Arbeitserleichterung Wie Virtuelle Persönliche Assistenten das Sekretariat ersetzen

Auch ohne Sekretariat lassen sich leidige Aufgaben delegieren – an sogenannte Virtuelle Persönliche Assistenten. Die nutzten bisher vor allem Amerikaner – jetzt gibt es den Service auch für Deutsche. Und die Arbeitserleichterung ist sogar erschwinglich.

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Persönliche Assistentin Quelle: Nicholas Blechman

Konferenzen koordinieren, Präsentationen vorbereiten, Arzttermine machen – ob beruflich oder privat: Es sind vor allem die repetitiven Routineaufgaben, die den Alltag vieler Manager fragmentieren, unproduktiv machen und, verglichen mit ihren Gehältern, unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen.

Dabei wäre die Lösung so einfach: unwichtige Aufgaben werden weitergereicht, um sich mehr auf die kritischen Dinge konzentrieren zu können.

Das Konzept dahinter ist auch als Pareto-Prinzip bekannt, nach dem wir mit 20 Prozent unserer Aktivitäten in der Regel 80 Prozent der Ergebnisse erzielen. Und das lässt sich wesentlich leichter umsetzen, wenn wir jemanden haben, der die restlichen 80 Prozent Kleinkram für uns erledigt.

Zeitersparnis durch VPAs

Sicher, manch einer hat dafür Assistenten. Aber selbst die murren heute schon, wenn sie sich mit Nebensächlichkeiten herumplagen müssen oder Privates erledigen sollen. Und wer genauer hinschaut, kommt auch nicht umhin, festzustellen: Selbst dafür sind die hiesigen Helfer eigentlich schon zu teuer. Genau das Problem könnte sich bald lösen: durch sogenannte Virtuelle Persönliche Assistenten, kurz VPA.

Diese emsigen Gehilfen erledigen unangenehme oder zeitfressende Jobs für jedermann – recherchieren im Internet, organisieren Meetings, buchen Reisen oder Tische für Geschäftsessen.

Seinen Hauptvorteil zieht das Modell der VPA aus der sogenannten Geoarbitrage. Dabei profitieren die Kunden von weltweit unterschiedlichen Währungskursen, Lohnniveaus und Zeitzonen. Die Idee dahinter: Man nutzt die eigenen Ressourcen und die eigene Zeit intelligenter und effizienter, während der Rest ausgelagert und zeitversetzt bearbeitet wird – dort, wo es am günstigsten ist.

Weil die virtuellen Assistenten meist im Ausland und in Niedriglohnländern sitzen, kommen die Auftraggeber so fast durchweg günstiger weg, als wenn sie all die lästigen Jobs selbst erledigen würden. Und das gilt für Arbeitnehmer aller Ebenen. Breitband-Internet, Filesharing und IP-Telefonie machen es möglich.

Attraktive Alternative für Freiberufler

Hinzu kommt: Die zunehmend mobile und flexible Arbeitskultur, die uns mit dem Laptop ins Heimbüro oder ins Café entlässt, statt an den Schreibtisch zu ketten, macht es für Festangestellte, mehr aber noch für Freiberufler attraktiv, ihre persönliche Produktivität mittels Assistenten zu optimieren.

In den USA werden solche VPA schon seit einiger Zeit genutzt – Thomas Friedman schrieb darüber bereits in seinem Bestseller „Die Welt ist flach“ ebenso wie Timothy Ferriss im Buch „Die 4-Stunden-Woche“.

Welcher Assistent kostet mehr?

Das Problem: Bisher wurde der Service hierzulande allenfalls in englischer Sprache angeboten. Unpraktisch, wenn man Telefonate und Korrespondenz auf Deutsch abgewickelt oder auch nur einen Tisch im Restaurant reserviert haben will. Doch genau das ändert sich gerade.

So haben zwei junge Berliner vergangene Woche Strandschicht.de gestartet, den – wie sie sagen – ersten von Deutschland aus geführten VPA-Dienst. Bastian Kröhnert und Simon Barth wollen deutschsprachige Assistenten aus Polen vermitteln, zum Kampfpreis von fünf bis zehn Euro pro Stunde – je nach Tarif.

Die Geschäftsidee kam den beiden im BWL-Studium, nachdem sie in Ferriss’ Bestseller über das moderne Arbeitsleben gelesen hatten, bei dem man nur noch die allerwichtigsten Dinge selber macht und den Rest einen VPA erledigen lässt. „Das hätte ich selbst gerne, und das müsste ein Geschäftsmodell sein“, erinnert sich Kröhnert an seinen Geistesblitz.

Inder wollen deutschen Markt erobern

Der Wirtschaftswissenschaftler hat schon in jungen Jahren Anleitungen darüber verfasst, wie man Produkte aus China nach Deutschland importiert und mit Gewinn verkauft. Internationales Arbeiten war ihm also nicht fremd.

