgelassen – und als externer Mitarbeiter für ZF Friedrichshafen. „Als ich dann 2011, nach drei Jahren, einen unbefristeten Vertrag bekommen habe, wusste ich: Jetzt bin ich angekommen – ein großartiges Gefühl.“

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