Asfa-Wossen Asserate Ein Lob der deutschen Tugenden

Asfa-Wossen Asserate möchte die Deutschen mit ihren traditionellen Tugenden versöhnen. Der Unternehmensberater und Publizist über Erfindergeist, anmutige Jungbauern und eine funktionierende Müllabfuhr.

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Foto: Montage. dapd, dpa, Marcel Stahn, Andreas Chudowski für Wirtschaftswoche Quelle: dapd

WirtschaftsWoche: Herr Asserate, Ihr neues Buch heißt "Deutsche Tugenden". Wollen Sie mit dem markigen Titel provozieren?

Asserate: Im Gegenteil, mir liegt daran, die Deutschen mit ihrer Kultur zu versöhnen, ihnen zu sagen: Schaut mal, hier gibt es Traditionen, die es wert sind, gepflegt zu werden. Wobei ich gar nicht behaupte, dass es sich bei Tugenden wie Fleiß oder Zivilcourage um exklusiv deutsche Eigenschaften handelt. Ich beschreibe genau genommen universale Tugenden, von denen einige allerdings, gerade durch die Brille des Auslands, als typisch deutsch angesehen werden.

Kronzeugen deutscher Tugenden
Erfindergeist Hasso Plattner, Mitgründer des Softwareherstellers SAP und Vater der Hochleistungsdatenbank Hana. Quelle: dpa
Präzision Nicola Leibinger-Kammüller, Chefin von Trumpf, einem Spezialisten für Lasertechnik im Maschinenbau. Quelle: dpa
Perfektionsdrang Peter Schreyer, der für Audi den Sportwagen TT gestaltet hat und heute Designchef von Hyundai und Kia ist. Quelle: dpa
PflichtgefühlDiana-Lydia Wade, die als eine der ersten Frauen das Kommando einer Bundeswehr-Kompanie übernommen hat.
Humor Harald Schmidt, Entertainer mit schwäbischen Wurzeln, berühmt als Botschafter des fröhlichen Zynismus. Quelle: dapd
Provinzialität Christian Schmid, Gesellschafter der Schmid Group in Freudenstadt, eines Ausrüsters der Elektronikbranche. Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche

An welche denken Sie da?

Natürlich an die sogenannten preußischen Tugenden, an Ordnungsliebe, Pünktlichkeit und Sparsamkeit. Aber auch an den Perfektionsdrang der Deutschen, an ihren Erfindergeist, ihren Sinn für alles, was funktioniert. Lauter Eigenschaften, die weit zurückreichen in die deutsche Geschichte.

Bis wohin?

Bis in die Zeit der mittelalterlichen Zünfte. Etwas zünftig zu bearbeiten hieß, seine handwerkliche Könnerschaft zu beweisen. Im 19. Jahrhundert wurde daraus das Gütesiegel Made in Germany. Kaiser Wilhelm II. gab die Parole aus: "Mit Volldampf voraus." Das Deutsche Reich wollte den Rivalen England wissenschaftlich-technisch überholen.

Und dieser Ehrgeiz wirkt bis heute fort?

Sie können heute noch einen Afrikaner fragen, was er mit Deutschland verbindet, dann wird er Ihnen garantiert sagen: Zuverlässigkeit, Präzision, technische Perfektion. Ein Drucker im Kongo weiß, dass eine Druckmaschine aus Heidelberg vielleicht zehnmal teurer ist als eine chinesische. Trotzdem wird er das deutsche Fabrikat vorziehen, weil er schon von seinem Vater gehört hat, dass das keine billige Ware ist, sondern Wertarbeit, die 100 Jahre hält.

Asserates Buch

Stecken in solchen Zuschreibungen nicht immer auch Klischees und Stereotypen?

Schon, aber auch etliche Körnchen Wahrheit. Nehmen Sie nur die Sache mit der Pünktlichkeit. Vor einiger Zeit hatte ich geschäftlich in Afrika zu tun und schickte von Deutschland aus, weil es nicht anders ging, zunächst ein Fax. Nach einer Woche hatte ich immer noch keine Antwort und rief bei der zuständigen Firma an: Haben Sie mein Fax nicht erhalten? Meine deutschen Geschäftspartner werden langsam nervös. Doch, hieß es, selbstverständlich haben wir das Fax erhalten. Und dann: Ihr Deutschen habt die Uhren, und wir Afrikaner haben die Zeit. Das ist typisch: Die Afrikaner kennen das deutsche Pünktlichkeitsideal, glauben aber, sie seien die Herren der Zeit. Ein fataler Irrtum.

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