Kröhnert und Barth machten sich – zunächst über Facebook – auf die Suche nach polnischen Studenten, die sehr gut Deutsch sprachen und Lust auf einen Nebenverdienst hatten. Ihr Team umfasst bisher vier freiberufliche Mitarbeiterinnen, könnte aber „bei steigendem Bedarf ausgebaut werden“.

Die beiden sind allerdings nicht die Ersten, die den deutschen Markt mit ihrem Angebot erobern wollen: Die Inder waren schneller.

GetFriday: Neuer Dienstleister auf Deutsch

Seit Juni hat GetFriday, der größte dortige Anbieter von virtuellen Assistenten, seinen VPA-Service auch auf Deutsch im Portfolio. „Wir hatten schon immer einige Kunden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die bisher unseren englischsprachigen Service genutzt haben“, erklärt Sunder Prakasham, CEO des Unternehmens, die jüngsten Expansionspläne.

Timo Hahn ist einer davon. Der 30-Jährige hat gerade seinen Job gekündigt, um sich als Internet Consultant selbstständig zu machen. Von seiner GetFriday-Assistentin lässt er sich zum Beispiel Texte für Web-Seiten schreiben oder Konkurrenzanalysen erstellen.

Die Kunden profitieren von unterschiedlichen Lohnniveaus und Zeitzonen Quelle: Nicholas Blechman

„Ich habe jemanden gesucht, der auf Zuruf sowie stundenweise arbeitet und mir Kleinigkeiten abnimmt, ohne dass ich gleich jemanden anstellen muss“, sagt Hahn und rechnet vor: Während ihn eine festangestellte Assistentin rund 2500 Euro im Monat kosten würde, schlage der VPA nur mit 1120 Euro zu Buche. Mehr noch: Weil er aber noch gar keine Vollauslastung brauche, nehme er derzeit monatlich nur 40-, 60- oder 80-Stunden-Pakete ab und zahle dafür lediglich zwischen 360 und 640 Euro.

Doch auch Festangestellte nutzen derlei Helfer. Alexander Witt, 28, ist Unternehmensberater und lässt sich etwa via Indien Termine beim Frisör oder Arzt vereinbaren. Berufliches kann er zwar nicht delegieren, weil er dann sensible Daten herausgeben müsste. Doch auch so hilft ihm der Service weiter: „Ich bin international viel unterwegs, arbeite 10 bis 14 Stunden pro Tag, und am Wochenende komme ich nicht dazu, Termine zu machen“, sagt er: „Da schreibe ich lieber abends im Hotel eine E-Mail, und die Sache wird erledigt.“

Spezialisten statt Ferienjobber

Bisher besteht das deutsche Team in Indien noch aus vier Mitarbeitern, im Vergleich zu 200 insgesamt. Doch will auch Prakasham die Mannschaft vergrößern.

Dazu muss er wohl allerdings seine Preisstruktur überdenken, denn der Stundenlohn seiner indischen Assistenten liegt derzeit noch über dem der polnischen: Wer ohne Vertragsbindung bucht – „Pay as you go“ heißt das bei GetFriday –, zahlt im Schnitt 15 Euro pro Stunde – bei Strandschicht sind es nur zehn.

Prakasham hält sein Angebot dennoch für konkurrenzfähig. Auch in den USA habe es anfangs Kritiker gegeben, die meinten, für solche Honorare könne man auch College-Studenten engagieren. Doch würden bei GetFriday eben keine Ferienjobber arbeiten, sondern ausgebildete Spezialisten. Behauptet Prakasham jedenfalls.

Ob sich der Service – ob nun mit Spezialisten oder einfachen Hilfskräften – für die Kunden rechnet, ergibt meist schon eine simple Rechnung: Sobald der eigene Stundenlohn den des Dienstleisters übertrifft und vorausgesetzt, man kann in derselben Zeit eigenes Geld verdienen, lohnt es sich nicht, die Dinge selbst zu erledigen.

Kopf frei für Wichtigeres

Die Tücken solcher Assistenzjobs stecken dann jedoch eher im Detail: Die meisten VPA-Erstnutzer müssen anfangs erst noch lernen, welche Jobs sie überhaupt abgeben und welche optimalen Zeitvorgaben sie dazu machen können.

Natürlich ist es manchmal mehr Arbeit, kleine Aufgaben erst zu formulieren, statt sie schnell selbst zu erledigen. Andererseits ist genau das der Denkfehler, den Menschen machen, die nicht delegieren können: Sie lassen sich von vielen kleinen Aufgaben beherrschen, die sie immer wieder aus wesentlich wichtigeren Projekten herausreißen.

Und nicht selten verpassen sie so jene Gelegenheiten, herausragende Leistungen zu erbringen oder bahnbrechende Ideen zu gebären, die so manche Karriere erst beflügelt haben.

Oder wie es der einstige Ölmagnat und Multimilliardär, John D. Rockefeller, auf den Punkt brachte: „Man sollte niemals etwas tun, was jemand anderes für einen erledigen kann.“

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