Es heißt, die Bundesrepublik habe bis heute Schwierigkeiten mit der politischen Selbstdarstellung.
Ja, das merkt man allenthalben. Zumal beim Militärischen. Etwa wenn ein Staatsgast die Ehrenformation vor Schloss Bellevue abschreitet. Da spüre ich beim Publikum immer ein gewisses Unbehagen. Dabei hätten die Deutschen allen Grund, stolz zu sein auf ihre Armee, die weltweit anerkannt ist durch ihre UN-Einsätze.
Sie sind ein Freund der Provinz, auch der deutschen Gemütlichkeit, die gern als hinterwäldlerisch geächtet wird.
Das halte ich für ein typisches Intellektuellenvorurteil. Ich zitiere gern den Schriftsteller Oskar Maria Graf, der von Hitler aus Bayern nach New York vertrieben wurde und gesagt hat: Provinziell muss die Welt werden, dann wird sie menschlich.
Was ist für Sie deutsche Provinz?
Das butzenscheibenhafte, romantische Deutschland, das ich als Junge in meinen Schulfibeln kennengelernt habe. Das Deutschland des Biedermeier mit seinen spitzen Giebeln, und aus jedem Giebelfenster streckt ein Mann mit schlohweißen Haaren seinen Kopf heraus, der deutsche Denker und Dichter...
Die Spitzweg-Idylle.
Ja, aber es ist dieser scheinbar weltentrückte, in der Provinz stecken gebliebene deutsche Dichter und Denker, der die ganze Welt in Gedanken erfasst hat. Wie der Dichter und Philologe Friedrich Rückert, der zeitlebens seiner fränkischen Heimat treu geblieben ist. Dieser Mann hat 44 Sprachen gelehrt. Seine äthiopische Grammatik wird immer noch bewundert, seine Übersetzung des Koran gilt bis auf den heutigen Tag als eine der besten.